"Heimatfront" – Die ukrainische Volontärsbewegung

Von Oleg Friesen (München)

Zusammenfassung
Der Krieg in der Ostukraine hat weite Teile der ukrainischen Bevölkerung beispiellos mobilisiert. Trotz Krise und wachsender sozialer Unsicherheit sind viele Ukrainer bereit, große Summen Geld an die kämpfende Armee zu spenden. Seit dem Maidan bildeten sich im ganzen Land zahlreiche Volontärsorganisationen, eine regelrechte Bewegung: der Volonterskij Ruh. Viele Ukrainer wurden auch zu Volontären, weil sie die ukrainische Armee aus eigener Kraft unterstützen, ohne sich einer Organisation anzuschließen. Doch versuchen nicht selten Einzelpersonen oder sogar Gruppen, sich an der Opferbereitschaft der Ukrainer zu bereichern. Trotz einer Reihe von Skandalen ist die Leistung der ukrainischen Volontärsorganisationen im Kampf der ukrainischen Armee in der Ostukraine jedoch unleugbar.

Einleitung

Als im Frühling 2014 in der Ostukraine der Krieg ausbrach, standen auf dem Maidan noch die Barrikaden und die Zelte der Demonstranten. Mehrere umliegende Gebäude waren noch bis Spätsommer des Jahres besetzt. So war das Hauptpostamt am Unabhängigkeitsplatz monatelang Hauptquartier des aus den Schlagzeilen bekannten »Rechten Sektors«. Dort wurden freiwillige Kämpfer angeworben, aber auch Spenden zur Formierung des Freiwilligenbataillons »Rechter Sektor« gesammelt. Spendensammler gehörten bald zum Bild des Kiewer Unabhängigkeitsplatzes und blieben auch nach Abräumen der letzten Barrikaden im August 2014 auf dem Platz. Noch heute begegnet man auf dem Maidan Männern mit Spendensammeldosen die um Geldspenden für bestimmte Truppenteile der ukrainischen Armee bitten. Regelmäßig kommt es auf dem Maidan zu Konflikten, denn bei einigen Spendensammlern handelt es sich um sogenannte »Pseudovolontäre«: Personen, die Geld für nicht existierende Truppenteile sammeln, oder zu bestehenden Einheiten keinerlei Bezug haben. Meistens sind es ukrainische Armeeveteranen, die sich organisieren, um Pseudovolontäre vom Platz zu verjagen. Mittlerweile werden Pseudovolontäre auch von der neuen ukrainischen Streifenpolizei verfolgt, die sie nicht mehr bestechen können. Doch trauen sich immer wieder Einzelpersonen oder Gruppen, als vermeintliche Volontäre um Spenden zu bitten, um an der Opferbereitschaft der Ukrainer zu verdienen. Mittlerweile findet man in der Ukraine Werbekampagnen, die dazu aufrufen, nur den Volontärsorganisationen zu vertrauen, die sich seit dem Maidan in der Ukraine etabliert und in der Öffentlichkeit einen guten Ruf haben.

Im Jahr 2014 entstanden viele Volontärsorganisationen. Ihre genaue Zahl ist nicht erfassbar, da sich Gruppen auflösten, kleinere Gruppen verschmolzen oder in größeren aufgingen. Dabei gründeten sich immer neue Gruppen. Die Volontärsorganisationen, die auch heute für den Nachschub der ukrainischen Streitkräfte sorgen, sind verschieden, doch durchaus kategorisierbar. Viele dieser Gruppen arbeiteten in Absprache untereinander gewisse Profile aus, um sich auf die Beschaffung und Lieferung bestimmter Hilfsgüter zu konzentrieren. Dabei ist auch die Zielgruppe unterschiedlich, denn viele Gruppen konzentrieren sich nur auf bestimmte Truppenteile, die Nationalgarde oder die Freiwilligenbataillone. Neben Volontären, die die ukrainische Armee unterstützen, bildeten sich auch Fonds und Hilfsorganisationen, um den tausenden ukrainischen Binnenflüchtlingen zu helfen oder gar, um das ukrainische Gesetz zur Lustration des Staatsapparats zu forcieren.

