Die deutsch-ukrainischen Beziehungen auf zivilgesellschaftlicher Ebene: Stand und Verbesserungsvorschläge

Von Oleksandra Bienert (Berlin)

Zusammenfassung
Die deutsch-ukrainischen Beziehungen erleben auf zivilgesellschaftlicher Ebene gerade einen Aufschwung. Dadurch treten einige Lücken in dieser Zusammenarbeit zutage, die bereits vorhanden waren, die ohne die vielen zurzeit stattfindenden Projekte aber nicht so deutlich geworden wären. Der Artikel analysiert diese Tendenzen und geht auf die humanitäre Hilfe seitens staatlicher deutscher Strukturen für die Ukraine ein. Wichtig scheinen zurzeit vor allem die Schaffung von Koordinierungs- und Konsolidierungsstrukturen sowie eine Sensibilisierung der Eigenwahrnehmung der Partner in dieser Zusammenarbeit. Der Artikel endet mit Verbesserungsvorschlägen sowohl für die Zusammenarbeit insgesamt als auch bezüglich des konkreten Bedarfs in der momentan schwierigen Situation der Ukraine.

Momentane Hilfe aus Deutschland auf zivilgesellschaftlicher Ebene

Aus einem historischen Zusammenhang heraus existieren in Deutschland viele NGOs, die im Bereich humanitäre Hilfe für die Ukraine arbeiten. Sie sind nach der Chernobyl-Katastrophe entstanden bzw. waren in der schwierigen Übergangszeit in den 1990er Jahren mit humanitärer Hilfe für die Ukraine befasst. Die ersten Chernobyl-Vereine wurden bereits 1990 gegründet, etwa »Heim-statt Tschernobyl e. V.«, die Zahl dieser Organisationen ist inzwischen auf über 60 angewachsen. Einige der Initiativen, die sich humanitär betätigen, tun das in der jetzigen Situation verstärkt bzw. haben sich auf Hilfe für Binnenflüchtlinge spezialisiert. Etwas geringer ist die Zahl der NGOs, die sich der Demokratisierung in der Ukraine widmen (bspw. durch Hilfe beim Ausbau von rechtsstaatlichen Institutionen, Menschenrechtsprojekten oder Austausch), es gibt sie aber auch. Außerdem gibt es eine kleine Zahl deutsch-ukrainischer Projekte, die die Reformprozesse in der Ukraine unterstützen. Einen wichtigen Beitrag leisten zudem bereits bestehende Städtepartnerschaften. Ein gutes Beispiel ist hierfür die Partnerschaft zwischen Kiew und München, die u. a. in die Entwicklung der zivilgesellschaftlichen Initiative »Kontaktgruppe Munich-Kiev Queer« mündete, die die deutsche und die ukrainische LGBT-Szene vernetzt und sich für LGBT-Rechte einsetzt.

Bei der humanitären Hilfe seitens deutscher NGOs fällt aber sehr auf, dass es bis dato keinen größeren Spendenaufruf von renommierten und bei der Mehrheit glaubwürdigen deutschen Hilfsorganisationen wie der Caritas International, dem Deutschen Roten Kreuz oder dem Bündnis »Aktion Deutschland Hilft« gegeben hat. In den ukrainisch-deutschen Initiativen, die während der Maidan-Zeit in verschiedensten deutschen Städten zur Unterstützung der Proteste entstanden sind, haben sich mit der Zeit »humanitäre Bereiche« gebildet, die bis heute funktionieren und Hilfe in die Ukraine schicken. Zu den bekanntesten dieser Initiativen gehört der Verein »International Association for Support of Ukraine – Germany«, der im Raum Frankfurt am Main arbeitet. Aber auch in Berlin, Bremen, Köln, München, Leipzig, Bamberg, Hamburg, Nürnberg, Marburg und anderen Städten sind Menschen weiterhin aktiv. Spenden werden bspw. durch Flohmarktverkäufe, im Arbeits- und Freundeskreis, durch Aufrufe über Facebook und in lokalen Zeitungen, aber auch von der ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche gesammelt. Diese Initiativen kennen einander meist und sind über Facebook vernetzt, sie haben es aber nicht geschafft, eine größere gemeinsame Spendenaktion zu organisieren.

