Der Kusch-Tepa-Kanal in Nordafghanistan: Faustpfand der Taliban, Bürde für Zentralasien?

Von Hamza Boltaev (University of World Economy and Diplomacy (UWED), Taschkent)

Zusammenfassung
2022 haben die Taliban im Norden Afghanistans mit dem Bau des Kusch-Tepa-Kanals und damit der Umsetzung einer Idee begonnen, die noch auf den ersten Präsidenten Mohammad Daoud Khan aus den 1970er Jahren zurückgeht. Aufgrund der anhaltenden Ernährungskrise ist das Großbauprojekt, das in den Provinzen Balch, Dschuzdschan und Farjab enorme landwirtschaftliche Potenziale freisetzen könnte, von hoher Priorität für die seit 2021 regierenden Taliban. Seit dem Baubeginn im März 2022 wird im Höchsttempo an dem Kanal gearbeitet und von den geplanten 285 Kilometern wurden bereits rund 100 Kilometer fertiggestellt. Da sich der Kanal aus dem Amu-Darja speist, von dem er bis zu 20 % der jährlichen Wassermenge abzweigen könnte, birgt das Projekt Risiken, Konflikte mit den Nachbarstaaten Usbekistan und Turkmenistan hervorzurufen, die ihre Landwirtschaft durch den Kanal gefährdet sehen. Der Beitrag untersucht die regionalen Implikationen des Bauprojektes, das u. a. wirtschaftliche, rechtliche und geopolitische Fragen aufwirft.

Herausforderungen beim Kanalbau

Als die Taliban 2022 die Entscheidung getroffen haben, den Bau des seit 2018 diskutierten Kusch-Tepa-Kanals zu beginnen, befand sich Afghanistan bereits in einer katastrophalen wirtschaftlichen Situation. Auf den Fall Kabuls im August 2021 und die Etablierung des zweiten »Islamischen Emirates Afghanistan« reagierten die westlichen Staaten mit der Verhängung von massiven Sanktionen gegen die Taliban. Nachdem die Vereinigten Staaten sieben Mrd. US-Dollar afghanisches Staatsvermögen eingefroren haben, ist die afghanische Wirtschaft 2022 kollabiert. Heute lebt fast die gesamte Bevölkerung des Landes in Armut, während die vorherrschende Ernährungskrise zunehmend das Ausmaß einer Hungersnot annimmt. Vor diesem Hintergrund sehen die Taliban im Bau des Kusch-Tepa-Kanals eine zentrale Maßnahme, die verheerenden Auswirkungen der westlichen Sanktionen abzumildern, indem über 550.000 ha nordafghanische Wüste in fruchtbares Ackerland verwandelt werden sollen. Die harschen Bedingungen der aktuellen wirtschaftlichen Situation wirken zwar als Katalysator für den Bau des dringend benötigten Kanals, dessen Fertigstellung wird aufgrund der fehlenden finanziellen und materiellen Ressourcen jedoch massiv in Frage gestellt. Trotz dieser Umstände ist die Entschlossenheit der Taliban, Kusch-Tepa zum Erfolgsprojekt zu machen, in den letzten Jahren nur noch weiter gestiegen. Schließlich sehen die Taliban in dem Kanal auch eine Möglichkeit, ihrer rein militärisch durchgesetzten Herrschaft etwas Legitimität zu verschaffen, die ihnen von internationaler Seite offiziell weiterhin verwehrt wird.

Die von den Taliban gezeigte Entschlossenheit kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin kaum die technischen Anforderungen erfüllt sind, die normalerweise an den Bau moderner Wasserinfrastruktur gestellt werden. Vor diesem Hintergrund zeigen sich aktuell vier große Herausforderungen, deren Bewältigung für den Erfolg des Bauprojektes maßgeblich sein wird:

Erstens sorgt das Fehlen technischer Mittel für eine mangelhafte Auskleidung und Abdeckung der Außenwände des rund 100 Meter breiten und acht Meter tiefen Kanals. In der Folge versickert ein großer Teil des abgezweigten Wassers ungenutzt im Sandboden. Auch sind die Außenwände unter der aktuellen Bauweise nicht geeignet, dauerhaft einem derart hohen Wasserdruck standzuhalten. Im Dezember 2023 ist ein erster Vorfall bekannt geworden, bei dem die Außenwand versagt hat und große Mengen Wasser aus dem Kanal entwichen sind.

