Asymmetrien der Terrorismusbekämpfung

Von Michail Logvinov (Chemnitz)

Zusammenfassung
Die russische Terrorismusbekämpfungspolitik hat nur unzureichende Erfolge. Dies liegt darin begründet, dass der russische Staat sich nicht ernsthaft mit dem extremistischen Umfeld und der Trägerideologie des Terrorismus auseinandersetzt. Darüber hinaus gibt es keine konsequente Strategie, um Terrorgruppen von ihren Finanzierungsquellen abzuschneiden. Bekämpfungsstrategien werden meist nicht zielorientiert eingesetzt. Mit Investitionen in Milliardenhöhe finanziert Moskau eine korrupte Elite im Nordkaukasus. Kurz, es fehlt nach wie vor eine zielgerichtete, konsequente Antiterrorpolitik, die die islamistische Ideologie wirkungsvoll delegitimiert, das extremistische und terroristische Milieu austrocknet sowie den Schutz der kritischen Infrastrukturen gewährleistet.

Ungleichmäßigkeiten der russischen Terrorismusbekämpfung

2003 erschien in der renommierten Moskauer rechtswissenschaftlichen Zeitschrift »Staat und Recht« ein Aufsatz des damaligen Generalstaatsanwalts Ustinow mit dem Titel »Die staatliche Antiterrorstrategie: allgemeine Konzeption und Rechtsaspekte«, der neuralgische Punkte der russischen Terrorismusbekämpfungspolitik thematisierte. Der Autor kritisierte, dass in Russland keine Lösungen für das Terrorismusproblem als kriminelles und sozialpolitisches Phänomen vorliegen. Diese Einschätzung ist in vielen Punkten nachzuvollziehen, denn die Konzepte zur Bekämpfung des Terrorismus weisen eine ganze Reihe von Schwächen auf.

Terroristen ohne Eigenschaften?

Eines der Probleme ist die Weigerung des russischen Staates, sich mit der Trägerideologie des Terrorismus auseinanderzusetzen. Trotz des nicht zu übersehenden islamistischen Referenzrahmens des nordkaukasischen Aufstandes bestehen muslimische Geistliche und vor allem das tschetschenische Republikoberhaupt Ramsan Kadyrow mit Nachdruck darauf, die Termini »Islamismus« oder »islamischer Extremismus« aus dem politischen Wortschatz zu streichen. So sprach Kadyrow sich auf einem Treffen der nordkaukasischen Muftis am 28. August 2009 dafür aus, in politischen Äußerungen und in den Medien den Ausdruck »islamischer Extremismus« zu vermeiden. Der Vorschlag wurde von Präsident Medwedew unterstützt. Doch drei Tage später teilten Kadyrow vier festgenommene junge Dschihadisten mit, ihre Absicht sei es gewesen, als »Märtyrer« zu sterben.

Hätte Doku Umarow nicht seinen Anspruch auf ein Gebiet zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer mit dem Namen »Emirat Kaukasus« kundgetan, hätte er nicht die »Feinde des Islam« (darunter die USA und Europa) als Feinde des »Emirats« identifiziert, hätte er sich nicht mit den »Mudschaheddin« außerhalb Russlands solidarisiert und hätten die Webauftritte des »Vilayets Dagestan« (»Dschamaat Shariat«, seit dem 11. Mai 2011 »Vilayat Dagestan«), des »Vilayets Inguschetien/Kaukasus-Emirat« (»Hunafa«) und »des vereinigten Vilayets von Kabarda, Balkarien und Karatschai/Kaukasus-Emirat« (»IslamDin«) sowie des Kaukasus-Emirates selbst (»Kavkazcenter«) nicht in regelmäßigen Abständen Aufrufe zum Dschihad und salafistische Propaganda mit dem symptomatischen salafistischen Vokabular veröffentlicht, hätte man noch ein Auge zudrücken und die islamistische Ideologie des Terrorismus und des Aufstandes im Nordkaukasus ausblenden können. Angesichts der eindeutigen Selbstbekenntnisse ist das jedoch ein Ding der Unmöglichkeit.