Beim Überblick über die deutsch-ukrainische Zusammenarbeit stößt man zudem auf die beinahe vollständige Abwesenheit von Konsolidierungs-, Koordinierungs- und Vernetzungsstrukturen für diese Zusammenarbeit. In Deutschland fehlt ganz offensichtlich eine Stelle, die zum einen Kontakte vermitteln und zum anderen bei der deutsch-ukrainischen Zusammenarbeit nachsteuern könnte. Gleichzeitig haben viele NGOs, die früher eher mit Osteuropa im Allgemeinen befasst waren und ihren Blick jetzt verstärkt auf die Ukraine richten, Schwierigkeiten, weil sie nicht wissen, mit wem sie in der Ukraine zusammenarbeiten können. Bereits bestehende Formen der Zusammenarbeit zwischen einzelnen Organisationen sind zwar positiv zu vermerken, finden aber nach wie vor zwischen den gleichen Partnern statt. Hier fragt sich, ob Vernetzungstreffen wie thematische Konferenzen, auf denen man üblicherweise Partner aus dem gleichen Bereich, aber anderen Ländern kennenlernt (hier sind als Beispiel die erfolgreichen »Kiewer Gespräche« zu nennen, bei denen sich seit 2005 die ukrainische und die deutsche Zivilgesellschaft vernetzen), ausreichend und für eine umfassende Vernetzung geeignet sind.

Spürbar ist die fehlende Vernetzung sowohl zwischen den deutschen Initiativen, die zur Ukraine arbeiten, als auch zwischen deutschen Initiativen und möglichen Partnern in der Ukraine – obwohl es während des Maidans einige (teils gelungene) Versuche gegeben hat, die Maidan-Bewegung in Deutschland zu vernetzen. Aus einigen dieser Versuche entstanden später kleine Netzwerke von mit der Ukraine beschäftigten Organisationen. Ein anderes positives Ergebnis ist die Vernetzung der mit logistischen Aufgaben befassten Maidan-Initiativen in Deutschland – dieses Netzwerk funktioniert bis heute, meist über Facebook. Die genannten Vernetzungsversuche umfassen jedoch nur einen kleinen Teil der in Deutschland existierenden NGOs.

Einen weiteren Vernetzungsversuch startete das Auswärtige Amt. Im Februar 2015 fand in Berlin unter dem Titel »Ein Jahr nach dem Maidan – Perspektive der zwischengesellschaftlichen Zusammenarbeit mit der Ukraine und Russland« eine große Konferenz mit 300 deutschen Nichtregierungsorganisationen statt. Die von 500 Teilnehmern besuchte Veranstaltung kann jedoch nur als kleiner Schritt in Richtung Vernetzung gelten. Erstens waren unter den Teilnehmenden viel zu viele Unternehmer und zweitens war die Konferenz für einen tatsächlichen Austausch zwischen den NGOs von Größe und Aufbau her nicht sehr gut geeignet – obwohl sie natürlich zu einer verbesserten Vernetzung beigetragen hat.

Deutsche Hilfe auf staatlicher Ebene

Seit dem Beginn der Auseinandersetzungen auf dem Maidan hat die deutsche Regierung als einer der größten Geldgeber verschiedene Arten von humanitärer Hilfe für die Ukraine zur Verfügung gestellt (s. Tabellen 1 und 2 auf S. 20). Sie führte zum Beispiel mehrere Hilfstransporte durch und unterstützte Binnenflüchtlinge sowie den Aufbau von Infrastruktur. In Zusammenarbeit mit der »Wiktor Pintschuk Stiftung« wurden 40 Maidan-Verletzte in Berlin, Ulm und Koblenz sowie 20 schwerverletzte Soldaten aus der Ukraine in Berlin, Köln, Ulm und Hamburg behandelt; auch für 2015 wurde humanitäre Hilfe für Binnenflüchtlinge versprochen. Die staatliche humanitäre Hilfe wird vor Ort in der Ukraine verteilt, u. a. mithilfe größerer deutscher NGOs, die mit lokalen Partnern zusammenarbeiten. Die starke Beteiligung deutscher Träger vor Ort ist zwar zu begrüßen, die Organisationen, die die Hilfsleistungen organisieren, sind aber oft nicht gut genug untereinander vernetzt. Gebraucht wird eine Konsolidierungsstruktur, die im Blick behält, was genau an Hilfe geleistet wird und welche Projekte vor Ort durchgeführt wurden.

