Tödliche Wirtschaftsblockade oder transparente Zollregelung? Die neue Zollverordnung der Ukraine und der Transnistrien-Konflikt

Von Jan Zofka

Zusammenfassung
Die von den ukrainischen Behörden seit dem 3. März 2006 angewendeten Zollbestimmungen haben eine neue Zuspitzung des seit dem Zerfall der Sowjetunion schwelenden Konflikts zwischen der (ehemaligen Sowjet-)Republik Moldova und dem de facto unabhängigen Landesteil, der selbsternannten „Transnistrischen Moldau Republik“ (Pridnjestrovskaja Moldovskaja Respublika – PMR), ausgelöst. In Übereinstimmung mit einem Abkommen mit der Republik Moldova vom Herbst 2005 lassen die ukrainischen Zöllner an der transnistrischen Grenze nur noch Waren passieren, die vom moldavischen Zoll abgefertigt worden sind. Die Regierung der PMR, deren Gebiet nur einen schmalen Streifen entlang des Dnjestr zwischen der ukra- inischen Grenze und Rest-Moldova umfasst, reagierte daraufhin ihrerseits mit einer Blockade ukrainischer Güter und drohte mit einer Suspendierung der internationalen Gespräche für eine friedliche Beilegung des Konflikts. Die Ukraine, die Republik Moldova und die OSZE sehen in der Regelung, die in ähnlicher Form bereits von Sommer 2003 bis Sommer 2004 in Kraft gewesen war, dagegen eine Normalisierung und Verrechtlichung der moldavisch-ukrainischen Grenzbeziehungen. Die Außenpolitik Kievs unter der westlich orientierten „orangenen“ Führung macht damit weitere Schritte in Richtung EU und stellt sich erstmals mit Moldova gegen die von Russland unterstützte PMR. Diese eindeutige Positionierung im Widerstreit zwischen den Vorgaben der „internationalen Gemeinschaft“ (hier vertreten durch die OSZE und die EU) einer normierten Staatlichkeit und systematisch kontrollierter Grenzen einerseits sowie den Realitäten post- sowjetischer „failing borders“ andererseits begünstigt zunächst eine Verschärfung des Konflikts, könnte aber, dadurch dass Breschen in die scheinbar so geschlossenen PMR-Eliten geschlagen werden, neue Anknüp- fungspunkte für eine dauerhafte Regelung der Frage nach dem Status Transnistriens ergeben.

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Analyse

Der russisch-ukrainische Erdgasstreit: Fortsetzung ohne Ende?

Von Jonas Grätz
Die Unterbrechung der Gaslieferungen durch Russland im Januar 2009 liegt nun bereits fünf Monate zurück. Die damals geschlossenen Gasverträge konnten den Gasfluss zwar wieder herstellen, haben jedoch die zugrunde liegenden strukturellen und institutionellen Probleme nicht gelöst. Einige Probleme treten heute noch deutlicher zu Tage. Der Artikel beleuchtet die Entwicklungen seit Unterzeichnung der Verträge. Zentral sind dabei Fragen nach der Begleichung der Gasrechung, der Rolle der EU und der Funktion der Zwischenhändler. (…)
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Analyse

»Gezwungen zur Bruderschaft«? Zum Stand der ukrainisch–russischen Beziehungen vor den ukrainischen Präsidentschaftswahlen

Von André Härtel
Mit einem offenen Brief des russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew an seinen ukrainischen Amtskollegen Viktor Juschtschenko vom 11. August 2009 und der ausgesetzten Entsendung eines neuen russischen Botschafters nach Kiew erreichten die ukrainisch–russischen Beziehungen nach dem Gasstreit vom Jahreswechsel 2008/09 einen neuerlichen, negativen Höhepunkt. Unter anderem lastete Medwedew Juschtschenko eine angebliche militärische Unterstützung Georgiens im letztjährigen Kaukasuskrieg, die Verletzung von Bestimmungen des Vertrages über die Stationierung der Schwarzmeerflotte und eine anti-russische Geschichtspolitik an. Bei einer Bestandsaufnahme der Beziehungen beider Länder vor den ukrainischen Präsidentschaftswahlen im Januar 2010 zeigt sich: die »orange« Außenpolitik des ukrainischen Präsidenten hat ihre Ziele verfehlt und vielmehr zu einer Verringerung des außenpolitischen Spielraums Kiews geführt. Dagegen eröffnet sich Russland durch das schlechte Image Juschtschenkos und die Ernüchterung über die Ergebnisse der »Orangen Revolution« eine Chance zur Neuordnung der ukrainisch–russischen Beziehungen nach eigenen Vorstellungen. (…)
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