Identitäten und Geschichtspolitik

Analysen zum Themenkomplex:

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Warum Putin die Ukraine grundsätzlich missversteht

Artyom Shraibman 28.03.2022

„Keine Vorstellung von einer Gesellschaft, die sich selbst helfen kann

Diese Leute können nicht begreifen, dass irgendwelche Gruppen von Menschen in der Lage sind, horizontal zu interagieren und ohne Oberhirten zu leben. Für sie existiert nur die Vertikale, nur die Kaserne. Nur die Eliten und eine darunter versammelte Hammelherde. Sie sind es gewohnt, in einer solchen Gesellschaft zu leben und über sie zu bestimmen – also müssen ihrer Ansicht nach wohl alle Gesellschaften so sein.“

https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/265/warum-putin-die-ukraine-grundsaetzlich-missversteht/

Die Ukraine aus Sicht der »Russkij Mir«

Wilfried Jilge (Leipzig/Moskau) 06.06.2014

„Der aus Sicht der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Staatengemeinschaft völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland lagen neben unterschiedlichen situativen, innen- und außenpolitischen Motiven auch längerfristige ideologische und geopolitische Konzepte zugrunde, die von der russischen Staatsführung sowie kremlnahen Politikern und Ideologen in den letzten Jahren – und während der Ukraine-Krise noch verstärkt – unter dem Begriff »Russkij Mir« propagiert wurden. Die Ukraine wird dabei ideologisch als ein Kernbestandteil dieser »Russischen Welt« und damit eines orthodox-ostslawischen, von Russland geführten und der EU entgegengestellten Orbits vorgestellt. Insofern dient das Konzept der Legitimation des Einbezugs der Ukraine in die angestrebte »Eurasische Union«. Im Rahmen dieses Konzepts werden insbesondere die Gebiete der Ost- und Südukraine zu einem einheitlichen »Süd-Osten« zusammengefasst, in dem mehrheitlich mit der Russischen Föderation eng verbundene »Landsleute« leben, für die Russland eine Schutzfunktion beansprucht. Zugleich wird der »Süd-Osten« der Ukraine als »Neurussland« und damit als eigentlich russisches Territorium verbrämt, um den direkten politischen Einfluss Russlands in der Ukraine historisch zu legitimieren und gegebenenfalls eine freie Selbstbestimmung der Ukraine über die künftige Ausrichtung des Staates zu verhindern. Doch zeigen Forschungen der letzten Jahre und repräsentative Umfragen der jüngsten Zeit, dass sich die Ukraine als Ganzes dem Bild der »Russkij Mir« entzieht und von der Existenz des vom Kreml propagierten »Neurussland« im Osten und Süden des Landes kaum die Rede sein kann.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/278/die-ukraine-aus-sicht-der-russkij-mir/

Nationalitätenpolitik: Russländische Nation versus russisches Volk?

Ulrich Schmid (Universität St. Gallen) 15.02.2022

„Im Juli 2020 bestätigte das russische Volk in einem Referendum eine umfangreiche Verfassungsreform. Eine der Änderungen betrifft auch die Frage nach der nationalen Identität des Vielvölkerstaates Russland. Das russische Volk ist nun offiziell als das »staatsbildende Volk« im Grundgesetz verankert. Diese Maßnahme bildet den vorläufigen Höhepunkt einer bereits seit zehn Jahren laufenden Entwicklung. Präsident Putin führte das Konzept des Russkij Mir in seiner zweiten Amtszeit in den öffentlichen Diskurs ein, ergänzte es in seiner dritten Amtszeit durch die Idee der »Russländischen Nation mit russischem Kulturkern« und kombinierte dabei die Formulierungen »russisches Volk« und »russländisches Volk«.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/413/nationalitaetenpolitik-russlaendische-nation-versus-russisches-volk/

Die Ukraine in der Rhetorik russischer Präsidenten und der Staatsduma

Gwendolyn Sasse (Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS); Humboldt-Universität, Berlin) 15.02.2022