»Geboren auf dem Maidan«

Viele ukrainische Volontärsorganisationen haben ihren Ursprung in den Maidanprotesten ab Herbst 2013. Dort organisierten sich die Demonstranten unter dem Dach der »Selbstverteidigung des Maidans« in Hundertschaften, um den Maidan effektiv vor den Sicherheitskräften des damaligen Präsidenten Janukowitsch zu schützen, aber auch, um die Versorgung des Protestlagers mit Lebensmitteln zu gewährleisten (s. Ukraine-Analysen 130). Einige Demonstranten schlossen sich zum sogenannten Automaidan zusammen. Sie patrouillierten mit ihren Privatwagen in den Straßen Kiews, um die in Bussen herbeigekarrten angeworbenen Schläger abzufangen, mit denen Ex-Präsident Janukowitsch die Demonstranten einschüchtern wollte. Ende Februar 2014 war Wiktor Janukowitsch gestürzt, Russland annektierte im Monat darauf die Krim und schürte Unruhen in den östlichen Regionen der Ukraine, wo schließlich ein Krieg ausbrach. Viele Hundertschaften schlossen sich unverzüglich gemeinschaftlich der neugegründeten Nationalgarde der Ukraine an. Andere Gruppen fanden sich, um die Soldaten im Osten mit dem Nötigsten zu unterstützen. Viele Aktivisten des Automaidans erklärten sich darauf bereit, die Hilfsgüter in die Ostukraine zu bringen.

Im Frühjahr 2014 war die Ausrüstung der ukrainischen Armee miserabel, gezeichnet durch die jahrelange korrupte Misswirtschaft im ukrainischen Verteidigungsministerium. Es fehlte an Schutzausrüstung, wie kugelsicheren Westen, Kevlarhelmen und Stiefeln. Viele ukrainische Soldaten trugen in den ersten Monaten der Kampfhandlungen noch die alten Stahlhelme aus sowjetischer Produktion. Eine erste größere Volontärsorganisation aus der Maidanbewegung bildete sich mit der »Wolonterska Sotnja« (Volontär-Hundertschaft). Diese Gruppe konzentrierte sich zunächst vor allem auf die Lieferung von medizinischen Gütern und Schutzwesten. Zielgruppe der Organisation waren vor allem die Freiwilligenbataillone und die Nationalgarde, wo mittlerweile viele Maidan-Aktivisten dienten. Gründerin der Gruppe war die damals 28-jährige Olena Masoryna, die sich bei den Parlamentswahlen 2014 von der Partei »Volksfront« in die Werchowna Rada wählen ließ, um die Interessen der Volontäre auch auf politischer Ebene durchzusetzen. Ebenfalls ihre Wurzeln in den Maidanprotesten hat die Gruppe »Initiatiwa E+«. Während des Maidans organisierten die Volontäre dieser Gruppe Lazarette für die Verwundeten. Auch jetzt konzentriert sich »Initiatiwa E+« auf medizinische Güter für die ukrainische Armee, hilft aber auch Zivilisten in den Kriegsgebieten.

Zu Beginn des Krieges agierten zunächst viele Volontäre ohne größeren Gruppen anzugehören. So etablierten kleinere Gruppen oder Privatpersonen Kontakte direkt zu den Einheiten der ukrainischen Armee oder zu den Militärkrankenhäusern, um auf eigene Faust zu spenden, oder um aus Furcht vor Veruntreuung persönlich Güter einzukaufen und zu transportieren. Viele Unternehmen zeigten sich auch zu kostenlosen Lieferungen an die Armee bereit. Bekannt ist der Fall, dass eine Reihe von Autowerkstätten begann, kostenlos ukrainische Militärfahrzeuge zu reparieren. Viele der benötigten Güter mussten aus dem europäischen Ausland beschafft werden, wobei es aufgrund der europäischen und ukrainischen Zollbestimmungen nicht selten zu Problemen kam. So darf über die ukrainisch-polnische Grenze nur eine Schutzweste pro Person transportiert werden, weshalb die Volontäre oft die Hilfe der Passagiere von Reisebussen in Anspruch nehmen mussten. Viele der heute noch frei von Volontärsorganisationen agierenden Aktivisten gehören politischen Parteien und NGOs an. Dabei sehen nicht wenige ukrainische Politiker eine Reise in die Ostukraine unter dem Vorwand, Hilfsgüter für die Armee zu liefern, als willkommenen Anlass zur Selbstdarstellung. Dagegen darf die Arbeit der ukrainischen Kirchen, mit Ausnahme der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, nicht unterschätzt werden, welche der Armee einen erheblichen Teil ihrer Kollekten spenden.