Zum Ausbau der Zusammenarbeit mit der ukrainischen Zivilgesellschaft schuf der Deutsche Bundestag 2014 außerdem einen Haushaltstitel, mit dessen Mitteln Projekte zur Zusammenarbeit mit der Ukraine und der Östlichen Partnerschaft gefördert werden sollten. Als Ziel sieht die Bundesregierung dabei die »(…) Schaffung bzw. Vertiefung von dauerhaften Strukturen der Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Akteure aus Deutschland und den Ländern der Östlichen Partnerschaft (…)« vor. Schwerpunktmäßig sollen die Projekte »zur Stabilisierung in der Ukraine« beitragen. Im vergangenen Jahr wurden in diesem Rahmen nach Angaben des Auswärtigen Amtes Sondermittel in Höhe von fünf Millionen Euro für über 80 Projekte zur Verfügung gestellt, darunter Fortbildungen, Projekte zum Jugendaustausch, Menschenrechts- und andere Projekte in der Ukraine und den Ländern der Östlichen Partnerschaft. Auch für 2015 wurden fünf Millionen Euro bereitgestellt. Am 6.3.2015 lief eine Deadline zur Interessensbekundung seitens möglicher geförderter Projekte ab, im April 2015 werden die Projekte ggf. zur Antragstellung aufgefordert. Das heißt, dass sie frühestens im Mai oder sogar erst im Juni 2015 anlaufen können.

Das Hauptproblem an diesen Mitteln ist ihre anscheinend fehlende Struktur sowie ein fehlender Plan für ihre Verteilung. In der Ausschreibung werden lediglich die politischen Ziele sowie die Inhalte, die gefördert werden sollen, benannt (u. a. Pluralismus, Dialog und Verständigung). Neue und – was noch wichtiger wäre – dauerhafte Strukturen werden aber offenbar nicht gefördert, vielmehr werden Fördergelder über einen Wettbewerb an die bestehenden Träger vergeben, die damit ihre Arbeit in der Ukraine fortsetzen bzw. vertiefen können. Das mag zwar sehr gut sein, ohne eine vorherige Analyse, was in der Ukraine zurzeit am dringendsten gebraucht wird, kann mit dieser Förderung aber kaum nachhaltig geholfen werden.

Ein weiteres Problem an dieser Mittelvergabe ist, dass die Träger die Förderung noch im gleichen Jahr verwenden müssen. Dass die Mittel für 2014 bspw. erst im Sommer zur Verfügung standen und auch für 2015 erst ab Mai zur Verfügung stehen werden, führt zu teilweise an Absurdität grenzenden Beispielen, wenn etwa deutsche Träger ihr privates Geld in Projekte investieren, um diese zu retten. Die Ergebnisse solcher Verfahren sind kaum kalkulierbar. Etwas wirklich Nachhaltiges kann durch ein halbjähriges Projekt, von dem man einen Monat vor Einreichung der Projektskizzen erfährt, jedoch nur zufällig entstehen.

Paternalismus – ein großes Problem bei der Hilfe, das für gemeinsame Projekte zur Falle werden könnte