„Zwei Ereignisse – die Annexion der Krim 2014 und der Krieg in der Ostukraine, der im Frühjahr 2014 begann und bisher etwa 14.000 Todesopfer gefordert hat – haben die Politik und das Selbstverständnis Russlands maßgeblich beeinflusst und die Konfrontation zwischen Russland und der EU, den USA und der NATO zugespitzt. Trotz der zentralen Bedeutung dieser miteinander verknüpften Ereignisse, spielten explizite Nennungen der Ukraine und der Krim in den Reden von Präsident Wladimir Putin und in den Redebeiträgen der Duma-Abgeordneten nur punktuell eine größere Rolle.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/413/die-ukraine-in-der-rhetorik-russischer-praesidenten-und-der-staatsduma/

Die Hilfe des großen Bruders. Wie Russland die Krise in der Ukraine sieht

Susanne Spahn (Berlin) 14.03.2014

„Russland will seine Nachbarstaaten in der geplanten Eurasischen Wirtschaftsunion wirtschaftlich und politisch dominieren. Moskau hat Belarus und andere Staaten bislang mit wirtschaftlichen Druckmitteln vom Beitritt zum Einheitlichen Wirtschaftsraum »überzeugt«. In der Ukraine greift Moskau jetzt mit der Entsendung von Truppen auf die Krim direkt ein und verletzt die territoriale Integrität des Nachbarlandes. Das ist ein Beleg für die besondere Bedeutung, die die Ukraine wie auch Belarus als Teile einer angenommenen ostslawischen Gemeinschaft für Russland haben.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/273/die-hilfe-des-grossen-bruders-wie-russland-die-krise-in-der-ukraine-sieht/

Russland, der Westen und die Ukraine. Eine Betrachtung aus Moskau

Sergey Markedonov (Moskau) 13.02.2015

„Russland und der Westen sehen sich gegenwärtig der schwersten Krise ihrer Beziehungen seit dem Ende des Kalten Krieges gegenüber. Der Westen beschuldigt Russland, in der Ukraine das Völkerrecht gebrochen zu haben, während Russland behauptet, der Westen habe früher schon auf dem Balkan und im Mittleren Osten ähnliche völkerrechtliche Bestimmungen verletzt. Die aktuelle Konfrontation ist kein neuer Kalter Krieg, sondern erwächst aus unterschiedlichen Einschätzungen darüber, was eine Verletzung der Weltordnung und des Völkerrechts darstellt. Eine endgültige Schwächung Russlands dürfte nicht den Interessen der USA und der EU dienen, da diese sich Herausforderungen durch ein aufstrebendes China und die zunehmende Bedrohungen durch islamistischen Terrorismus gegenüber sehen. Wenn Russland und der Westen das gegenwärtige Patt aufheben wollen, dürfen sie nicht Gefangene der Situation in der Ukraine bleiben, damit sie die diplomatische Diskussion wieder vollständig aufnehmen können.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/290/russland-der-westen-und-die-ukraine-eine-betrachtung-aus-moskau/

»Russkij Mir«. Literarische Genealogie eines folgenreichen Konzepts

Oleksandr Zabirko (Universität Münster) 30.01.2015

„»Russkij mir« als geopolitische Konzeption vereint eine Reihe verschiedener Strömungen des antiwestlichen, antiliberalen und neoimperialen russischen Denkens. Die tragenden Säulen dieses imaginierten von Russland dominierten Raums sind vor allem russische Sprachkultur und Geschichtsbewusstsein, der stark antiliberal und antieuropäisch eingefärbte Geist der russischen Orthodoxie und nicht zuletzt emotional aufgeladene Symbole wie die »heilige Rus«. In dieser Form akkumuliert die Konzeption von »Russkij mir« zahlreiche Ausprägungen der russischen Sonderweg-Ideologie – von literarisch artikulierten Raum- und Gemeinschaftsmodellen über die politisch-ideologischen Großmachtvisionen der Sowjetunion und der Denker des russischen Eurasismus bis hin zu der Suche nach einer einigenden »nationalen Idee« nach dem Zerfall der UdSSR. In ihrer jüngsten Manifestation bietet die Idee von »Russkij mir« eine wichtige Legitimationsgrundlage für das militärische Engagement Russlands in der Ostukraine und beeinflusst darüber hinaus das ideologische Klima in der Russischen Föderation.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/289/russkij-mir/