Die großen Volontärsorganisationen

Im Sommer 2014 entstanden größere Gruppen von Volontären. Diese boten, auch wenn man ihnen nicht beitreten wollte, zumindest eine Plattform für die Vernetzung und Absprache zwischen den verschieden Aktivistengruppen an. Die wichtigsten 2014 entstandenen Volontärsorganisationen sind »Armija SOS« (Armee SOS), »Narodnyj Tyl« (Heimatfront), »Myrotwortzi Ukraini« (Friedensstifter der Ukraine) und »Powernys Zhywym« (Kehr lebend zurück). Die im April 2014 gegründete Gruppe »Powernys Zhywym« gehört durch geschickte Medienkommunikation und Nutzung sozialer Netzwerke zu den bekanntesten im Land. Der Gründer der Gruppe, Witalij Dejneha, ist selbst IT-Spezialist. Die aktuell 45 Volontäre dieser Gruppe kommen nicht nur aus Kiew, sondern auch aus anderen Städten der Ukraine. Im ersten Monat ihres Bestehens konnte die Organisation über eine Million Hrywnja sammeln, für das gesamte Jahr 2014 schließlich 50 Millionen (damals ca. 2,5–3 Millionen Euro). »Powernys Zhywym« unterstützt vor allem die 80. und die 95. Fallschirmjägerbrigade der ukrainischen Armee, weitete ihre Hilfe aber auch auf andere Truppenteile aus. Durch diese Volontärsorganisation erhielten die ukrainischen Fallschirmjäger nicht nur Helme und Schutzwesten, sondern auch Nachtsichtgeräte und andere High-Tech-Ausrüstungen. Auf ihrer Internetseite legt »Powernys Zhywym« offen, wie mit den Spenden der jeweiligen Sponsoren verfahren wird. Diese Offenheit brachte ihr den Ruf ein, seriös und vor allem ehrlich zu arbeiten. Im Frühling 2015 ließ sich die Gruppe offiziell als Fonds registrieren. Mit intensiver Medienarbeit berichtet »Powernys Zhywym« auch über die Zustände in der ukrainischen Armee und macht dortige Skandale und Missstände publik. Ein im April dieses Jahres veröffentlichter Bericht über Missstände bei den Ukrainischen Seestreitkräften führte zur Entlassung des Oberbefehlshabers, Admiral Serhiy Hajduk, durch den Präsidenten der Ukraine.

Die großen Volontärsorganisationen »Armija SOS«, »Narodnyj Tyl«, »Myrotwortzi Ukraini« und »Powernys Zhywym« helfen der ukrainischen Armee nicht nur mit materiellen Gütern, sondern organisieren auch Lehrgänge für Spezialisten und kulturelle Veranstaltungen für die ukrainischen Soldaten. Moralische Unterstützung ist eine wichtige Komponente für die ukrainischen Soldaten an der Front. Tausende ukrainische Kinder malen auf Initiative der Volontäre Bilder und Postkarten für die Soldaten, die von den Volontären schließlich überbracht werden. Die Volontärsorganisation »Narodnyj Tyl« (Heimatfront) des IT-Spezialisten Heorhij Tuka unterstützt mit den Spendengeldern auch Schulen und Kindergärten in den vom Krieg betroffenen Regionen Donezk und Luhansk. Auf das von »Narodnyj Tyl« betriebene Projekt »Mirotworez« (Friedensstifter), welches eine Besonderheit darstellt und unlängst für Schlagzeilen sorgte, wird dieser Artikel später noch eingehen.