Im Kampf gegen die sogenannten »Banditen« weigern sich Moskau und die nordkaukasischen Terrorismusbekämpfer hartnäckig, den Gegner beim Namen zu nennen und seine Motivationslage zur Kenntnis zu nehmen. Im Gegenteil wird jene offenbar vorsätzlich missinterpretiert. Fehlerhafte Problemdiagnosen münden konsequenterweise in falsche Lösungsvorschläge und stehen somit der geistig-politischen Auseinandersetzung mit der islamistischen Ideologie im Weg. Die notorische Realitätsverweigerung und die Konstruktion von »Banditen bzw. Zombies ohne religiöse Inhalte im Kopf«, die allen Fakten widerspricht, verhindert zwangsläufig eine Strategie zur Delegitimierung des islamistischen Terrorismus in Russland.

Obwohl in Moskau und in Grosny nach wie vor von »Banditentum« gesprochen und jeder Bezug zum Islam ausgeblendet wird, leiten die Islamisten auf allen genannten Propaganda-Webseiten die Dschihadpflicht von religiösen Konzepten ab. Somit ignoriert die russische Terrorismusbekämpfungspolitik Gefahrenfaktoren wie Reichweite/Verankerung der Ziele in der Ideologie, Gewalttoleranz, Verbreitung in der Bezugsgruppe, ihre Attraktivität und Nachvollziehbarkeit. Dass Moskau keine Anstalten macht, die Trägerideologie des Terrorismus zu delegitimieren, liegt auch in der gültigen Definition des Terrorismus-Begriffs begründet. Denn das russische Terrorismusbekämpfungsgesetz (TBG) beschreibt Terrorismus nicht primär als Strategie (zweckgebundene Gewaltanwendung), sondern als »Gewaltideologie und -praxis«, was offensichtlicher Nonsens ist. Denn Terrorismus an sich stellt noch keine Ideologie dar. Das ist lediglich ein modus operandi terroristischer Akteure, deren Motivationslage bzw. ideologisches Substrat die Gewaltanwendung erst ermöglicht. Die Bestimmung des Terrorismus als Ideologie blendet somit die entsprechende Trägerideologie des Terrorismus und mithin Legitimierungsquellen, Ziele und erhoffte Gratifikationen aus.

Die Finanzierung des Terrorismus

Ähnlich inkonsistent verhält es sich mit der Strategie zum Austrocknen der Finanzierungsquellen. Während Moskau und vor allem Grosny immer wieder erklärten, man ginge gegen die Finanzierung von außen vor, versagten die Sicherheitsbehörden beim Schutz der regionalen Unternehmer vor militanten Gewaltakteuren. Spätestens seit 2005 entwickelten sich die Spenden für den Dschihad (der sogenannte »Sakat«) zu einer der lukrativen Finanzierungsquellen des islamistischen Terrorismus in Russland. Aufrufe oder Forderungen von »Emiren« werden zwecks Audiovisualität den Zielpersonen auf USB-Sticks zugestellt. Wer nicht zahlt, hat mit Folgen zu rechnen und muss um sein Leben fürchten. Die regionalen Sicherheitsbehörden versag(t)en allerdings nicht nur hinsichtlich der Schutzpflicht. Auch bei der Strafverfolgung des Delikts »Terrorismusfinanzierung« im Fall einer freiwilligen Unterstützung haben der Inlandsgeheimdienst und das Innenministerium nachweislich nur geringe Anstrengungen unternommen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gab es bis 2011 keine Strafsachen wegen Terrorismusfinanzierung. Vor diesem Hintergrund wirken Meldungen, dass auch regionale Politiker »Sakat« an die militanten Akteure abführ(t)en, besonders alarmierend. Dergestalt hätte Moskau indirekt die Strukturen des islamistischen Terrorismus in Russland mitfinanziert.

Hin und wieder teilen der Inlandsgeheimdienst FSB und das Innenministerium mit, den Fahndern sei es gelungen, Zellen der illegalen Geldtransfersysteme (auch Hawala-Finanzsystem genannt) aufzudecken. Doch gemessen an der Arbeitsmigration aus Nordkaukasus oder Zentralasien und der Unterentwicklung des Bankwesens in den jeweiligen Republiken mitsamt den unzureichenden personellen Ressourcen, die den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stehen, lässt sich vermuten, dass ein Gros der Schattengeldtransfers – und somit auch ein Teil der Terrorismusfinanzierung – nach wie vor über das Hawala-System fließt.