Die Russische Orthodoxe Kirche und das Konzept der »Russischen Welt«

Thomas Bremer (Universität Münster) 30.01.2015

„Nicht nur im politischen Diskurs spielt das zivilisatorische Konzept einer »Russischen Welt« (russ.: »russkij mir«) in den letzten Jahren eine immer wichtigere Rolle; auch die Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK), die offiziell 2009 der Stiftung »Russische Welt« beigetreten ist, haben sich in ihren jüngeren Äußerungen häufig auf das Konzept einer von der westlichen Zivilisation unterschiedlichen und dieser überlegenen »Russischen Welt« bezogen. Dabei ist die inhaltliche Füllung des Konzepts von »Russkij mir« bei den Vertretern der ROK diffus. Es gibt jedoch einige inhaltliche Konstanten, die immer wieder aufgeführt werden. Die wichtigsten davon sind a) die historische Dimension, b) die Religion bzw. religiöse Herkunft, c) die Werte, d) die Sprache und e) der übernationale Charakter.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/289/die-russische-orthodoxe-kirche-und-das-konzept-der-russischen-welt/

Phantom des Imperiums

18.07.2014

„Die Ukraine-Krise wird immer häufiger zum Ausgangspunkt bei innerrussischen Debatten über Innenpolitik, den Wandel in der Gesellschaft und die Transformation des eigenen Wertesystems.

Welchen Anteil hat Russland an der Ukraine-Krise gehabt und welche Verantwortung für den Krieg im Osten der Ukraine trägt der Kreml? Welche Auswirkungen können Transformationsprozesse in der Ukraine auf die russische Gesellschaft haben? Inwieweit fördert das Regime die Verbreitung einer neosowjetischen Ideologie im Lande? Welche Werteorientierung haben russische Bürger 23 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion? Über diese Fragen diskutieren in ihren Blogs die Journalisten Andrej Archangelskij und Dmitrij Olschanskij, die Psychologin Ludmila Petranowskaja und der Schriftsteller Viktor Jerofejew.“

https://www.laender-analysen.de/russland-analysen/281/phantom-des-imperiums/

Lesetipps / Bibliographie

Zum Weiterlesen

Analyse

Die Ukraine aus Sicht der »Russkij Mir«

Von Wilfried Jilge
Der aus Sicht der überwiegenden Mehrheit der Mitglieder der Staatengemeinschaft völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland lagen neben unterschiedlichen situativen, innen- und außenpolitischen Motiven auch längerfristige ideologische und geopolitische Konzepte zugrunde, die von der russischen Staatsführung sowie kremlnahen Politikern und Ideologen in den letzten Jahren – und während der Ukraine-Krise noch verstärkt – unter dem Begriff »Russkij Mir« propagiert wurden. Die Ukraine wird dabei ideologisch als ein Kernbestandteil dieser »Russischen Welt« und damit eines orthodox-ostslawischen, von Russland geführten und der EU entgegengestellten Orbits vorgestellt. Insofern dient das Konzept der Legitimation des Einbezugs der Ukraine in die angestrebte »Eurasische Union«. Im Rahmen dieses Konzepts werden insbesondere die Gebiete der Ost- und Südukraine zu einem einheitlichen »Süd-Osten« zusammengefasst, in dem mehrheitlich mit der Russischen Föderation eng verbundene »Landsleute« leben, für die Russland eine Schutzfunktion beansprucht. Zugleich wird der »Süd-Osten« der Ukraine als »Neurussland« und damit als eigentlich russisches Territorium verbrämt, um den direkten politischen Einfluss Russlands in der Ukraine historisch zu legitimieren und gegebenenfalls eine freie Selbstbestimmung der Ukraine über die künftige Ausrichtung des Staates zu verhindern. (…)
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