Zweitens sehen Experten in dem Bauprojekt eine massive Gefahr für das ökologische Gleichgewicht im Amu-Darja-Becken, da sich das übermäßige Versickern von Wasser negativ auf die Bodenzusammensetzung und den saisonal bedingten Salzgehalt auswirkt.

Drittens wurde es bisher versäumt, parallel zum Kanalbau tatsächlich neues Agrarland zu erschließen. Der Baufortschritt des Kanals steht daher in starkem Missverhältnis zum Fortschritt beim Bestellen der Felder, die mit dem Kanal bewässert werden sollen.

Schließlich gibt es bislang auch keinen Fortschritt bei der Etablierung eines Systems zur Wasserverteilung. Bis jetzt wurden weder Bewässerungsgräben ausgehoben noch Verteilermessstationen installiert. Die afghanischen Landwirte wissen bis heute nicht, wie das Wasser auf die neuen Felder kommen soll, was sie dort in Zukunft werden anbauen können und wie viel Wasser sie am Ende überhaupt zur Verfügung haben beziehungsweise benötigen werden.

Diese Herausforderungen sind vor allem auf fehlende staatliche Kapazitäten und die schwache Regierungsführung der Taliban zurückzuführen. Dieser Umstand zeigt sich auch daran, dass eine ursprünglich geplante Machbarkeits- und Umweltverträglichkeitsstudie nie durchgeführt wurde. Für den Bau des Kanals sind den Taliban zufolge drei Phasen vorgesehen. Die Kosten der ersten Phase wurden mit 91 Millionen US-Dollar veranschlagt. Für Phase zwei und drei gibt es keine Kostenberechnung, die Mittel sollen jedoch u. a. durch den Verkauf von kleineren Erzminen in Badachschan aufgebracht werden. Die Verantwortung für den Bau wurde der »Afghanistan National Development Company« übertragen, die das Projekt mit 200 lokalen Subunternehmen und rund 5.500 Arbeitern realisiert. Laut Berechnungen wird der Kanal nach Fertigstellung eine Kapazität von 650 Kubikmetern Wasser pro Sekunde aufweisen.

Kanal mit Signalwirkung

Die hohe Priorität, die dem Kanal eingeräumt wird, verdeutlicht auch, dass es sich aus Sicht der Taliban nicht nur um ein rein landwirtschaftliches Projekt handelt, das ausschließlich die sozioökonomischen Bedingungen in Afghanistan verbessern soll. Vielmehr scheinen die Taliban in dem Bauprojekt ein Kommunikationsmittel mit innen- und außenpolitischer Signalwirkung zu sehen, die sich gleichermaßen an die afghanische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft richtet.