Das Versagen der politischen Elite im Nordkaukasus

Im Artikel »Milliarden verjuxt« zitiert am 7. Juli 2010 die Informationsagentur RIA Nowosti ein Statement vom Regierungschef Putin, demzufolge Moskau im vergangenen Jahrzehnt 800 Mrd. Rubel in den Nordkaukasus transferiert hat. Doch sei es nicht gelungen, die Situation der lokalen Wirtschaft grundlegend zu verändern. Hunderte von Milliarden an Transferleistungen zu »verjuxen« ist schon schlimm genug. Doch ein großer Anteil dieser Mittel ist auch in falsche »Kanäle« geflossen. Anstatt soziale und ökonomische Modernisierung zu fördern, hat der Kreml mit Investitionen in Milliardenhöhe regionale Regierungen und »Eliten« (lies Klans) aufgebaut und unterhalten, die eine Machtvertikale im Nordkaukasus gewährleisten sollten. Die regionalen Eliten lieferten zwar die erwünschten (manipulierten) Wahlergebnisse. Primär sind sie jedoch für die Intransparenz, Korruption und Vetternwirtschaft verantwortlich, die wiederum Wasser auf die Mühlen der islamistischen Propaganda sind. Denn schlechte Regierungsführung verschlimmert per definitionem die Lebensbedingungen der örtlichen Bevölkerung. 2010 formulierte die Regierung eine Strategie zur sozioökonomischen Entwicklung des nordkaukasischen Föderalbezirkes bis 2025, die weitere Milliardeninvestitionen unter besserer Kontrolle vorsieht. Diese werden jedoch von denselben korrupten Eliten verwaltet, die der Kreml seit Jahren der Misswirtschaft bezichtigt.

Zudem treiben die regionalen Eliten und Geistlichen die Theokratisierung und Islamisierung im Nordkaukasus voran. Doch der Kalkül, die Stärkung des »traditionellen« sufistisch-hanafitischen Islam würde den Islamisten den Wind aus den Segeln nehmen, geht nicht auf. Denn Salafisten (oder muwahhidun, Bekenner der Einheit Gottes, in Russland als »Wahhabiten« bekannt) akzeptieren den »traditionellen« Islam (welcher Rechtsschule oder Strömung auch immer) ebenfalls nicht. Anstatt in theologischen Gesprächen die Jugend von der religiös motivierten Gewalt abzubringen, kümmer(te)n sich die nordkaukasischen »Gebieter« mehr um politische Macht. Unbequeme Personen und Sinnsucher melde(te)n sie dem FSB als angebliche »Wahhabiten«, gegen die der Staat nach wie vor mit aller Härte vorgeht. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die jüngere Generation der russländischen Muslime angesichts dieses doppelten Versagens sowohl dem Staat als auch dem traditionellen Islam den Rücken kehrt und sich den islamistischen Organisationen und militanten Dschamaaten annähert.

Die Sicherheitsapparate im Kampf gegen den Terrorismus

Da die Delegitimierung der islamistischen Trägerideologie nicht gelingt, Maßnahmen zur Vorbeugung des Extremismus daher nicht erfolgreich sind, und da die Sicherheitsbehörden auch nicht immer imstande sind, das extremistische Umfeld mit gebotener Sorgfalt zu beobachten sowie die Radikalisierungsprozesse zu registrieren, stehen die Sicherheitsapparate vor der Aufgabe, den Kampf gegen bereits radikalisierte und/oder militante Akteure zu führen. Einer der Gründe für die mangelhafte Präventionsarbeit ist im russischen TBG zu suchen, versteht doch die russische Kriminalpolitik die Terrorismusprävention als »Durchführung eines zielgerichteten Maßnahmenkomplexes zur Beseitigung der sozialen Gefahr eines einsetzenden Aktes des Terrorismus«.