Eine Vielzahl von Volontärsorganisationen agiert auf lokaler Ebene und unterstützt lokal gebundene Truppeneinheiten oder lokale Freiwilligenbataillone, die »Bataillone territorialer Selbstverteidigung«. Hilfe für die ukrainische Armee kam aus allen Teilen des Landes, auch die Bevölkerung der Kriegsregionen Donezk und Luhansk leistete den Soldaten nicht unerhebliche Hilfe. Außer der Hauptstadt Kiew bildet die Westukraine jedoch das Zentrum der Volontärsarbeit. In der Region Ternopil betreiben mehrere lokale Volontärsorganisationen das »Logistische Zentrum für die Unterstützung der Soldaten der Antiterroristischen Operation«. Dabei handelt es sich um den landesweit größten Sammelpunkt für Hilfsgüter für die ukrainische Armee, von dem aus die Verteilung an die einzelnen Truppenteile verwaltet wird. Die größte Volontärsorganisation außerhalb Kiews ist die »Narodna Samooborona Lwiwschyny« (Volks-Selbstverteidigung der Region Lwiw). Diese während des Maidans entstandene Organisation widmet sich neben der Organisation von Ausrüstungsgegenständen auch der Lieferung von Nahrungsmitteln an die ukrainische Armee, wie auch an die Zivilbevölkerung im Kriegsgebiet.

Einen oft nicht unkritischen Ruf dagegen haben Volontärsorganisationen, die durch reiche Unternehmer ins Leben gerufen worden sind. Bekannt ist das Projekt »Kryla Feniksa« (Flügel des Phoenix). Gegründet wurde es im März 2014, durch den Unternehmer Jurij Birjukow. Dieser ist mittlerweile Berater des Präsidenten und des Verteidigungsministers. Birjukow wurde bekannt, als er der ukrainischen Luftwaffe ganze Transportflugzeuge stiftete. Wenn auch Birjukows Volontärstätigkeit Popularität genießt, misstrauen viele Ukrainer den Initiativen einiger Unternehmer, wie auch den ukrainischen Oligarchen (s. Ukraine-Analysen 154). Oft wird der Vorwurf laut, korrupte Unternehmer und Oligarchen würden durch Volontärstätigkeit für die ukrainische Armee und die ostukrainische Zivilbevölkerung eine Art Abbitte leisten. In der Ostukraine aktiv ist der »Fond Rinata Achmetowa«, die Stiftung des Donezker Oligarchen Rinat Achmetow. Diese Stiftung hat zum Ziel, der ostukrainischen Zivilbevölkerung zu helfen. Dem reichsten Mann der Ukraine wird vorgeworfen, die separatistische prorussische Bewegung in der Ostukraine nicht entschieden genug bekämpft zu haben, noch bevor aus den Unruhen ein Krieg entflammte. Dabei soll Achmetow vor allem eigene wirtschaftliche Ziele verfolgt haben. Regelrecht skandalös ist die Tätigkeit des Oligarchen Ihor Kolomoyskij, der 2014 in Dnipropetrowsk (heute Dnipro) ein eigenes bewaffnetes Freiwilligenbataillon »Dnipro« aufstellte und für dessen Versorgung auch ein eigenes Netz von Volontären schuf. Auch die unter Kolomoyskijs Einfluss entstandene Partei »UKROP« verfolgt eine intensive Volontärsarbeit. Ihor Kolomoyskij brüstet sich damit, die Region Dnipropetrowsk vor dem Chaos gerettet zu haben, indem er separatistische Tendenzen im Keim ersticken ließ. Volontäre der Region Dnipropetrowsk, die außerhalb des Kolomoyskij-Netzwerkes agieren, werfen dem Oligarchen vor, sie massiv unter Druck zu setzen.

