Quo vadis deutsch-russische Beziehungen? Reflexionen eines russischen Germanisten

Von Wladislaw Below (Moskau)

Zusammenfassung
Die deutsch-russischen Beziehungen haben nach wie vor strategischen Charakter. Die jüngste heftige Kritik durch Andreas von Schockenhoff und die kritische Entschließung des Bundestages vom 9. November zum Zustand der Demokratie in Russland haben nicht die erwarteten negativen Auswirkungen auf die bilaterale Zusammenarbeit gehabt. Wie die jüngsten Regierungskonsultationen in Moskau gezeigt haben, sind die beiden Seiten in der Lage und bereit, alle Probleme sowohl auf höchster als auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene zu erörtern. Die Zeit reift für eine kritische Bewertung des vorhandenen Potenzials und für eine Antwort, was unternommen werden kann/muss, um neue informelle Impulse für die Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen den beiden führenden Staaten im Westen und Osten Europas zu geben.

Anstelle eines Vorworts

Die Rohfassung dieses Artikels samt seiner Grundthesen und -prognosen wurde Anfang November dieses Jahres geschrieben. Um den Artikel abzuschließen erschien es interessant, die Ergebnisse der 14. Deutsch-Russischen Regierungskonsultationen und der Diskussionen im Rahmen des Petersburger Dialogs abzuwarten, die vom 14. bis 16. November 2012 in Moskau stattfanden. Wichtig ist, dass ich nach den Konsultationen an meinen Thesen keine Änderungen vorzunehmen hatte. Meine wichtigste Botschaft an die Öffentlichkeit in Deutschland und Russland bleibt die gleiche: »Es gibt keinerlei Abkühlung in den Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Der ›Schockenhoff-Effekt‹ ist nur kurzfristiger Natur, er wird bald vorübergehen und keinen wesentlichen Einfluss auf den strategischen Charakter der bilateralen Beziehungen haben. Dass es von deutscher Seite kritische Töne gab, und dass die in der russischen Politik festzustellenden Probleme erörtert werden konnten, belegt nur das hohe Niveau unserer Beziehungen«.

Im Folgenden möchte ich meine Analyse der wichtigsten Beziehungsfelder vorstellen.

Politik

Im außenpolitischen Bereich betreffen die meisten der zwischen Deutschland und Russland erörterten Fragen internationale, und nicht bilaterale Probleme. Zu den wichtigsten Themen zählen derzeit der Nahe Osten, Syrien, Iran und das Raketenabwehrsystem in Europa. Die Position der Regierungen unserer beiden Länder zu diesen Fragen wird natürlich von anderen Beteiligten berücksichtigt. Oft hört oder will der Westen nicht hören, was Russland sagt. Es entsteht der Eindruck, dass viele Scheuklappen im Kopf haben. Es scheint folgende Meinung vorzuherrschen: »Möglich, dass die Position Russlands eine Existenzberechtigung hat, doch halten wir sie gleichwohl für nicht richtig.« Und dann, wenn die negativen Folgen eintreten, auf die die russische Diplomatie zuvor hingewiesen hatte, will niemand sie analysieren. Es reicht, auf den Irak zu schauen: Die Zahl der Zivilisten, die dort nach der groben amerikanischen Einmischung getöteten wurden, erreicht astronomische Ziffern. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dies auch auf Libyen zutreffen. Ein ähnliches Schicksal erwartet anscheinend auch Syrien. Es sieht so aus, als werde Russland außenpolitisch nicht als erfahrener Akteur betrachtet, der dank der (historischen) Professionalität seiner Diplomaten und Experten (in Bezug auf den Nahen Osten wäre das zum Beispiel Jewgenij Primakow) fähig wäre, diese oder jene Situation richtig und objektiv einzuschätzen. Zu Russland verhält man sich eher wie zu einem Erben imperialer Denkweise, der in verschiedenen Regionen der Welt um jeden Preis über vermeintlich nahestehende Regime seinen Einfluss sichern will. Im Nahen Osten will der Westen nicht bemerken (oder ist möglicher weise nicht in der Lage dazu), dass er selbst bewusst oder unbewusst Opfer der Clanpolitik in den verschiedenen Staaten wird. Ein Beispiel hierfür ist die Politik Katars oder Saudi-Arabiens gegenüber Syrien, die von den Nachbarstaaten wie der Türkei bereitwillig, unter anderem aus religiösen Motiven, unterstützt wird.