An der »Heimatfront« scheinen die Taliban mit dem Kanal die Herzen und Köpfe der Menschen in den nördlichen Provinzen gewinnen zu wollen. In den Provinzen Balch, Dschuzdschan und Farjab leben große und kompakte Minderheitengruppen u. a. von Tadschiken, Usbeken, Turkmenen und Hazara. Diese Gruppen sehen in den Taliban vor allem eine Bewegung paschtunischer Nationalisten, die den afghanischen Minderheiten unter dem Deckmantel deobandischer Doktrin (siehe Röhrich 2015) ihre ethnokratische Herrschaft aufzwingen wollen. Noch während der ersten Taliban-Herrschaft zwischen 1996 und 2001 war Nordafghanistan die meiste Zeit unter Kontrolle der Nordallianz, die sich als bewaffneter und organisierter Widerstand der afghanischen Minderheiten gegen die paschtunisch dominierten Taliban verstand. Nordafghanistan besitzt eine lange Geschichte der Auflehnung gegen von Kabul ausgehende Versuche, in der Region zentralstaatliche Macht durchzusetzen. Da andere politische Kapazitäten fehlten, beruhte afghanisches State-Building in Nordafghanistan seit dem 19. Jahrhundert vor allem auf militärischen Mitteln und einer starken Paschtunisierung, die mit gewaltsamer Landumverteilung und der manchmal freiwilligen doch in der Regel erzwungenen Ansiedlung von Paschtunen aus Ost- und Südafghanistan einherging (Bleuer 2012). Die heutigen Taliban scheinen sich der Nachteile dieser »traditionellen« Regierungstechniken bewusst zu sein und um jeden Preis verhindern zu wollen, dass sich das Szenario aus den 1990er Jahren wiederholt, als der nordafghanische Aufstand 2001 mit internationaler Unterstützung das Ende ihres ersten Regimes herbeiführte. Die Taliban unterdrücken weiterhin kompromisslos die schiitische Minderheit der Hazara und laut der National Resistance Front, der letzten nennenswerten Oppositionsgruppe im Land, werden aus Pakistan stammende Anhänger der Taliban bei der Landvergabe bevorzugt. Dennoch kann der Kusch-Tepa-Kanal als Versuch eines »alternativen« State-Building verstanden werden, wobei der angestrebte Ausbau der landwirtschaftlichen Kapazitäten bewusst darauf abzielt, die Loyalität der lokalen Minderheiten für die neuen Machthaber in Kabul zu gewinnen. Schließlich hat der Kanal tatsächlich das Potenzial, in drei der ärmsten Provinzen Afghanistans einen Impuls für die Entwicklung der Wirtschaft zu setzen.

Die aktuelle De-facto-Regierung der Taliban wird weiterhin von keinem Staat offiziell anerkannt. Damit sind die heutigen Taliban, trotz zunehmend intensiver Kontakte mit einigen Nachbarstaaten, diplomatisch noch isolierter als das erste Taliban-Regime der 1990er Jahre, das immerhin von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten offiziell anerkannt wurde. In außenpolitischer Hinsicht ist die offizielle Anerkennung der eigenen Herrschaft durch die internationale Gemeinschaft das vorrangige Ziel der Taliban. In diesem Zusammenhang besitzt der Kusch-Tepa-Kanal auch eine außenpolitische Signalwirkung, die der internationalen Gemeinschaft demonstrieren soll, dass die Taliban heute als »klassische« Zivilregierung agieren, die rationale Ziele wie Hungerbekämpfung und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes verfolgt. Der Kanal soll dabei nicht nur das Image der Islamisten aufpolieren, sondern bei zukünftigen Verhandlungen über eine mögliche Anerkennung von internationaler Seite vor allem als handfestes Faustpfand dienen.

Das Risiko regionaler Konflikte

Unter den Nachbarstaaten Afghanistans beobachten vor allem Usbekistan und Turkmenistan das Bauprojekt sehr genau, da der Kusch-Tepa-Kanal unmittelbar ihre eigenen Interessen tangiert. Schließlich stellt der Amu-Darja die wichtigste Lebensader der Region dar und ist die Hauptgrundlage der Landwirtschaft in den beiden Ländern, die auf einen beständigen Wasserzufluss aus dem 2.500 Kilometer langen Strom angewiesen sind. Die zentrale Bedeutung des Amu-Darja für die sozioökonomische Stabilität der Region wird anhand der Tatsache deutlich, dass rund ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung von Usbekistan und Turkmenistan in der Landwirtschaft arbeitet. Mit einer berechneten Endkapazität von 650 Kubikmetern Wasser, die pro Sekunde aus dem Amu-Darja abgezweigt werden sollen, was ca. 20 % der jährlichen Gesamtwassermenge des Flusses entspricht, stellt der Kusch-Tepa-Kanal eine ernsthafte Bedrohung für die usbekische und turkmenische Landwirtschaft dar. Wie Afghanistan selbst kämpfen beide Länder bereits seit Jahren während der Sommermonate mit dürrebedingter Wasserknappheit, die sich nach der Fertigstellung des Kanals weiter verschärfen würde. Damit birgt der Kusch-Tepa-Kanal das Risiko, den zahlreichen bereits vorhandenen Wasserkonflikten in der Region einen weiteren hinzuzufügen, der sich langfristig auch als der Gefährlichste herausstellen könnte, da er nicht nur die Wasserkonkurrenz zwischen Afghanistan und seinen zwei nördlichen Nachbarn verschärft, sondern auch jene zwischen Usbekistan und Turkmenistan.