Die Volontäre der Freiwilligenbataillone

Unter den explizit die Streitkräfte unterstützenden Volontärsorganisationen nehmen die Gruppen eine Sonderstellung ein, die die ukrainischen Freiwilligenbataillone unterstützen. Oft besitzen die Freiwilligenbataillone auch eigene Volontärsorganisationen. Am besten organisiert war bis zu seiner Spaltung im Dezember 2015 der »Rechte Sektor«. Zu Beginn des Krieges in der Ostukraine bildete die politische Bewegung »Rechter Sektor« ihre eigene militärische Einheit, den »Dobrowoltschyi Ukrainiskyi Korpus« (Ukrainisches Freiwilligenkorps). Zur Versorgung dieser Einheiten schuf der »Rechte Sektor« auch eigene Volontärsgruppen, bestehend aus Mitgliedern der eigenen politischen Partei oder Personen die dieser nahestehen. Medizinisch ausgebildete Mitglieder des »Rechten Sektors« bildeten sogar ein eigenes Bataillon, die »Hospytaljery«, das sich um die verwundeten Kämpfer des »Rechten Sektors« kümmern sollte. Ab Dezember 2015 spaltete sich der »Rechte Sektor« nach dem Austritt seiner Führungspersönlichkeit Dmytro Jarosch. Mit dem Bröckeln der Partei löste sich auch die hauseigene Volontärsbasis auf, deren Aktivisten derzeit versuchen, sich in anderen Verbänden der ukrainischen Freiwilligenbataillone neu zu organisieren.

Auch das Freiwilligenbataillon »Asow« besitzt mit dem »Blagodijnyj Fond Oswitnyh Inowatzii« (Karitativer Fonds für Bildungsinnovationen) eine eigene ihm nahe stehende Volontärsorganisation. Diese, wenn auch einen unscheinbaren Namen tragend, unterstützt die Kämpfer von »Asow« mit Hilfsgütern, repariert die Technik und organisiert durch Kooperation mit Spezialisten Lehrgänge in Technik und Strategie. In der Nähe von Kiew hat die Volontärsorganisation ein Trainingszentrum für »Asow«-Kämpfer eingerichtet, mit einem sich im Ausbau befindlichen Übungsplatz. Trotz ihres in der internationalen Presse problematischen Rufs als betont nationalistische Organisation, hat das »Asow«-Bataillon durch die erfolgreiche Verteidigung der Hafenstadt Mariupol und ihre Resistenz gegen Korruption in der Ukraine einen guten Ruf. Nicht wenige Ukrainer sind bereit, dem Bataillon, und dadurch seiner Volontärsorganisation, Geld zu spenden. Am 20. Mai 2016 machte das »Asow«-Zivilkorps durch eine Demonstration in der Hauptstadt Kiew auf sich aufmerksam, bei der bis zu 2.000 Aktive und Sympathisanten des Bataillons zum Gebäude der Werchowna Rada marschierten (s. Dokumentation auf S. 8). Ihre Forderung, in den de facto von Russland kontrollierten Gebieten der Ostukraine erst dann Wahlen abzuhalten, wenn die russisch-ukrainische Grenze wieder gänzlich unter ukrainischer Kontrolle steht, trifft bei vielen Ukrainern auf Zustimmung.

Auch für die Freiwilligenbataillone mit lokaler Bindung bestehen eigene Volontärsorganisationen, wobei auch die genannten großen Volontärsorganisationen den »Bataillonen der territorialen Selbstverteidigung« Unterstützung leisten. So unterstützt die gesamtukrainische Volontärsorganisation »Myrotworzi Ukraini« das Freiwilligenbataillon von Tschernihiw, obwohl dieses ebenfalls eine eigene Volontärsbasis besitzt.

Die Volontärsbewegung außerhalb des Militärischen

Wie bereits erwähnt ist die ukrainische Volontärsbewegung vielseitig. Dieser Beitrag behandelte nur die Volontäre, die die ukrainischen Streitkräfte unterstützen. Dabei darf auch die Arbeit der Volontärsorganisationen nicht vergessen werden, die den ukrainischen Binnenflüchtlingen helfen, die die kriegsversehrten Veteranen in die Gesellschaft reintegrieren und deren Aufmerksamkeit vor allem der Zivilbevölkerung in den umkämpften Gebieten der Ostukraine gilt. Bei der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung arbeitet auch eine Vielzahl internationaler Hilfsorganisationen mit. Einige ukrainische Volontärsorganisationen widmen sich auch politisch-gesellschaftlichen Themen.

