Menschenrechtsverletzungen der Freiwilligenbataillone

Zusammenfassung
Freiwilligenbataillonen werden immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Dazu zählen rechtswidrige Festnahmen, Entführungen und Misshandlungen und weitere Vergehen. Anbei eine Auswahl an Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen durch Mitglieder von Freiwilligenbataillonen, die in den letzten Jahren von internationalen Organisationen und Menschenrechtsorganisationen dokumentiert wurden.

Amnesty International, 08. September 2014

Auszüge aus dem Bericht »Ukraine: Abuses and War Crimes by the Aidar Volunteer Battalion in the North Luhansk Region«

»Mitglieder des Ajdar-Freiwilligenbataillons, das im Norden der Region Luhansk tätig ist, waren an weit verbreiteten Vergehen beteiligt, darunter Entführungen, rechtswidrige Festnahmen, Misshandlungen, Diebstählen, Erpressungen und möglicherweise Hinrichtungen.

[…]

Unsere Erkenntnisse deuten darauf hin, dass, während sie formal unter dem Kommando der ukrainischen Streitkräfte in der Region operieren, Mitglieder des Ajdar-Bataillons praktisch ohne Aufsicht oder Kontrolle agieren, und die lokale Polizei entweder nicht bereit, oder dazu in der Lage ist, die Menschenrechtverletzungen zu ahnden. Einige der von Ajdar-Mitgliedern begangenen Menschenrechtsverletzungen stellen Kriegsverbrechen dar, für die sowohl die Täter, als auch möglicherweise die Kommandanten, nach nationalem und internationalem Recht die Verantwortung tragen würden.

[…]

Während das Ajdar-Bataillon landesweit von vielen als engagierte Kampfeinheit gelobt wird, hat es sich vor Ort einen Ruf für brutale Repression, Raub, Misshandlungen und Erpressungen erworben.«

Quelle: Amnesty International, <https://www.amnesty.org/download/Documents/8000/eur500402014en.pdf>

Amnesty International, Mai 2015

Auszüge aus dem Bericht »Breaking Bodies. Torture and Summary Killings in Eastern Ukraine«

»Auf der pro-Kiewer Seite findet Amnesty International den Rechten Sektor, eine Freiwilligenmiliz gegründet von einer nationalistischen politischen Gruppierung, besonders besorgniserregend. Ehemalige Gefangene des Rechten Sektors berichteten von einer erschreckenden Zahl von Misshandlungen, darunter Scheinhinrichtungen, Geiselnahmen, Erpressungen, gewaltsamen körperlichen Misshandlungen, Todesdrohungen und Unterlassung medizinischer Hilfe. In einem verlassenen Ferienlager in der Nähe des Dorfes Welykomychajliwka [in der Oblast Dnipropetrowsk] hielt der Rechte Sektor angeblich Dutzende Zivilisten als Geisel und erpresste hohe Geldsummen von ihnen und ihren Familien.«

Quelle: Amnesty International, <https://www.amnestyusa.org/files/ukraine_briefing_final.pdf>

Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR)

Auszüge aus dem Bericht über die Menschenrechtssituation in der Ukraine vom 16. Mai bis 15. August 2016

»Am 24. Juni 2016 beschlagnahmten in Odessa mehrere Binnenvertriebene zusammen mit einer ›Selbstverteidigungseinheit‹ ein öffentliches Gebäude, nachdem sie zahlreiche Versuche unternommen hatten, von der Regionalregierung Unterstützung bei der Lösung ihrer Wohnungsprobleme zu erhalten. Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte stellt eine besorgniserregende Tendenz fest, dringliche sozioökonomische und politische Fragen mit Hilfe von Freiwilligenbataillonen und paramilitärischen Gruppen zu lösen.«

Quelle: OHCHR, <https://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/Ukraine15thReport.pdf>

Human Rights Watch, Juli 2016

Auszüge aus dem Bericht »‘You Don’t Exist.’ Arbitrary Detentions, Enforced Disappearances, and Torture in Eastern Ukraine«

»In den meisten der neun Fälle, die von Amnesty International und Human Rights Watch untersucht wurden, nahmen Pro-Regierungsgruppen und Mitglieder der sogenannten Freiwilligenbataillone zunächst einzelne Personen fest und überreichten sie dann dem ukrainischen Inlandsgeheimdienst (SBU), der sie später in das offizielle Strafrechtssystem überstellte. Einige wurden später gegen von den Separatisten inhaftierte Personen ausgetauscht, andere wurden ohne Prozess freigelassen.

