Beschlüsse des Sejm zum Jahrestag der Verbrechen von Wolhynien (2016 und 2023)

Beschluss des Sejm der Republik Polen vom 22. Juli 2016 zur Ehrung der Opfer des Völkermords, ausgeführt von ukrainischen Nationalisten an Bürgern der Zweiten Polnischen Republik in den Jahren 1943 bis 1945

Die Gebiete der ehemaligen östlichen Woiwodschaften der Republik wurden in der Zeit des Zweiten Weltkrieges besonders stark geprüft. In diesen Gebieten prallten die beiden größten Totalitarismen des 20. Jahrhunderts, das Dritte Deutsche Reich und die kommunistische Sowjetunion, aufeinander. Das Vorgehen der deutschen und sowjetischen Besatzer schuf günstige Bedingungen, Hass auf nationaler und religiöser Grundlage zu schüren, und die unternommenen Versuche, eine Verständigung der Vertreter des Polnischen Untergrundstaates mit den ukrainischen Organisationen zu erlangen, zeitigten kein Ergebnis.

Im Juli 2016 jährt sich zum 73. Mal der Höhepunkt der an der Zivilbevölkerung der damaligen polnischen Ostgebiete verübten Verbrechen, die von Einheiten der Organisation der Ukrainischen Nationalisten (ukr. OUN), der Ukrainischen Aufständischen Armee (ukr. UPA), der Waffen-SS-Division Galizien sowie anderen ukrainischen, mit den Deutschen zusammenarbeitenden Formationen durchgeführt wurden. Im Ergebnis des in den Jahren 1943 bis 1945 verübten Völkermords wurden mehr als 100.000 Bürger der Zweiten Polnischen Republik, vor allem Bauern, ermordet. Ihre genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt, und viele von ihnen erfuhren immer noch kein würdiges Begräbnis und Gedenken. Unter den Ermordeten waren neben Polen auch Juden, Armenier, Tschechen, Vertreter anderer nationaler Minderheiten und auch Ukrainer, die auf der Seite der Opfer standen. Wird an die Verbrechen der ukrainischen Nationalisten erinnert, dürfen die polnischen Racheakte an ukrainischen Dörfern, die ebenfalls dazu führten, dass Zivilbevölkerung ums Leben kam, weder verschwiegen noch relativiert werden. Alle diese tragischen Ereignisse sollten in der Erinnerung der gegenwärtigen Generationen wieder präsent werden.

Der Opfer der von den ukrainischen Nationalisten in den 1940er Jahren ausgeübten Straftaten wurde bisher nicht angemessen gedacht und die Massenmorde wurden nicht der historischen Wahrheit entsprechend Völkermord genannt.

Der Sejm der Republik Polen erweist allen Bürgern der Zweiten Republik Polen, die von ukrainischen Nationalisten bestialisch ermordet wurden, seine Ehrehrbietung.

Der Sejm der Republik Polen drückt seine höchste Anerkennung für die Soldaten der Heimatarmee (Armia Krajowa), der Selbstverteidigung der Ostpolnischen Grenzgebiete (Samoobrona Kresowa) und der Bauernbataillone (Bataliony Chłopskie) aus, die den heroischen Kampf zur Verteidigung der von Angriffen bedrohten Zivilbevölkerung aufnahmen, und ruft den Präsidenten der Republik Polen auf, sie mit staatlichen Auszeichnungen zu ehren.

Daher bestimmt der Sejm der Republik Polen den Tag des 11. Juli – den Jahrestag des Höhepunkts der Verbrechen – zum Nationalen Feiertag des Gedenkens an die Opfer des Völkermords, verübt durch ukrainische Nationalisten an Bürgern der Zweiten Republik Polen.