Vor allem die usbekische Regierung hat schnell erkannt, dass sich die Taliban nicht von ihrem Plan zum Bau des Kanals abbringen lassen werden und daher als erstes damit begonnen, den Weg für eine diplomatische Lösung der Angelegenheit zu ebnen. Während sich Aschgabat in der Frage weiter zurückhält hat Präsident Mirsijojew gegenüber den anderen zentralasiatischen Staaten die Gründung einer regionalen Arbeitsgruppe vorgeschlagen, welche die potenziellen Auswirkungen des Kanals umfangreich untersuchen soll. Gleichzeitig hat Taschkent aktiv das Gespräch mit den Taliban gesucht. Während des Besuches einer usbekischen Delegation in Kabul im März 2023 hat der für Außenpolitik zuständige Berater von Präsident Mirsijojew, Abdulaziz Kamilow, sogar technische Unterstützung für den Kanalbau angeboten, im Gegenzug jedoch nur Beschwichtigungen erhalten, dass man keine negativen Auswirkungen von dem Projekt zu befürchten brauche und darauf vertraut werden könne, dass der Kanal »die bilateralen Beziehungen zwischen den zwei Nachbarstaaten stärken wird.« Auch wenn Taschkent aktuell alles daran setzt, die guten Beziehungen mit den Taliban zu erhalten, kann der künftige Einsatz weniger diplomatischer Mittel nicht ausgeschlossen werden, sollte Usbekistan seine nationalen Sicherheitsinteressen durch den Kanal dauerhaft in Gefahr sehen. An dieser Stelle sei in Erinnerung gerufen, dass Usbekistan unter Islam Karimow noch ein erbitterter Gegner der Taliban war und die usbekische Komponente der Nordallianz in den 1990er Jahren massiv mit Geld, Waffen und sogar eigenen Einheiten unterstützt hat (Hwang 2007).

Unklare Rechtslage

Ein Umstand, der die Gefahr von regionalen Konflikten im Zusammenhang mit dem Kusch-Tepa-Kanal erhöht, ist die Tatsache, dass Afghanistan bisher kein Teil der rechtlichen Mechanismen zur regionalen Wassernutzung ist. Direkt nach ihrer Unabhängigkeit haben sich alle fünf zentralasiatischen Staaten im Februar 1992 auf das Abkommen »Über die Zusammenarbeit im Bereich der gemeinsamen Nutzung und des Schutzes von Wasserressourcen aus zwischenstaatlichen Quellen« geeinigt, in dem sich die Unterzeichner gegenseitig das geteilte Recht zur rationalen Nutzung der regionalen Wasserressourcen zusichern. Zur Gewährleistung und Koordinierung der rationalen und fairen Wassernutzung wurde eine interstaatliche Kommission eingesetzt, die das erste Organ einer multilateralen Zusammenarbeit in Zentralasien darstellte. Im März 1992 haben sich Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan, also die drei Länder der Region, die am stärksten von externen Wasserressourcen abhängig und daher an deren völkerrechtlicher Regulierung interessiert sind, dem von der UN verabschiedeten »Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung grenzüberschreitender Wasserläufe und internationaler Seen« angeschlossen. Auch diesen Vertrag hat die Republik Afghanistan, die einen Monat später zusammenbrach, nicht mehr unterschrieben.

