Die gegenwärtige Situation der Juden in Polen. Anzahl: verschwindend gering – Präsenz: bedeutend – Religiosität: zunehmend

Von Stanisław Krajewski

Zusammenfassung
Nach der Shoah sank die Zahl der Juden in Polen, von denen es vor dem Krieg etwa 3,5 Millionen gegeben hatte, um 90 %. Infolge politischer und gesellschaftlicher Umstände war sie bis Ende der 1980er Jahre nochmals dezimiert. Die Anzahl der Juden im heutigen Polen schätzt der Autor um ein Mehrfaches höher als die gewöhnlich angegebenen Daten. Doch selbst wenn es sich dabei heute wieder um 30.000 Personen handeln sollte, stellt das nur ein Promille der polnischen Bevölkerung dar. Nach 1989 gab es einen neuen Zulauf junger Menschen zum Judentum. Es gibt Schulen mit Hebräischunterricht und Klassen, in denen jüdische Kultur gelehrt wird. Die Teilnehmer an Aufsatzwettbewerben über die Geschichte oder Kultur der Juden gehen in die Tausende. Ein noch größeres Interesse finden jüdische Kulturfestivals, die in verschiedenen Orten stattfinden. Ein weiteres Phänomen der letzten Jahre ist, dass nach dem Krieg geborene Juden beginnen, ihre religiösen Traditionen zu entdecken. Es tauchen junge Leute aus assimilierten Familien auf, die zuweilen katholisch erzogen worden sind und nun sehr religiös werden. Gab es in den 1990er Jahren einen einzigen Rabbiner, so sind gegenwärtig mehrere Rabbiner tätig, darunter der in Polen allgemein bekannte Oberrabbiner Michael Schudrich. Die Gebete werden in den Gemeinden (vorerst) nur nach dem orthodoxen Ritual abgehalten, wobei die Organisationsformen jedoch untraditionell sind, da zum Beispiel Frauen alle Funktionen, einschließlich des Gemeindevorstands, übernehmen.

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Analyse

Stehlen die Polen immer noch die deutschen Autos? Zur Aktualität der polnisch-deutschen Stereotype

Von Krzysztof Ruchniewicz
Die deutsch-polnischen Beziehungen verfügen über einen reichhaltigen Bestand stereotyper Auffassungen und Überzeugungen. Genährt von den politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen (den Teilungen Polens, dem Nationalsozialismus, dem Zweiten Weltkrieg, dem westdeutschen Sozialstaat, dem ostdeutschen Bruderstaat usw.), werden sie tradiert und häufig zu Propagandazwecken eingesetzt, unterliegen aber auch Veränderungen. So stellt der Autor fest, dass mit der Ausweitung der gegenseitigen Kontakte in den 1990er Jahren das Stereotyp des feindlichen und gefährlichen Deutschen nun allenfalls ein verblassendes in einer Reihe von Vorstellungen über die westlichen Nachbarn in Polen ist. Ebenso wandelt sich auch das historisch negative Polen-Bild der Deutschen zum Besseren, was eine Folge jüngster konkreter Nachbarschaftserfahrungen und des Beitritts Polens in die Europäische Union sein kann. Dennoch werden die Stereotype weiterleben, auch wenn sie »ungefährlichere«, beispielsweise humoristische Formen annehmen. (…)
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Analyse

»Du wirst niemals ein Pole sein!« Fußballhooligans in Polen zwischen keltischem Kreuz und Patriotismus

Von Andreas Prokopf
Antisemitische und rassistische Symbole, Gesänge und Transparente sind in polnischen Fußballstadien offensichtbar. Fanklubs pflegen gewalttätige Erzfeindschaften. Während in den 1990er Jahren in Westeuropa die Gewaltbereitschaft in und um die Stadien nachließ, stieg sie in Polen signifikant an. Zu erklären sind die Ausschreitungen zum einen durch Frustration und Perspektivlosigkeit, bedingt durch den Transformationsprozess, den Polen durchläuft. Zum anderen führt der Autor das offen antisemitische und xenophobe Vokabular und Zeichensystem der polnischen Hooligan-Szene auf tradierte und noch nicht genügend aufgearbeitete Stereotype in der polnischen Gesellschaft zurück, die in den Stadien lauthals zur Sprache kommen. (…)
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