Der FSB und das Innenministerium führen beinahe täglich kontraterroristische Operationen in Wäldern und Dörfern wie Städten durch. Obwohl die russischen Terrorismusbekämpfer durchaus einige militärische Erfolge für sich verbuchen konnten, wachsen die abgeschlagenen Köpfe der nordkaukasischen Terror-Hydra schnell nach. Die islamistischen Akteure erfreuen sich eines großen Zulaufs junger Dschihadisten – nicht zuletzt wegen der gegnerzentrierten Dominante der operativ-militärischen Terrorismusbekämpfung. Denn das primäre Ziel der russischen Sicherheitsbehörden ist es offensichtlich nicht, die Zivilbevölkerung zu schützen, sondern den Gegner – koste es was es wolle – zu vernichten. Das Ziel gilt auch dann als erreicht, wenn infolge der (unverhältnismäßigen) Gewaltanwendung weitere Personen sich radikalisieren. Während des mit massiver Gewalt ausgetragenen zweiten »Tschetschenienkrieges« verfolgte das Militär offensichtlich eine Abschreckungsstrategie, in der die Bestrafung (Tötung militärischer Führer und Feinde) und »Verhinderung« (Zerstörung der terroristischen Infrastrukturen, die in einem asymmetrischen Konflikt nicht von zivilen Infrastrukturen zu unterscheiden sind) überproportional angelegt worden waren. Bis heute haben die Sicherheitsapparate nicht verinnerlicht, dass sie vor allen Dingen die Bevölkerung vor Terrorismus schützen müssen, anstatt sie in Mitleidenschaft zu ziehen. Einsätze der Sicherheitsapparate wirken sich sehr oft negativ auf die Lebensverhältnisse der Zivilbevölkerung aus. Die am 21. Februar 2011 in Kabardino-Balkarien angelaufene kontraterroristische Operation ist dafür ein aktuelles Beispiel. Denn die terroristischen Akteure strebten mit ihren Aktionen offenbar an, den Tourismus in der Region zu stören und Touristen zu verjagen, weshalb der Baksanski-Dschamaat neben einer Seilbahn auch eine Hotelanlage als Ziel ausgesucht und aus Moskau stammende Touristen direkt angegriffen hat. Die Sicherheitsbehörden spielen dabei mit ihren restriktiven Antiterrormaßnahmen den Terroristen in die Hände.

Der Schutz kritischer Infrastrukturen

Man muss kaum auf die Schwächen beim Schutz kritischer Infrastruktur hinweisen. Es hat wiederholt Anschläge auf Verkehrsinfrastruktur gegeben (etwa die wiederholten Anschläge auf den Zug Moskau-St. Petersburg und die Moskauer Metro sowie der Anschlag am Flughafen Domodedowo). Nach jedem Anschlag außerhalb des Nordkaukasus hat die Politik neue Programme vorbereitet und effizientere Maßnahmen versprochen. Doch Beobachter können sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Moskau keinen systematischen Ansatz der Terrorismusbekämpfung hat und mit seinen ad hoc-Entscheidungen gewissermaßen von einem Terroranschlag zum nächsten stolpert.

Während die politischen Spitzenrepräsentanten die Verbesserung des physischen Schutzes kritischer Infrastruktur einfordern, überraschte der Inlandsgeheimdienst FSB Ende 2010 die Öffentlichkeit mit einer neuen Initiative. Danach soll der Art. 5 des Gesetzes »Über das Staatsgeheimnis«, der auflistet, was als geheim gilt, um die Informationen über den Schutz der kritischen Infrastruktur erweitert werden. Im November 2010 hat das Parlament die Änderungen verabschiedet. Informationen über Maßnahmen zur Sicherung von potentiell gefährdeten Objekten, aber auch »Informationen über Kräfte, Mittel, Methoden, Pläne und Ergebnisse der Tätigkeit der zuständigen Behörden bei der Terrorbekämpfung sowie die Ergebnisse der finanziellen Überwachung von an Terroraktivitäten beteiligten Organisationen und Personen« gelten seitdem als Staatsgeheimnisse.

