Memorandum der Verständigung und des Friedens vom 20. Mai 2014

Am 20. Mai 2014 hat das Parlament der Ukraine mit 252 Stimmen das Memorandum der Verständigung und des Friedens verabschiedet. Die Kommunisten und die nationalistische Partei „Swoboda“ haben dabei nicht mit abgestimmt. Die Verabschiedung eines solchen Memorandums wurde nach dem zweiten nationalen Runden Tisch in Charkiw beabsichtigt.

Die Ukraine erlebt den dramatischsten Moment in ihrer jüngeren Geschichte.

Zur Deeskalation der Spannungen in einigen Regionen des Landes fordert die Werchowna Rada der Ukraine alle Bürger der Ukraine auf, einander die Hände zu reichen, einander von den radikalen Aktionen und vom Hass abzuhalten und gemeinsam zur Zusammenarbeit für den Schutz, die Entwicklung und den Ausbau einer demokratischen, souveränen und vereinigten Ukraine zurückkehren, in der die Menschen aller Nationalitäten, politischen Überzeugungen und Religionen frei und freundlich zusammenleben.

Die Werchowna Rada der Ukraine appelliert an alle Bürgerinnen und Bürger, sich zum Wohle unserer gemeinsamen Heimat – der Ukraine – zu vereinen.

Die Werchowna Rada der Ukraine unterstützt voll und ganz die Genfer Vereinbarungen der ukrainischen Diplomaten, der Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Russlands vom 17. April 2014, die auf die Deeskalation der Spannungen und die Wiederherstellung der Sicherheit der Bürger ausgerichtet sind.

Die Werchowna Rada der Ukraine unterstützt den nationalen Dialog im Rahmen des nationalen Runden Tisches für die nationale Einheit.

Die Werchowna Rada der Ukraine unterstützt die Präsidentschaftswahl der Ukraine am 25. Mai 2014 als Garant für Frieden und Einheit in der Gesellschaft und fordert alle öffentlichen Behörden auf, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger bei der Abstimmung und der Feststellung der Wahlergebnisse zu gewährleisten. Die Werchowna Rada der Ukraine fordert zur Durchführung von fairen und transparenten demokratischen Präsidentschaftswahlen mit gleichen Chancen für alle Präsidentschaftskandidaten auf. Die Werchowna Rada der Ukraine ruft alle Bürger der Ukraine auf, an den Präsidentschaftswahlen teilzunehmen und alle Aktivitäten, die die Wahlrechte der Bevölkerung verletzen, zu stoppen.

Die Werchowna Rada der Ukraine verurteilt die widerrechtliche Verwendung von Waffen und Gewalt, die zum Massenmord und zu anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt haben. Die Werchowna Rada der Ukraine spricht allen Hinterbliebenen ihr Mitgefühl aus.

Die Werchowna Rada der Ukraine dankt allen Bürgern der Ukraine, die sich an den Maßnahmen zur Gewährleistung der Rechte und Freiheiten der Bürger zur Erhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung und der territorialen Integrität der Ukraine beteiligen.

Auf der Grundlage ihrer verfassungsmäßigen Befugnisse und auf Basis eines breiten nationalen Dialogs stellt die Werchowna Rada der Ukraine eine sofortige Verfassungsreform sicher, die auf der Dezentralisierung der Macht basiert und Folgendes vorsieht:

  1. den Status der Ukraine als parlamentarisch-präsidiale Republik und die Machtbalance zwischen allen Bereichen der zentralen und lokalen Ebenen zu gewährleisten;
  2. die Regionen mit den notwendigen finanziellen Mitteln durch eine gerechte Verteilung der Einnahmen des Staatshaushaltes auszustatten;
  3. eine umfassende Justizreform mit dem Ziel durchzuführen, die Rechte der Bürger auf faire und gerechte Gerichtsverfahren zu garantieren, und die Unabhängigkeit der Justiz zu gewährleisten;
  4. die Reform der Strafverfolgungsbehörden und Staatsanwälte durchzuführen, um die Rechte und Freiheiten der Bürger und ihre Sicherheit zu gewährleisten sowie das Vertrauen in das Strafverfolgungssystem wiederherzustellen, auch durch die Abschaffung der allgemeinen Aufsicht der Staatsanwaltschaft;
  5. den Kampf gegen die Korruption auf allen Ebenen der Regierung zu führen, eine Nationale Anti-Korruptionsbehörde der Ukraine mit weitreichenden Befugnissen zu gründen, um die Tätigkeiten der Beamten zu beaufsichtigen.

Die Werchowna Rada der Ukraine fordert dazu auf, interreligiöse und interethnische Konflikte im Land zu verhindern.

Zusammen mit dem verfassungsrechtlichen Status des Ukrainischen als Staatssprache wird die Werchowna Rada der Ukraine den Status des Russischen garantieren. Der Staat wird die Minderheitensprachen auch an Orten, in denen nationale Minderheiten dicht beieinander wohnen, unterstützen.

Die Werchowna Rada der Ukraine verabschiedet das Gesetz der Ukraine »Über die lokalen Volksabstimmungen«.

Die Werchowna Rada der Ukraine verpflichtet sich, ein Gesetz über die Nichtverfolgung der Bürgerinnen und Bürger, die an Massenaktionen in der Ukraine teilgenommen haben, zu verabschieden, wenn diese die besetzten Gebäude und andere öffentliche Orte freigeben und ihre Waffen freiwillig niederlegen – mit Ausnahme der Personen, die schwere und besonders schwere Verbrechen gegen das Leben und die Gesundheit von Menschen begangen haben.

Die Werchowna Rada der Ukraine fordert die Entwaffnung aller illegalen Streitkräfte und das Niederlegen illegaler Waffen durch die Bürger, die Rückgabe aller besetzten Gebäude an ihre rechtmäßigen Eigentümer und die Räumung aller besetzten Straßen, Plätze und anderer öffentlicher Orte in den ukrainischen Städten und Dörfern.

Die Werchowna Rada der Ukraine fordert die Strafverfolgungsbehörden auf, einen Aktionsplan vorzubereiten, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten, Angriffe auf die menschliche Gesundheit und das Leben zu verhindern und – wenn die Geiseln freigelassen, die öffentlichen Gebäude freigegeben sowie die Waffen durch alle illegalen Streitkräfte niedergelegt wurden – die Rückkehr der an der Anti-Terror-Operation beteiligten Soldaten an die Orte ihrer dauerhaften Stationierung zu gewährleisten.

Wir sind alle verschieden, aber wir sind alle eins, da wir die Bürger einer souveränen, unabhängigen und unteilbaren Ukraine sind.

Wir müssen alles tun, um unseren Nachkommen diesen kostbaren Schatz nicht zu rauben.

Quelle: <http://ua.interfax.com.ua/news/general/205723.html>

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Analyse

Gefangen in der Pufferzone: Migration, Flüchtlinge und die Auswirkungen der EU-Außenpolitik

Von Raphi K. Rechitsky
Die Reaktionen der Medien und Regierungen auf die arabischen Revolutionen in Nordafrika und im Nahen Osten haben moralische Panik angesichts des gewaltigen Ausmaßes der neuen Migrationswellen ausgelöst. Allerdings ist wenig über die Politik und die Bedingungen bekannt, die die Flüchtlinge dazu zwingen, von den Rändern der EU in die östlichen Mitgliedsländer zu immigrieren. Ein Blick auf die EU-Außenpolitik und die Unterstützung für die EU-Nachbarn zeigt deutlich, dass eine Transformation hin zu einer Politik, die auf Menschenrechten und Freizügigkeit basiert, notwendig ist. Da die Flüchtlinge gesetzlich und sozial im Bereich Wohnen und Arbeit ausgegrenzt und oft Opfer von rassistischer Gewalt werden, bleiben viele hilflos in der Ukraine zurück und haben weder die Möglichkeit sich dort zu integrieren noch die Chance in die sichereren westlichen Länder weiterzureisen.
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Analyse

Ohne Visum zum Endspiel? Stand der Verhandlungen zur Visaliberalisierung zwischen der EU und der Ukraine

Von Stefanie Harter
Visaliberalisierung ist ein Thema, das sowohl die ukrainische Regierung als auch die Medien und die Bevölkerung stark beschäftigt. Die Hoffnung, dass mit der Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2012 auch das visafreie Reisen in die EU möglich wird, ist weit verbreitet. In der Tat unternimmt die ukrainische Regierung große Anstrengungen, um den Vorgaben des Aktionsplans zur Visaliberalisierung nachzukommen. Eine Expertenkommission aus Brüssel und den Mitgliedsstaaten der EU wird noch im Oktober prüfen, inwieweit die Bemühungen, die oftmals sehr formalistisch-legalistisch sind, tatsächlich den Anforderungen entsprechen. Auch wenn mit der Gewährung der Visafreiheit für die Ukraine ein großer Erfolg für die europäische Nachbarschaftspolitik verbucht werden könnte – der außerdem in die Kaukasusstaaten strahlen könnte – darf nicht leichtfertig über institutionelle, politische und auch menschenrechtliche Defizite hinweggesehen werden. (…)
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