Einen sehr interessanten Fall stellt dabei das Projekt »Mirotworez« dar. Dieses Projekt wurde von der bereits genannten Volontärsorganisation »Narodnyj Tyl« ins Leben gerufen. Sein Ziel ist die Unterstützung der Lustration (s. Ukraine-Analysen 139 und 160) in der Ukraine: der Säuberung des ukrainischen Staats- und Justizwesens von Personen, die sich aufgrund korrupter Machenschaften oder separatistischer Parteinahme im Frühling 2014 diskreditierten. Deshalb hatten mehrerer Volontäre der Organisation »Narodnyj Tyl« die Idee, eine Internetseite zu schaffen, auf welcher Personen aufgelistet werden, die zu den alten Seilschaften der »Partei der Regionen« gehören oder im Frühling 2014 prorussische Positionen einnahmen.

Die Seite von »Mirotworez« wird seitdem stark kritisiert, denn die juristische Begründung der auf der Seite erhobenen Anschuldigungen ist in vielen Fällen zweifelhaft. Viele Kritiker der Seite sind selbst Volontäre und der Meinung, dass »Mirotworez« seine Kompetenzen als Volontärsorganisation überschreitet und oft unbegründet die berufliche Karriere von womöglich unschuldigen Personen ruiniert. Andere Stimmen der ukrainischen Zivilgesellschaft halten dagegen, denn »Mirotworez« schafft aus ihrer Perspektive etwas, zu dem der ukrainische Staat aus ihrer Sicht nicht fähig ist: eine effektive Lustration diskreditierter Personen. Im Mai 2016 kam es zum Eklat, als die Seite persönliche Daten mehrerer im Donbass tätiger Journalisten veröffentlichte, die sich durch die »Pressestelle« der in der Ukraine als terroristische Organisation geltenden »Donezker Volksrepublik« akkreditieren ließen. Kritik an »Mirotworez« kam selbst von europäischen Organisationen, ukrainischen Journalisten und Menschenrechtsbeauftragten der ukrainischen Regierung: Die Aktivisten hätten Persönlichkeitsrechte verletzt und Menschen in Gefahr gebracht (s. Dokumentation auf S. 10). Unterstützung fand Myrotvorets überraschend beim ukrainischen Innenminister Arsen Awakow, der »Mirotworez« für seine Kooperation mit dem ukrainischen Geheimdienst lobte und betonte, dass durch die Recherchearbeit dieser Volontäre nicht wenige Staatsverräter und Spione ausfindig gemacht werden konnten. Zudem ist es laut Awakow für Journalisten inakzeptabel sich bei der sogenannten »Donezker Volksrepublik« akkreditieren zu lassen.

Fazit

Präsident Petro Poroschenko war letzten Winter so unvorsichtig, öffentlich zu behaupten, dass die ukrainische Armee den Krieg in der Ostukraine auch ohne Unterstützung der Volontäre gewinnen würde. Loben wollte das Staatsoberhaupt der Ukraine mit dieser Aussage wohl seine eigene Reform des ukrainischen Verteidigungsapparates. Der öffentliche Widerspruch erfolgte prompt und zwang Poroschenko dazu, seine Aussage zu revidieren. Ohne die Volontärsbewegung wäre es im Frühling 2014 nicht möglich gewesen, die Front zu halten und die Kontrolle über einen Großteil der Regionen Donezk und Luhansk nicht zu verlieren. Zu miserabel war der Zustand der ukrainischen Armee nach 23 Jahren Misswirtschaft und Korruption.

Die ukrainische Volontärsbewegung – »Wolonterskij Ruh« – ist eines der bemerkenswertesten Projekte der starken ukrainischen Zivilgesellschaft und steht für bürgerliches Engagement und zivile Selbstorganisation. Doch ist auch sie nicht frei von den Problemen, die die ukrainische Gesellschaft lähmen: Unterschlagung von Geldern und Einflussnahme dubioser wirtschaftlicher Interessengruppen. Es macht Hoffnung, dass es sich bei den zuletzt genannten Phänomenen um Einzelerscheinungen handelt. Aufgrund der enormen Verdienste der Volontärsorganisationen während des noch immer nicht beendeten Krieges wird der Begriff »Volontär« nun zunehmend mit der Volontärsbewegung in Verbindung gebracht. Dadurch gewinnt er eine positive Bedeutung und wird von den Ukrainern zunehmend unterstützt (s. Umfrage auf S. 6–7).

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