Ich denke, die deutsche Diplomatie hat gute Chancen, in einen entideologisierten Dialog mit den Kollegen aus Russland treten, frei von geopolitischen Stereotypen. Dies bedeutete natürlich auch für die Diplomaten in Russland eine gewisse Herausforderung. Unter anderem müssen die multilateralen Mechanismen schleunigst aktiviert werden, vor allem das Weimarer Dreieck. Auch die anderen bestehenden Diskussionsplattformen müssen aktiv weiterentwickelt werden.

Die meisten Probleme gibt es im bestehenden Dialog zur Innenpolitik. Von deutscher Seite erfolgt die Diskussion vor allem entlang von Fragen zur demokratischen Entwicklung Russlands, die aus deutscher Sicht untrennbar mit allen anderen Bereichen der bilateralen Zusammenarbeit verbunden ist. Aus meiner Sicht ist dies ein richtiger, jedoch in vielem theoretischer Ansatz, der oft einer Prüfung in der Praxis nicht standhält. Die realen Prozesse, die sich in meinem Land vollziehen, sind wesentlich komplizierter: Ungeachtet der von den deutschen Diplomaten festgestellten Probleme (die tatsächlich bestehen), kommt die Demokratisierung sowohl der Gesellschaft in Russland, als auch der Politik und der Wirtschaft nicht zum Stillstand – sie geht voran und nicht zurück. Zu einer Diskussion dieses Themas mit deutschen Kollegen bin ich gern bereit.

Seit August 2012 ist eine neue Entwicklung darin zu sehen, dass sich das politische Establishment und Expertenkreise in Deutschland aktiv in die heftige Kritik an der russischen Führungsspitze einschalten, die zu einer Reihe bekannter Fragen geübt wird. Diese Kritik ist darüber hinaus in offiziellen Erklärungen des Beauftragten der Bundesregierung Dr. Andreas von Schockenhoff formalisiert wurden. Zu dieser Entwicklung gehören auch die anschließenden Entschließungsanträge der führenden Bundestagsfraktionen, nach deren Erörterung die bekannte Entschließung angenommen wurde.

Bei der kritischen Wahrnehmung der Wirklichkeit in Russland durch die deutsche Seite ist mir die Position der oppositionellen SPD am nächsten. Die Sozialdemokraten haben in ihrem Antrag vom Oktober 2012 nicht nur die kritischen Punkte in der gegenwärtigen Entwicklung Russlands und in den deutsch-russischen Beziehungen richtig herausgestellt, sondern auch bestimmte Perspektiven für die Lösung der Probleme und die zukünftige Entwicklung aufgezeigt. Im Unterschied hierzu legen die Fraktionen der CDU/CSU und der Grünen das Hauptgewicht darauf, dass Druck auf die Führung Russlands ausgeübt werden müsse, auch auf dem Wege heftiger Forderungen durch das Parlament. Bekanntermaßen führt Druck lediglich zu einer analogen Gegenreaktion: Bereits vor der Ausarbeitung der Entschließung und deren Erörterung im Bundestag haben Mitarbeiter des Außenministeriums in Moskau (die leider ungenannt bleiben wollen) sehr scharf auf die Hauptthesen von Schockenhoff reagiert. Diese wurden dann im Antrag von CDU/CSU und Liberalen im Wesentlich wiederholt, dessen Inhalt im Unterschied zu den Russlandanträgen der anderen Fraktionen auf der Website des Parlaments lange Zeit nicht zu finden war. Soweit bekannt, hat das Auswärtige Amt nicht wenig vernünftige Anstrengungen unternommen, um die schärfsten Passagen des Papiers abzumildern, das dann als Entschließung vom Bundestag angenommen wurde. Die Vorschläge der Sozialdemokraten haben leider keinen Eingang in die Entschließung gefunden.

An dieser Stelle erlaube ich mir einige Bemerkungen zu den Experten. Anders als in Russland, wo die Zahl derjenigen, die sich mit Fragen der politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, historischen Entwicklung der BRD beschäftigen, stetig zunimmt (das kann ich anhand der Situation in der Akademie und in der Hochschulbildung beurteilen), ist in Deutschland in Bezug auf die Russische Föderation ein umgekehrter Prozess zu beobachten. Die Gründe für diese Entwicklung möchte ich hier nicht erörtern, doch hat sie unangenehme Folgen: Die Qualität und Quantität der Expertengemeinde, die in Deutschland zu Russland arbeitet, nimmt mit jedem Jahr ab. Die alte Generation glänzender Kenner der UdSSR und Russlands hat sich zur Ruhe gesetzt und übt bereits nicht mehr den früheren Einfluss auf Gesellschaft und Politik aus. Die neue Generation der Russlandexperten zählt wenige Köpfe und ist nicht immer professionell. Die deutschen Politiker und Beamten, die gegenwärtig für die Beziehungen zum sich transformierenden Russland zuständig sind, erhalten nicht mehr jene professionelle beratende Unterstützung, wie es in früheren Jahren der Fall war. Es erfolgt eine Rückkehr zu den Instrumenten und Methoden des vergangenen Jahrhunderts: Erneut gibt es den Wunsch, Leviten zu gelesen, in scharfer Form auf Mängel zu verweisen und Forderungen zu stellen, was für das moderne Russland, wie übrigens auch für jedes andere Mitglied der internationalen Gemeinschaft, nicht hinnehmbar ist. Natürlich ist die Wahrnehmung kritischer Meinungen der internationalen Partner und deren anschließende Erörterung unerlässlich. Doch sollte sich Kritik in den Rahmen eines zivilisierten und intellektuellen Dialogs fügen, der auf eine gegenseitige konstruktive Erörterung der anstehenden Themen und Fragen gerichtet ist. Einen anderen Weg gibt es nicht und kann es nicht geben. Unsere Staaten – die Regierungen wie auch die Vertreter der Zivilgesellschaft – verfügen über die nötigen Möglichkeiten dazu. Die jüngsten Konsultationen und Diskussionen Mitte November 2012 in Moskau belegen das.

Wirtschaft

Die Wirtschaft ist nach wie vor die Grundlage unserer Beziehungen und das laufende Jahr ist ein Beweis. Das bilaterale Handelsaufkommen soll 2013 erneut Rekordwerte erreichen. Nach meinen Schätzungen könnte es 83 bis 85 Milliarden Euro betragen, gegenüber 75 Milliarden im Jahr 2011. Die deutsche Wirtschaft geht immer aktiver in die Regionen Russlands, tätigt neue Investitionen und baut die bestehende Produktionskapazitäten aus. In der Regel folgen die deutschen Unternehmer dem Modell der »sozialen Verantwortung«, sowohl den eigenen Mitarbeitern gegenüber als auch dem lokalen Umfeld.

Ungeachtet der relativ großen Zahl deutscher Unternehmen in der Russischen Föderation – es sind über 6.300 Unternehmen, die insgesamt in 80 der 83 Regionen vertreten sind! – bleiben die Märkte in Russland für die meisten Vertreter der kleinen und mittleren Unternehmen aus der Bundesrepublik trotzdem unverständlich und intransparent. Die Deutsch-Russische Außenhandelskammer, das Deutsch-Russische Forum, der Ost- und Mitteleuropa Verein, der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft, die Industrie- und Handelskammern der Bundesländer sowie Anwalts- und Consulting-Firmen führen in Russland und Deutschland Dutzende Veranstaltungen durch, um die Chancen und Möglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen in der Russischen Föderation aufzuzeigen. Dennoch ist leider noch kein qualitativer oder quantitativer Durchbruch in diesem Bereich auszumachen: Die kleinen und mittleren Unternehmen bleiben in Bezug auf Russland ein scheues Reh… Aus meiner Sicht geht es hier weniger um die realen Risiken und Gefahren – diese bestehen zwar, sind aber auch, wie die Erfahrungen der deutschen Business-Community in Russland zeigen, durchaus handhab- und überwindbar. Der Grund liegt vielmehr in jenem negativen Bild, das die Vertreter des Mittelstandes tagtäglich aus den deutschen Medien erhalten. Das Reh ist ein schönes, aber doch ein scheues Geschöpf.

Eine nicht weniger wichtige und gleichzeitig höchst komplizierte Aufgabe besteht darin, die Vertreter der russischen kleinen und mittleren Unternehmer vor Ort in die Kooperation mit den deutschen Firmen einzubeziehen, unter anderem bei der Wahl der Produktionsstandorte. Diese Aufgabe ist bislang ungelöst und verlangt nach einer weiteren Erörterung auf allen Ebenen. Unter anderem sollte dies im Rahmen der Zusammenarbeit mit der Agentur für strategische Initiativen (ASI) unternommen werden, einem Thinktank, der 2011 auf Betreiben von Präsident Putin gegründet wurde und in Deutschland kaum bekannt ist. Er wird von Vertretern des russischen Mittelstandes geleitet, die in Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Unternehmen 22 Roadmaps zur Entbürokratisierung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Russland entwerfen. Es verwundert, dass die deutsche Seite dieser Struktur immer noch nicht die angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, obwohl die ersten Roadmaps – gegen den heftigen Widerstand der Bürokratie – bereits ausgearbeitet und verabschiedet wurden und durch erste Maßnahmen umgesetzt werden.

An dieser Stelle einige Worte zur berühmt-berüchtigten Modernisierung. Mir erscheint die Diskussion, ob diese nun von oben, von unten oder von der Seite zu erfolgen habe, sinnlos. Sie muss von allen Seiten und in allen Bereichen gleichzeitig erfolgen. Wo sie dann schneller, tiefgreifender oder besser voranschreiten wird, hängt von vielen Faktoren ab. Wichtig ist, dass der Prozess nicht still steht, sondern sich weiterentwickelt. Jede Modernisierung, ich betone: jede (sei sie nun politischer, technologischer oder anderer Art), führt so oder so zur Entstehung und Entwicklung von Demokratie. Aber dies ist natürlich ein eigenes Diskussionsthema. Ich möchte hier lediglich eine These herausstellen, die auf der Hand liegt: Die Entwicklung konkurrenzfähiger kleiner und mittlerer Unternehmen als wichtigster Komponente der technologischen Modernisierung bedeutet einen direkten Weg zu wachsender politischen Konkurrenz. Einer Konkurrenz, die auf dem Bedürfnis der Eigentümer gründet, die eigenen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen durch eine Vertretung in bestehenden oder neuen Parteibildungen wahrzunehmen. Je mehr die bilaterale Zusammenarbeit ein »Gründerwesen« in der Russischen Föderation befördert, desto größer wird ihr Beitrag zur demokratischen Entwicklung von Staat und Gesellschaft sein.

Wichtig ist auch, dass Firmen aus Russland weiterhin in die deutsche Wirtschaft investieren, wenn auch Tempo und Umfang der russischen Investitionen hinter den deutschen zurückbleiben dürften. Hier ergibt sich ein umgekehrtes Bild: Die Medien in Russland verhalten sich Deutschland gegenüber überaus freundlich. Eine positive Rolle spielen hier die German Trade and Invest (GTAI) und die Vertretungen der Bundesländer in Russland, vor allem die Bayerns. Ihre Tätigkeit in den Regionen Russlands sollte meiner Ansicht nach jedoch aktiver und »aggressiver« sein – sie könnten einen noch bedeutenderen Beitrag für die bilaterale Wirtschaftszusammenarbeit leisten.

Nach dem WTO-Beitritt Russlands muss die Ausarbeitung eines neuen Abkommens mit der Europäischen Union vorangetrieben werden. Diese Frage ist bei den deutsch-russischen Konsultationen im November leider außen vor geblieben oder zumindest nicht öffentlich erörtert worden.

Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

Hier ist das Niveau der Zusammenarbeit allseits zu loben. Das Deutsch-Russische Jahr der Bildung, Wissenschaft und Innovation von Mai 2011 bis Mai 2012 ist erfolgreich verlaufen. Es gibt gute Ergebnisse. So wurde zum Beispiel eine Weiterfinanzierung von vier Innovationsplattformen beschlossen sowie eine Arbeitsgruppe zur Berufsbildung und für internationale Hospitationen gebildet. Es hätte wohl mehr erreicht werden können, aber: Nobody is perfect! Bemerkenswert ist, dass eine Reihe dieser Entscheidungen während der Regierungskonsultationen im November 2012 bekräftigt wurden. Die Zusammenarbeit zwischen jungen Wissenschaftlern entwickelt sich dynamisch. Eines der wenigen Defizite in diesem Kooperationsbereich ist allenfalls in der geringen Aufmerksamkeit durch die Medien zu sehen.

Andere Bereiche

Die deutsch-russischen Beziehungen sind seit langem über den Bereich der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit hinausgewachsen. Eine Vielzahl informeller Verbindungen zwischen Regionen, Städten (besonders den Partnerstädten) entwickelt sich weiter, der Schüler- und Studentenaustausch nimmt mit jedem Jahr zu, der Kulturaustausch wird ausgeweitet, immer mehr Menschen aus Russland wollen den Bundesländer einen Besuch abstatten. Gegenwärtig findet in Russland das Deutschlandjahr statt, dem ein Russlandjahr in der Bundesrepublik folgen wird. An diese Veranstaltungen sind viele Erwartungen geknüpft.

Ohne die Visumsbeschränkungen wäre die Zahl der gemeinsamen Projekte und der daran Beteiligten sowie der Reisen gewöhnlicher Bürger erheblich höher. Die Situation soll sich jedoch – den Worten Merkels zu Folge – mit dem Januar 2013 ändern, wenn ein eigenes Zentrum für konsularische Leistungen gegründet wird, das mit einer Auslagerung von Dienstleistungen arbeiten soll. Das ändert natürlich nichts am Visumszwang, doch sollte es den Prozess wesentlich vereinfachen. Soweit mir bekannt ist, werden auch bei den russischen Botschaften in Deutschland ähnliche Mechanismen eingeführt. Dies sollte auch den Bürgern Deutschlands, die Russland besuchen wollen, »das Leben erleichtern«.

Anstelle eines Schlusswortes

Zusammenfassend einige Bemerkungen zum Dialog zwischen Deutschland und Russland. Jedes Jahr finden nicht nur in den Haupt- und Großstädten, sondern auch in anderen Regionen Hunderte bilateraler Konferenzen, Seminare, Runder Tische zu verschiedensten Themen statt. Eine wichtige Rolle spielen hier die deutschen politischen und anderen Stiftungen und Organisationen (bisher hat sich keine von ihnen über Probleme beklagt, die durch das neue Gesetz über »ausländische Agenten« für ihre Arbeit entstanden wären). Es ist zu beachten, dass die Erfahrungen Deutschlands bei der Entwicklung der Zivilgesellschaft, dem Aufbau des politischen und des Parteiensystems, der Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft, der Transformation der Kommandowirtschaft, im Bereich der sozialen Verantwortung der Wirtschaft, der Energieeffizienz, der Regionalpolitik, dem Bürokratieabbau, der Korruptionsbekämpfung usw. nach wie vor bei den Menschen in Russland gefragt sind. Nicht wenige interessante Ideen, die auf gemeinsamen Veranstaltungen anklingen, werden anschließend in die Praxis umgesetzt. Und auch die deutschen Teilnehmer der Diskussionsplattformen und gemeinsamen Projekte entdecken zunehmend etwas Neues und Nützliches für sich selbst.

Daher darf keineswegs von einer Kürzung gemeinsamer Projekte die Rede sein, selbst dann nicht, wenn sie angeblich ineffizient sind. Beide Seiten müssen sich allenthalben für eine Ausweitung des Dialogs auf den unterschiedlichsten Plattformen einsetzen und möglichst für die Schaffung neuer Plattformen sorgen. Es besteht in beiden Ländern ein Bedürfnis danach und die Bereitschaft hierzu. Wichtig ist jedoch, dass die Ergebnisse der meisten Diskussionen und insbesondere deren Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich sind. Dafür haben die Organisatoren Sorge zu tragen. Es würde die Produktivität und Ergiebigkeit drastisch erhöhen.

Moskau, 17. November 2012

Übersetzung: Hartmut Schröder

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