Im Zuge der in Deutschland auf verschiedenen Ebenen verstärkten Beschäftigung mit der Ukraine tritt ein Paternalismus der deutschen Partner gegenüber ihren ukrainischen Kollegen besonders deutlich zutage. Das mentale Kräftemessen zwischen Deutschland als wichtigstem Land in der EU auf der einen und der instabilen Ukraine auf der anderen Seite ist dabei besonders schwierig. Bei etlichen Projektvorbereitungen – von der Erarbeitung größerer Konzepte bis zur Einreichung kleinerer Projekte zur Förderung durch das Auswärtige Amt – kann eine ähnlich traurige Asymmetrie in der ukrainisch-deutschen Partnerschaft beobachtet werden: Die deutschen Partner »vergessen«, ihre ukrainischen Partner um Rat zu fragen, und entwickeln Konzepte, die sie den ukrainischen Partnern dann zur Diskussion vorschlagen, statt sie in deutsch-ukrainischen Gruppen gemeinsam zu erarbeiten; oder sie schlagen den Ukrainern in gemeinsamen Projekten niedrigere Gehälter vor, ohne sich zu erkundigen, ob diese damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können, usw. Dies kann sich für solche Projekte als Falle erweisen. Es ist schwer vorstellbar, dass eine ukrainische Initiative ein Konzept, bspw. für ein deutsches Kulturzentrum in Kiew, erarbeitet und es dann erst seinen deutschen Partnern zur Kommentierung vorlegt. Umgekehrt passiert das aber. Auf keinen Fall fördert man so eine gute Zusammenarbeit, die auf Vertrauen basieren sollte. Zugespitzt gesagt: Werte wie Toleranz kann in der Ukraine schwerlich vermitteln, wer sich seinem ukrainischen Partner gegenüber selbst nicht tolerant verhält.

Zu guter Letzt: Was wäre wichtig zu unterstützen?

Festzuhalten ist aber, dass zurzeit besonders viele und gute Projekte stattfinden und dass neue zivilgesellschaftliche Partnerschaften zwischen der Ukraine und Deutschland gebildet werden. Das kann nur begrüßt werden und es ist wichtig, diese positive Tendenz aufrechtzuerhalten. Wie kann man dabei den oben beschriebenen negativen Charakteristika dieser Tendenzen entgegentreten und was wäre heute am wichtigsten zu unterstützen?

Folgende wichtige Beispiele lassen sich derzeit vorschlagen, um die Richtung anzuzeigen, in die die Unterstützung gehen sollte: Erstens ist eine (weitere) Professionalisierung der NGO-Vertreter durch Austausch und Wissenstransfer notwendig, um die teilweise noch fehlende bzw. gerade entstehende politische Elite in der Ukraine zu unterstützen. Wichtig wäre es, zum einen deren Aktivitäten zu unterstützen und zu professionalisieren und zum anderen den Multiplikatoren Werkzeuge an die Hand zu geben, die diese dann in die Ukraine hineintragen können. Hier wäre bspw. der Austausch zum Thema posttraumatische Gesellschaft wichtig (bspw. unter Einbeziehung von Partnern, die ähnliche Probleme in anderen Konflikten bearbeitet haben).

Zweitens bedarf auch das sich zurzeit stark wandelnde Verhältnis von Zivilgesellschaft und Regierung der Unterstützung – das hieße, den Austausch zum Thema Kommunikation von Zivilgesellschaft und Regierung sowie die Förderung des Dreiergesprächs zwischen Regierung, Zivilgesellschaft und internationalen Förderern zu unterstützen. Hier wäre es wichtig, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Kommunikation mit Regierung und Verwaltung ausgebaut werden kann – wie man die Implementierung ihrer Entscheidungen verbessern, aber auch am Entscheidungsprozess mitwirken kann. In der Ukraine muss ein Bewusstsein für die Wirksamkeit der politischen Beteiligung einzelner Bürger erst noch geschaffen werden; hier wären bspw. best practice-Beispiele aus anderen europäischen Ländern hilfreich. Dabei wäre es ebenso wichtig, die Professionalisierung der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes – inklusive der Polizei – nicht zu vergessen. Notwendig wäre es auch, auf einen Wissenstransfer an lokale Multiplikatoren zu achten, damit diese das Wissen in Zukunft selbst ins Land tragen können.