[…]

Mitglieder der ukrainischen Streitkräfte und paramilitärische Einheiten waren auch für Folterungen und andere Misshandlungen verantwortlich und benutzten inhaftierte Zivilisten als Tauschobjekte. Es gab glaubhafte Beweise für Folter und andere schwere Menschenrechtverstöße durch die sogenannten ukrainischen Freiwilligenbataillone Ajdar und Asow. Im Frühjahr 2015 wurden die meisten Freiwilligenbataillone formal in die reguläre Kommandostruktur des Verteidigungsministeriums oder der Nationalgarde der Ukraine integriert. Der Rechte Sektor als eine prominente rechtsradikale Bewegung sowie weitere Gruppen behielten allerdings ihre paramilitärischen Strukturen bei. Ihre Mitglieder operieren in enger Zusammenarbeit mit den offiziellen ukrainischen Streitkräften, bleiben aber außerhalb der offiziellen Befehlskette und können außerhalb der staatlichen Verantwortlichkeit handeln.«

Quelle: Human Rights Watch, <https://www.hrw.org/report/2016/07/21/you-dont-exist/arbitrary-detentions-enforced-disappearances-and-torture-eastern>

Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR)

Auszüge aus dem Bericht über die Menschenrechtssituation in der Ukraine vom 26. Februar bis 23. März 2018

»Am 28. Januar 2018, hielten die Nationalbrigaden, eine paramilitärische Gruppierung, einen Aufmarsch im Zentrum von Kiew, währenddessen sie die Nation zu ›verteidigen‹ schworen, wenn die Regierung dies ›nicht könne oder wolle‹. Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte merkt mit Besorgnis die rechte Ideologie dieser Gruppierung an, zudem ihre öffentliche Ankündigung, Gewalt anzuwenden, wenn sie es für nötig hält, und ihre Verbindung zur politischen Partei Nationales Korps. Das OHCHR ist besorgt, dass die Verbreitung extremer Ideologien Diskriminierung und Intoleranz befördert und die konstitutionelle Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit bedroht.«

Quelle: OHCHR, A_HRC_37_CRP1, <https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/RegularSessions/Session37/Documents/A_HRC_37_CRP.1.docx>

Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR)

Auszüge aus dem Bericht über die Menschenrechtssituation in der Ukraine vom 16. Februar bis 15. Mai 2018

»In den von der Regierung kontrollierten Gebieten dokumentierte das OHCHR weitere Verstöße bei der Inhaftierung von Personen, die als ungesetzliche und willkürliche Verhaftung eingestuft werden können. […] In zwei Fällen übernahmen Mitglieder der rechtsradikalen Gruppierungen (C14 und Nationales Korps) die Rolle der Strafverfolgungsbehörden, nahmen zwei mutmaßliche ehemalige Mitglieder bewaffneter Gruppen ohne Rechtsgrundlage fest und überrechten sie dem SBU.«

Quelle: OHCHR, <https://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/ReportUkraineFev-May2018_EN.pdf>

Human Rights Watch, Juni 2018

Auszüge aus dem Bericht »Ukraine: Investigate, Punish Hate Crimes. Violent Attacks by Radical Groups Increasing«

»Seit Anfang 2018 unternahmen die Mitglieder radikaler Gruppen wie C14, Rechter Sektor, Tradizii i Porjadok (dt., Traditionen und Ordnung), Karpatska Sitsch mindestens zwei Dutzend gewaltsame Angriffe, Drohungen und Einschüchterungen in Kiew, Winnyzja, Uschhorod, Lwiw, Czernowitz, Iwano-Frankiwsk und anderen ukrainischen Städten. Strafverfolgungsbehörden eröffneten selten Gerichtsverfahren. In den gegebenen Fällen gibt es keine Beweise dafür, dass die Behörden effektive Ermittlungen durchführten, um die Täter zu identifizieren, nicht einmal in den Fällen, wo sich die Angreifer in sozialen Medien öffentlich zu den Taten bekannten.«

