Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) lässt Klage der Ukraine gegen Russland in Bezug auf Menschenrechtsverstöße auf der Krim zu

Von Yulia Gorbunova (Human Rights Watch, Moskau)

Zusammenfassung
Bereits 2014 und 2015 informierte die Ukraine den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über Menschenrechtsverletzungen auf der Halbinsel Krim, für die Russland verantwortlich sei. Die nun akzeptierte Klage der Ukraine gegen Russland vor dem EGMR in Strasbourg zielt vor allem auf die Ereignisse zwischen Ende Februar und Mitte März 2014 ab. Russland wird unter anderem vorgeworfen, schon im Vorfeld der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim dort russisches Recht angewandt zu haben, zudem sei das Land laut Klage für Einschüchterungen, Verhaftungen, die Schließung nicht-russischer Medien und entschädigungslose Enteignungen verantwortlich. Ein Urteil über mögliche Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention wird erst in mehreren Jahren erwartet.

On January 14, the European Court of Human Rights issued a significant decision accepting Ukraine’s complaint alleging that Russia is responsible for multiple human rights violations in Crimea.

This decision is very important. While the Court did not consider the legality of Russia’s seizure of Crimea, in finding Ukraine’s complaint partially admissible (https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22002-13090%22]}), the Court recognized that Russia has “exercised effective control” over the peninsula since February 2014.

Such recognition of Russia’s occupation is a crucial step towards justice and accountability for human rights abuses by authorities in Crimea.

In March 2014, as Russia moved to consolidate control in Crimea, Human Rights Watch was on the ground, documenting abuses by the so-called “self-defense units”, paramilitary groups without insignia or a clear command structure, which ran amok and acted with complete impunity. These groups were implicated in attacks on reporters and activists, enforced disappearances, and abductions and torture of pro-Ukraine activists, while the authorities made no attempts to reign them in.

Having extending Russian legislation and policy to Crimea in violation of international law, the authorities have continued to flout binding norms of humanitarian law: from relentlessly persecuting Crimean Tatars, who dared to openly, peacefully voice criticism of Russia’s actions in Crimea to effectively forcing civilians under its control to choose between taking Russian citizenship or facing discrimination — and worse. We’ve documented how Russian authorities are conscripting males in occupied Crimea, imposing criminal penalties on those who refuse to comply with the draft — another blatant violation of international humanitarian law, which forbids Russia from compelling Crimean residents to serve in its armed forces.

To date, Ukraine has lodged several other inter-State cases (https://www.echr.coe.int/Documents/InterState_applications_ENG.pdf) against Russia, and it will likely take a while before the European Court rules on the substance of Ukraine’s allegations. But there is no doubt that this week’s decision advances accountability for multiple human rights violations perpetrated in Crimea under Russia’s control.


Der Bericht wurde am 15. Januar 2021 von Human Rights Watch unter https://www.hrw.org/news/2021/01/15/ european-court-accepts-case-adjudicate-abuses-crimea veröffentlicht. Der Text wurde von der Redaktion der Ukraine-Analysen durch einen kurzen Einleitungstext ergänzt.

Zum Weiterlesen

Analyse

Die ukrainische Frage im UN-Menschenrechtsrat in Genf

Von Oleksandra Kunovska Mondoux
Im November 2013 führten die friedlichen Proteste auf dem Maidan in Kyjiw zur sogenannten Revolution der Würde, bei der die Protestierenden Gerechtigkeit und Achtung der Menschenrechte forderten. Prorussische Abgeordnete im Parlament der Krim nutzten die instabile Lage der Übergangsregierung in Kyjiw aus und vollzogen im März 2014 ein Referendum über den Status der Halbinsel Krim. Das Referendum verstieß gegen die Verfassung der Ukraine und entsprach nicht europäischen demokratischen Standards. Die illegale Annexion der Krim durch die Russische Föderation hat die Ukraine in einen Kriegszustand im Donbas gestürzt. Im April 2014 wurden darauf die beiden selbsternannten »Volksrepubliken Donezk und Luhansk« ausgerufen. (…)
Zum Artikel
Analyse

Menschenrechtsverletzungen in illegalen Gefängnissen und Haftanstalten in den nichtregierungskontrollierten Gebieten der Ostukraine

Von Julija Tschistjakowa, Wolodymyr Schtscherbatschenko, Steffen Halling
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit illegalen Gefängnissen und illegalen Haftanstalten, die im Zuge des bewaffneten Konflikts im Donbas in den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten entstanden sind. Mit Blick auf das humanitäre Völkerrecht werden die rechtlichen Qualifikationen dieser Gefängnisse und Haftanstalten analysiert und es wird dargelegt, inwiefern die Existenz dieser Orte mit der Verübung weiterer schwerwiegender Verbrechen einhergeht. Der Beitrag veranschaulicht außerdem, welche Besonderheiten die Dokumentation dieser Verbrechen und ihre gerichtliche Aufarbeitung mit sich bringen, geht auf die Rolle von Nichtregierungsorganisationen in diesen Prozessen ein und erörtert, welchen Einfluss Gefangenenaustausche zwischen den Konfliktparteien darauf haben, mutmaßliche Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS