Testlauf für die Dumawahlen

Von Hans-Henning Schröder (Berlin)

Am 13. März 2011 war in Russland »Einheitlicher Wahltag«. In 12 Regionen und in etwa 3.000 Kommunen wurden Volksvertretungen gewählt, für die über 50.000 Kandidaten antraten. Es war der Probelauf für die Dumawahlen im Dezember 2011, denen im Frühjar 2012 die Präsidentenwahlen folgen werden. Diese Abfolge von Wahlen ist von erheblicher Bedeutung. Im Laufe des Jahres 2011 wird das Machtarrangement ausgehandelt, das für die nächsten sechs Jahre – solange amtiert der 2012 gewählte Präsident – gelten soll. Teil des Machtarrangements wird auch die Bestimmung des neuen Staatsoberhauptes sein, die intern erfolgt und dann durch den Wahlprozess legitimiert wird. Das war die Praxis der Jahre 1999 und 2007, von der man voraussichtlich auch 2011 nicht abgehen wird. Das Ergebnis der Dumawahlen wird erweisen, ob die Mehrheit der Bevölkerung das neue Machtarrangement akzeptiert, und die Präsidentenwahlen sind dann nur noch eine Formalie – wie in den Jahren 2000 und 2008.

Bei den Regionalwahlen am 13. März wurde erprobt, ob die dominante Partei »Einiges Russland« richtig aufgestellt ist und die »politischen Maschinen« vor Ort gut genug funktionieren, um auch ohne direkte Fälschung die erwünschte Mehrheit zu erreichen. Da in einer Reihe von Regionen die langjährigen Gouverneure abgelöst und durch neue ersetzt worden waren (der spektakulärste Fall war der Sturz des Moskauer Bürgermeisters Lushkow), galt es nicht unbedingt als sicher, dass die »politischen Maschinen« überall reibungslos arbeiten würden.

Im Vorfeld funktionierte die Wahlmaschine jedoch recht gut: »Einiges Russland« konnte 20.000 Kandidaten aufstellen, fünfmal so viele wie die Konkurrenz »Gerechtes Russland« oder die Kommunisten. Weniger als ein Prozent der aufgestellten Kandidaten von »Einiges Russland« wurden von den Wahlbehörden abgelehnt. Andere Parteien waren nicht so glücklich: fünf Prozent der kommunistischen Kandidaten und jeweils sechs Prozent der liberaldemokratischen Vorschläge und der Bewerber der Partei »Gerechtes Russland« wurden nicht zugelassen. Bei Jabloko betrug die Ablehnungsrate skandalöse 45 %, bei den »Patrioten Russlands« 20 %. Es war ganz deutlich, dass die Behörden die »Systemparteien« »Einiges Russland«, »Gerechtes Russland«, KPRF und LDPR bevorzugten, »Einiges Russland« aber besondere Privilegien einräumten.

Die Abstimmung war denn auch aus der Sicht der politischen Führung ein Erfolg. Wahlbeteiligung und Ergebnisse für »Einiges Russland« lagen zwar unter den Werten der Dumawahlen 2007, doch in der Mehrzahl der Föderationssubjekte über denen der vorhergehenden Regionalwahlen. Allerdings gab es auch zahlreiche Berichte über Manipulationen des Abstimmungsvorganges und Verstöße gegen das Wahlgesetz. Konstantin Kosatschow, Stellvertretender Sekretär des Generalrats von »Einiges Russland« und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses der Duma (ein international weithin respektierter Politiker) zeigte sich besorgt – besorgt über zahlreiche Versuche, »illegal Druck auf die Wähler auszuüben, die vorgeblich im Namen von ›Einiges Russland‹ erfolgen«.

Nun, die Dumawahlen können kommen.

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Analyse

Wahlfälschung und ihre Grenzen: der regionale Vergleich im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen

Von Alexander Kynew
Ob die Präsidentschaftswahlen über einen oder zwei Wahlgänge gehen, hängt im Wesentlichen nicht von den realen Umfragewerten der Kandidaten ab, sondern davon, wie viele Stimmen dem Hauptkandidaten hinzugeschrieben und den anderen dafür abgezogen werden. Anhand der Wahlergebnisse vom 4. Dezember kann Russland in drei Regionen mit unterschiedlichem Manipulations- und Protestpotenzial unterteilt werden. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 4. März hängt zum einen von der Wahlbeteiligung in der Gruppe der »Protestregionen« mit 52,2 Millionen Wählern ab, wo laut offiziellen Ergebnissen »Einiges Russland« weniger als 42% der Stimmen erreicht hat: Hier handelt es sich hauptsächlich um das nördliche Russland, Sibirien, das Uralgebiet und den Fernen Osten. (…)
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Analyse

Regionale Eliten, föderale Transferzahlungen und Anreize zur Wahlfälschung

Von Andrei Yakovlev
Im System der kompetitiven Autokratie benötigt die herrschende Elitengruppe realen Rückhalt in der Bevölkerung, da sie sich nur so gegen konkurrierende Elitengruppen durchsetzen kann. Infolgedessen belohnte das Zentrum regionale Eliten Wahlerfolge für Putin und die Partei »Einiges Russland« mit erhöhten Transferzahlungen. Darauf reagierte die regionale Elite, indem sie die gewünschten Wahlergebnisse künstlich herbeiführte. Eine logische Antwort auf ein falsches Signal. Denn die Wahlfälschungen führten zu einer Abhängigkeit der föderalen von den regionalen Eliten und einer Gefährdung der realen Machtbasis. (…)
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