Quelle: Human Rights Watch, <https://www.hrw.org/news/2018/06/14/ukraine-investigate-punish-hate-crimes>

Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR)

Auszüge aus dem Bericht über die Menschenrechtssituation in der Ukraine vom 16. Mai bis 15. August 2018

»In einem besorgniserregenden Trend der Diskriminierung und Gewalt gegen Mitglieder der Roma-Minderheit dokumentierte das OHCHR drei Anschläge auf Roma-Siedlungen in Kiew, Ternopil und Lwiw, die angeblich von Mitgliedern rechtsradikaler Gruppierungen verübt wurden. Der gravierendste Fall ereignete sich am 23./24. Juni 2018, als eine Gruppe junger Männer eine Roma-Siedlung in Lwiw angriff und dabei einen Mann erstach und drei weitere Personen verletzte, darunter einen zehnjährigen Jungen.

[…]

Alle Täter waren zwischen 16 und 20 Jahre alt und gaben an, Mitglieder der neu gegründeten rechtsradikalen Gruppierung Nüchterne und wütende Jugend zu sein. Die neue Gruppe unterhält Berichten zufolge Verbindungen zur Misanthropic Division, einer ultra-nationalistischen Gruppierung mit Verbindungen zum Freiwilligenbataillon Asow, das die Verantwortung für einen Anschlag auf einen LGBTQI-Aktivisten in Lwiw im März 2018 übernahm. Sechs Tatverdächtige befanden sich Stand August in Haft und zwei im Hausarrest.«

Quelle: OHCHR, <https://www.ohchr.org/Documents/Countries/UA/ReportUkraineMay-August2018_EN.docx>Analyse

Zum Weiterlesen

Analyse

Bewaffnete Freiwilligenbataillone: Informelle Machthaber in der Ukraine

Von Huseyn Aliyev
Die politische Landschaft der postsowjetischen Ukraine ist geprägt durch eine Vielzahl informeller Machthaber, darunter Oligarchen, hochrangige »Problemlöser« und Akteure der organisierten Kriminalität. Der Euromaidan, die Annexion der Krim und der Beginn des Krieges im Donbass haben die politische Landschaft der Ukraine um einen weiteren einflussreichen informellen Akteur erweitert: bewaffnete Freiwilligenbataillone. Die Freiwilligenverbände – in der Ukraine als »Dobrobaty« oder »Wolontery« bezeichnet – wurden mobilisiert, um die staatlichen Sicherheitskräfte im Konflikt in der Ostukraine zu unterstützen. Mit dem Ende der schweren Kampfhandlungen im Donbass wandten sich die Freiwilligenverbände der Politik zu und wurden schnell zu einflussreichen sozioökonomischen und -politischen Akteuren. Ungeachtet der hohen Reputation, die sie während des Donbass-Konflikts genossen, setzen Freiwilligenbataillone ihre Ressourcen aktiv ein, um den Staat in seiner Rolle als Sicherheitsgarant und Hüter des Gemeinwohls herauszufordern. (…)
Zum Artikel
Analyse

Die Lage im annektierten Donbas zwei Jahre nach dem 24. Februar 2022

Von Nikolaus von Twickel
Russlands Großinvasion der Ukraine vom 24. Februar 2022 und die Annexion der besetzten Gebiete im darauffolgenden September hat auch für den bereits seit 2014 russisch kontrollierten Donbas tiefgreifende Veränderungen gebracht. Anders als in den neubesetzten Gebieten der Oblaste Cherson und Saporischschja bedeutete die Annexion für die sogenannten Volksrepubliken Donezk (»DNR«) und Luhansk (»LNR«) das Ende der selbsterklärten »Unabhängigkeit«. Nicht nur wurden Symbole staatlicher Unabhängigkeit (»Außenministerien«) aufgelöst – die Besatzungsmacht ließ auch Schlüsselpositionen mit Personen aus Russland besetzen. Dieser »Russifizierung« fiel seit Frühjahr 2022 ein großer Teil der örtlichen Eliten zum Opfer. (…)
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS