Druck auf GOLOS

Zwei Wochen vor dem Wahltag der russischen Präsidentschaftswahlen wird der Druck auf das einheimische Wahlbeobachtungsnetzwerk der Assoziation GOLOS erheblich verstärkt. Am 16. Februar 2012 musste die Organisation ihr Büro räumen. Der ursprünglich bis Ende August bestehende Mietvertrag wurde vom Eigentümer, der Wochenzeitung »Literaturnaja Gazeta«, überraschend beendet. GOLOS hat inzwischen ein Übergangsbüro bezogen, das von einer Partnerorganisation zur Verfügung gestellt wurde.

Bereits im Januar hatten das Justizministerium und der Föderale Dienst für Aufsicht im Bereich der Kommunikation, Informationstechnologie und Massenkommunikation (Roskomnadsor) Überprüfungen der Organisation GOLOS und der Zeitung »Graschdanskij Golos«, deren Korrespondenten für GOLOS die Wahlen beobachten, durchgeführt.

Bei den Mitgliedsorganisationen der Assoziation GOLOS, die die Wahlbeobachtung in den Regionen von Moskau, Pskow und Samara koordinieren, wurden außerordentliche Steuerprüfungen eingeleitet. Die regionalen Gruppen in Tscheljabinsk und Nowosibirsk wurden durch die Staatsanwaltschaft überprüft. Nach Angaben von GOLOS soll die Partei »Einiges Russland« bei der Generalstaatsanwaltschaft eine Überprüfung der gesamten Assoziation GOLOS und der Moskauer Helsinki Gruppe gefordert haben.

GOLOS vermutet, dass die Dokumentenprüfungen in den regionalen Gruppen Vorboten einer umfassenden Überprüfung der gesamten Assoziation GOLOS sind. Dabei würden systematisch Belege für angebliche Rechtsverstöße gesammelt. Laut Angaben von GOLOS gibt es ernstzunehmende Hinweise, dass die politische Führung Russlands zwar vor dem Wahltag am 4. März einen Skandal um die einheimische Wahlbeobachtung vermeiden will, nach dem Wahltag jedoch Schritte unternehmen wird, die NGO zu demontieren.

Zusammenstellung der Informationen durch: Adam Busuleanu

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des gemeinsamen Projektes von GOLOS, Europäischem Austausch, Heinrich Böll Stiftung und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde.

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Analyse

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Dokumentation

»… eine moralische Niederlage der Partei der Macht«. Beim Durchblättern der regierungskritischen russischen Presse

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