Ziel-Mittel-Konflikte des Bekämpfungsansatzes

Die Schwächen der russischen Terrorismusbekämpfungspolitik bestätigt auch ein Blick in das seit Ende 2009 gültige Konzept der Terrorismusbekämpfung in der Russländischen Föderation. Die Regierung hat es nach einer Dekade Antiterrorkrieg nicht vermocht, eine schlüssige, nicht formalistische und alle Gefahrenfaktoren umfassende Strategie zur Bekämpfung des transnationalen Terrorismus auszuarbeiten. Es mangelt in erster Linie an einer expliziten Abgrenzung der Gefährdung: Wer sind die Akteure und wie ist ihre Motivationslage? Welche begünstigenden Faktoren liegen vor, wie verwundbar sind die möglichen Anschlagsziele? Im Dokument fehlt überdies eine Risikobewertung, auf der die strategischen Maßnahmen aufbauen können. Auch ist im Konzept durchgehend vom »(modernen) Terrorismus« die Rede, der weder nach der Motivationslage der Akteure noch nach eingesetzten Mitteln und Methoden näher definiert ist. Das Papier suggeriert den Eindruck eines auf Russland von außen einwirkenden Terrorismus, dessen Ausbreitung durch die Beseitigung der inneren »Ermöglichungsfaktoren« verhindert werden kann. Der ideologische Hintergrund des Terrorismus im Nordkaukasus wird in der Formel »gewisse historische Prämissen« versteckt. Es fehlen im Konzept auch Überlegungen, wie Zweck-Mittel-Konflikte des Bekämpfungsansatzes zu lösen sind. Exemplarisch sind an dieser Stelle die Beeinträchtigungen der strukturellen Terrorismusbekämpfung zu nennen, die durch einen unverhältnismäßigen Einsatz repressiver polizeilicher und militärischer Bekämpfungsmaßnahmen entstanden sind. Die Geheimhaltung von Mitteln, Methoden und Ergebnissen der Terrorismusbekämpfung deutet wiederum darauf hin, dass die Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die sachliche Abwägung zu schützender Rechtsgüter und Eingriffe in die Grundrechte nach wie vor den überforderten Sicherheitsdiensten überlassen werden. Dies ist eine der normativen Asymmetrien der Terrorismusbekämpfung, die oft dazu führt, dass die mit dem Islamismus und ausufernder Kriminalität konfrontierte Bürokratie sowie die durch die terroristische Gewalt herausgeforderten Sicherheitsbehörden am Rande der Selbst-Delegitimierung agieren.

Fazit

Bereits 2003 hatte der damalige Generalstaatsanwalt Ustinow die Schwächen der Terrorismusbekämpfung benannt. Er plädierte für eine multikausale und multidimensionale, über die repressiven Ansätze hinausgehende Bekämpfungsstrategie. Verblüffenderweise stimmen die Befunde aus aktuellen Untersuchungen mit seinen Diagnosen aus dem Jahr 2003 – von der Vorenthaltung strategischer Ressourcen über Auflösung terroristischer Strukturen bis hin zu Koordination und Kooperation der einzusetzenden Kapazitäten – größtenteils überein. Dies legt Zeugnis von einer niedrigen Intensität der staatlichen Entscheidungsfindung und Asymmetrien der Schwerpunktsetzung in diesem Politikfeld ab.

Als die Regierung 2009 ihr Terrorismusbekämpfungskonzept und 2010 eine Strategie zur sozioökonomischen Modernisierung der nordkaukasischen Region vorstellte, schien sich eine Kehrtwende abgezeichnet zu haben. Diese wird jedoch kraft genannter Asymmetrien keine deutliche Verbesserung bewirken können.

Lesetipps / Bibliographie

Zum Weiterlesen

Analyse

Terrorismus in Russland: von der existenziellen Bedrohung zum Sicherheitsrisiko und einer konzeptionellen Sackgasse

Von Aglaya Snetkov
Russlands Krieg gegen den Terrorismus dauert nun schon über einem Jahrzehnt. Wie der Terroranschlag vom 24. Januar 2011 auf dem Flughafen Domodedowo gezeigt hat, ist die Gefahr weiterer Anschläge jedoch nicht so schnell gebannt. Der vorliegende Beitrag stellt Russlands Umgang mit dem Terrorismus seit 1999 dar und vertritt die Position, dass die Terrorgefahr, die anfangs als eine existenzielle Bedrohung für den russischen Staat und die Nation dargestellt wurde, in den letzten Jahren zu einem bloßen Sicherheitsrisiko herabgestuft wurde. Da sich die russische Führung bezüglich der Ausrichtung ihrer Strategie zur Terrorismusbekämpfung gegenwärtig allem Anschein nach in einer konzeptionellen Sackgasse befindet, schließt die Autorin mit einer pessimistischen Prognose. (…)
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