Der Sejm der Republik Polen ruft dazu auf, die Orte des Verbrechens festzustellen und zu bezeichnen, allen gefundenen Opfern eine würdige Bestattung zu gewähren, den unschuldig Gequälten und Ermordeten die gebührende Ehre und Achtung zu erweisen und vollständige Listen der Opfer zu erstellen. Der Sejm der Republik Polen ruft dazu auf, das Werk der Versöhnung und des Dialogs fortzusetzen, das von den politischen und geistlichen Führungspersonen begonnen wurde, die Zusammenarbeit der Historiker zu unterstützen, die Ausweitung des Zugangs zu staatlichen Archiven inbegriffen, und die Zusammenarbeit der Behörden der Republik Polen und der Ukraine in den für die Zukunft beider Nationen wichtigsten Angelegenheiten zu unterstützen.

Der Sejm der Republik Polen zollt den Ukrainern, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens Polen retteten, Respekt und Dankbarkeit und ruft den Präsidenten der Republik Polen auf, diese Personen mit staatlichen Auszeichnungen zu ehren. Der Sejm der Republik Polen erinnert auch an die Haltung eines bedeutenden Teils der ukrainischen Bevölkerung, der sich weigerte, an den Überfällen auf die Polen teilzunehmen.

Der Sejm der Republik Polen dankt den Einwohnern der damaligen polnischen Ostgebiete und ihren Nachkommen sowie den Menschen guten Willens, die seit Jahrzehnten die Wahrheit fordern und sich von dem Wort leiten lassen »Nicht nach Rache, sondern nach Erinnerung rufen die Opfer«.

Der Sejm der Republik Polen bringt seine Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck, die gegen die äußere Aggression für die Bewahrung der territorialen Integrität kämpft. Der Sejm der Republik Polen unterstreicht seine Überzeugung, dass allein die ganze Wahrheit über die Geschichte der beste Weg zu Versöhnung und gegenseitiger Vergebung ist. So sagte der Heilige Johannes Paul II. »Mögen alle dank der Reinigung des historischen Gedächtnisses bereit sein, das, was vereint, höher zu stellen als das, was trennt, um gemeinsam eine Zukunft auf gegenseitiger Achtung, brüderlicher Zusammenarbeit und authentischer Solidarität aufzubauen.«

Der Sejmmarschall

Marek Kuchciński

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: www.sejm.gov.pl

Beschluss des Sejm der Republik Polen vom 11. Juli 2023 am 80. Jahrestag des Massakers von Wolhynien

Am 11. Juli 1943 fand der blutige Sonntag in Wolhynien statt, der Höhepunkt des Massakers von Wolhynien, eines Völkermords; geplant von den Anführern der Organisation der Ukrainischen Nationalisten (ukr. OUN) mit dem Ziel, die Polen in den südöstlichen Grenzgebieten, einem Teil von Polesien, der Lubliner Region und den Vorkarpaten zu vernichten. An diesem Tag griffen ukrainische Einheiten der OUN sowie der Ukrainischen Aufständischen Armee (ukr. UPA), mehrfach unterstützt von der ukrainischen Zivilbevölkerung, 99 Ortschaften auf dem Gebiet der damaligen, von Polen bewohnten Woiwodschaft Wolhynien an und ermordeten einen bedeutenden Anteil ihrer Einwohner. Seit dem Jahr 2016 begehen wir am 11. Juli den Nationalen Feiertag des Gedenkens an die Opfer des Völkermords, verübt durch ukrainische Nationalisten an Bürgern der Zweiten Republik Polen.

Nach den Plänen der Anführer der OUN sollten auf den Gebieten der Zweiten Republik, die gemeinsam von der polnischen und der ukrainischen Bevölkerung bewohnt wurden, die Polen ermordet oder eingeschüchtert und zur Flucht gezwungen werden. […] Während der Angriffe der Einheiten der OUN und UPA, die von einem Teil der lokalen ukrainischen Bevölkerung unterstützt wurden, wurden über 100.000 Polen ermordet, häufig auf sehr brutale Weise. Einige Tausend Personen flohen aus den damaligen polnischen Ostgebieten aus Angst, dass ihnen das gleiche Schicksal widerführe. Die Opfer des Völkermords waren v. a. die ländliche Bevölkerung, kinderreiche Familien, mehrheitlich Frauen, Kinder und alte Menschen. Begleitet wurde dies von Plünderungen, der Vernichtung aller Spuren des Polentums, der Zerstörung des kulturellen Erbes dieser Gebiete, insbesondere der Kirchen und anderer Kultorte. Die ukrainischen Nationalisten ermordeten auch Vertreter anderer Nationalitäten sowie eigene Landsleute.

Der Sejm der Republik Polen wünscht, aller Opfer des Massakers von Wolhynien zu gedenken. Besondere Anerkennung gebührt den Vertretern der ukrainischen Nation, die sich unter Einsatz ihres Lebens den von ihren Landsleuten begangenen Verbrechen entgegen stellten. Die polnisch-ukrainische Versöhnung, die seit Jahren von Vertretern beider Nationen betrieben wird, muss auch die Schuld anerkennen und an die Opfer der Jahre des Zweiten Weltkrieges erinnern. Grundlegende Bedeutung hat die Durchführung von Exhumierungen, die würdige Beisetzung und das Gedenken aller Opfer des Völkermords in den damaligen polnischen Ostgebieten. Heute, angesichts der brutalen Aggression Russlands gegen die Ukraine, da die ukrainische Nation selbst Verbrechen durch Angreifer erfährt, wird die Tatsache besonders deutlich und aktuell, dass Gewalt kein geeignetes Mittel ist, um die Beziehungen zwischen Nachbarn zu gestalten.

Der Sejm der Republik Polen dankt den Einwohnern der damaligen polnischen Ostgebiete und ihren Nachkommen sowie den Menschen guten Willens, die seit Jahrzehnten die Wahrheit fordern und sich von dem Wort leiten lassen »Nicht nach Rache, sondern nach Erinnerung rufen die Opfer«.

Am 80. Jahrestag des Massakers von Wolhynien, am Tag des Gedenkens der Opfer des ukrainischen Völkermords, ehrt der Sejm der Republik Polen die, die in diesem grausamen Verbrechen ermordet wurden.

Die Sejmmarschallin

Elżbieta Witek

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: www.sejm.gov.pl

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Analyse

Geschichte und Gegenwart in den polnisch-ukrainischen Beziehungen 1989–2023

Von Tomasz Stryjek, Joanna Konieczna-Sałamatin
In den letzten Jahrzehnten intensivierten sich die Kontakte zwischen Polen und Ukrainern, was sich auch auf die Beziehungen zwischen den beiden Staaten niederschlug. Die Ukrainer sahen in Polen zunächst v. a. den wirtschaftlichen Erfolg und ein Muster, wie man Staat und Wohlstand nach dem Kommunismus (wieder)aufbaut. In Polen rückten Kreise der politischen Rechten die gemeinsame Geschichte beider Länder in den Fokus, insbesondere die an der polnischen Zivilbevölkerung von ukrainischen Nationalisten verübten Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges. (…)
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Artikel

Der Umbau der polnischen Justiz

Von Marta Bucholc, Maciej Komornik
Die seit Ende 2015 in Polen amtierende nationalkonservative Regierungspartei PiS hat faktisch die Gewaltenteilung aufgehoben. Mit einer Welle neuer Gesetze hat sie erst das Verfassungsgericht ausgeschaltet und dann wider die Verfassung nahezu die gesamte Justiz unter die Kontrolle der Exekutive gestellt. Sie hat die Institutionen des Rechtsstaats diskreditiert, ihr nicht genehme Richter aller Instanzen und Gerichtszweige als Mitglieder eines post-kommunistischen Klüngels diffamiert und auf der Basis der neuen Gesetze die Unfolgsamen entlassen. Bei der Berufung der Nachfolger spielt die Regierungspartei erstmals seit 1989 wieder eine zentrale Rolle. Ganz im Sinne der Ideologie der PiS ist an die Stelle pluralistischer Machtverteilung ein starker Staat getreten, der vorgibt, im Namen des Volks zu handeln.
Zum Artikel auf zeitschrift-osteuropa.de

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