Ebenso entscheidend ist es, sowohl einen unabhängigen, qualitativ hochwertigen und sich nicht an (Gegen-)Propaganda orientierenden Journalismus im Land zu stärken als auch die Öffentlichkeitsarbeit von NGOs, damit deren Arbeit der Gesellschaft besser vermittelt wird. Menschenrechtsprojekte könnten sich stärker auf Wissenstransfer zum Monitoring von Menschenrechtsverletzungen (auch in den besetzten Territorien) und zur Advocacy-Arbeit im Menschenrechtsbereich ausrichten. Ebenso wichtig erscheint es, die Probleme von Minderheiten wie den Roma in den Blick zu nehmen.

Darüber hinaus könnte Deutschland seine langjährige Erfahrung mit der Aufarbeitung von Geschichte in der Ukraine einbringen. Hier wären Seminare und Workshops zur Versöhnung wichtig. Außerdem erscheint es weiterhin angebracht, an der Vermittlung von friedlichen Lösungen und an Alternativen zur Gewalt zu arbeiten. Zwar ist es noch ein langer Weg bis zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine, am Dialogprozess in der Ukraine könnte man sich aber bspw. schon jetzt mit einem Erfahrungsaustausch beteiligen.

Eine sehr wesentliche Aufgabe ist es zurzeit, die bereits bestehende Zusammenarbeit gründlich zu analysieren und in Deutschland eine Stelle zur Koordinierung und Konsolidierung dieser Partnerschaft zu schaffen, die auf Lücken im Dialog mit aktiven NGOs eingehen könnte, um sie zu bearbeiten und ggf. zu schließen. Diese Stelle könnte bspw. deutliche Lücken in der deutsch-ukrainischen Zusammenarbeit auf zivilgesellschaftlicher Ebene identifizieren und versuchen, sie zu schließen. Um die bestehende Zusammenarbeit zu erweitern, bräuchte man eine Struktur bzw. ein Forum, über das deutsche NGOs nach Partnern suchen und Hilfestellung für ihre Projekte in der Ukraine bekommen könnten und auf dem es eine Übersicht über bestehende Projekte gäbe, etwa in Form einer Webseite. Eine erste Übersicht über während des Maidans entstandene Projekte zur humanitären Hilfe gibt es derzeit bspw. hier: <http://donate4ukraine.com>. Bezüglich der Förderung durch die Sondermittel der Bundesregierung könnte ein Anhörungsforum mit den bekanntesten zur Ukraine arbeitenden deutschen NGOs veranstaltet werden, um deren Vorschläge zu hören und danach einen Förderplan zu entwerfen.

Bei allen Aktivitäten in der Ukraine empfiehlt es sich, vor allem in die Regionen zu gehen und – nicht minder wichtig – den ukrainischen Partnern auf Augenhöhe zu begegnen. Ein Vorschlag wäre hierzu: Alle Partner, auf deutscher wie auf ukrainischer Seite, müssen darauf bei der Zusammenarbeit achten und ggf. lernen, ihre Projekte gemeinsam zu erarbeiten – wenn es tatsächlich eine Partnerschaft geben soll. Die Ukrainer müssten ihre deutschen Partner dann rechtzeitig auf »paternalistische Anfälle« aufmerksam machen und sie zu verstehen versuchen, bei den deutschen Partnern wären dagegen Geduld und besondere Sensibilität gefragt. Dabei geht es nicht darum, die Ukrainer als primäre Kenner der Ukraine zu betrachten – was sie nicht unbedingt sein müssen – es gilt aber zu lernen, dem Partner mit Respekt und auf Augenhöhe zu begegnen.

Dies kann man nur, wenn man die Ukraine bzw. die ukrainische Zivilgesellschaft als Subjekt versteht und wahrnimmt. Eine Absage an den Paternalismus bedeutet ebenso, dass sich die deutschen Akteure – was dringend angeraten ist – stärker mit der Situation in der Ukraine und ihrer (Vor-)Geschichte vertraut machen, um sich für die Ukraine als Subjekt zu interessieren und das Land nicht weiterhin als Objekt zu betrachten. Sobald das geschieht, wird die Frage, »wie wir dem Land helfen können«, automatisch durch die Frage, »wie wir den Austausch vertiefen können«, ersetzt werden. Damit dies passiert, bedarf es eines hohen Wissenstands zur Ukraine und eines hohen Grads an Selbstreflexion über das eigene Handeln.

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