Damit war Afghanistan weder Teil der regionalen noch der internationalen Wassernutzungsordnung. Als möglicher rechtlicher Referenzpunkt verbleibt ein Abkommen von 1946 zwischen Afghanistan und der damaligen Sowjetunion, in dem die Nutzung der Wasserressourcen des Pandsch, einem Nebenfluss des Amu-Darja, geregelt wurde, wobei Afghanistan neun von 19 Kubikkilometern zugesprochen bekam. 1977 versuchte die sowjetische Seite nachzuverhandeln, um die Afghanistan zugesprochene Quote auf sechs Kubikkilometer zu drücken, was jedoch ergebnislos blieb. Mit dem Beginn der Krieges 1978, der die afghanische Wirtschaft über die folgenden Jahrzehnte ruinieren sollte, fiel die jährliche Wasserentnahme jedoch sowieso auf durchschnittlich zwei Kubikkilometer ab. Das Problem besteht darin, dass sich die nördlichen Nachbarn daran gewöhnt haben, es im Fall von Afghanistan mit einem geringen Verbraucher der regionalen Wasserressourcen zu tun zu haben. Der Kusch-Tepa-Kanal stellt diesen Umstand nun grundlegend in Frage, was es für alle Seiten umso notwendiger macht, gemeinsam eine rechtliche Lösung in der Angelegenheit zu finden.

Fazit

Die Taliban versuchen mit dem Kusch-Tepa-Kanal das große landwirtschaftliche Potenzial des nordafghanischen Amu-Darja-Beckens zu erschließen und damit einen wichtigen Impuls zur möglichen Eindämmung der aktuellen Probleme in Afghanistan zu setzen. Jedoch geht die große Eile, mit der die Taliban das Bauprojekt vorantreiben, mit der Vernachlässigung der technischen Mindeststandards einher, die für ein solches Vorhaben nötig sind. Das Bautempo und das konsequente Ignorieren von technischen Mindestanforderungen suggerieren, dass die Taliban mit dem Projekt nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans fördern wollen, sondern in dem Kanal vor allem ein Faustpfand für kommende Verhandlungen über eine mögliche Anerkennung von internationaler Seite sehen. Auch wenn die Taliban gerne die »gegenseitige Verständigung« mit Usbekistan und Turkmenistan betonen, wird das Bauprojekt bisher ohne Rücksicht auf die Bedenken der nördlichen Nachbarn vorangetrieben. Die Beziehungen zwischen Taschkent und Kabul sind zwar weiterhin stabil, allerdings kann eine mögliche Eskalation des schwelenden Konfliktes nicht ausgeschlossen werden, vor allem wenn ausgedehnte Dürreperioden die Frage nach einer gerechten regionalen Wasserverteilung in den kommenden Jahren weiter zuspitzen. Ein Weg zur Minderung des Konfliktpotenzials liegt in der Schaffung eines multilateralen Vertragswerkes, in dem die Bedingungen für eine gemeinsame Nutzung der Wasserressourcen des Amu-Darja klar definiert sind. In diesem Zusammenhang entpuppt sich der Kusch-Tepa-Kanal als Dilemma für die regionale Zusammenarbeit: während er die Legitimität der Taliban auf internationaler Ebene erhöhen soll, stellt die fehlende Anerkennung der Taliban ein ernsthaftes Hindernis dafür dar, im völkerrechtlichen Rahmen eine Lösung für den Konflikt zu finden. Im Ergebnis weist der Kanal die besorgniserregende Doppeltendenz auf, die Taliban-Herrschaft in Afghanistan weiter zu stabilisieren, die regionale Situation jedoch weiter zu destabilisieren. Usbekistan und Afghanistan ringen beide mit den Implikationen eines starken Bevölkerungswachstums. Sollten die Taliban ihre eigene Herrschaft weiterhin auf Kosten der regionalen sozioökonomischen Gesamtsituation konsolidieren, werden Taschkent irgendwann die Argumente ausgehen, die für eine weitere Normalisierung der Beziehungen mit dem De-facto-Regime in Kabul sprechen. Auch wenn der Kanal die regionale Zusammenarbeit weiter verkompliziert, ist eine Synchronisation der außenpolitischen Prioritäten aller involvierten Akteure die einzige Möglichkeit, eine Eskalation des absehbaren Wasserkonfliktes im Amu-Darja-Becken abzuwenden.

Aus dem Englischen von Hartmut Schröder

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