Polen vor dem Winter – die Schlacht im Energiesektor

Von Michał Olszewski (Krakau)

Zusammenfassung
Polen steht, wie der Rest Europas, vor einem harten Winter. Auf die drastischen Strom- und Heizkostenerhöhungen reagiert der Staat mit verschiedenen Instrumenten, die den Verbrauchern zugutekommen. Die hohen Preise resultieren aus dem Embargo auf russische Rohstoffe, vor allem Kohle, die ca. 65 Prozent des polnischen Energiemixes ausmacht. Ungeachtet vielerlei Kritikpunkte an der deutschen Energiepolitik durch die polnische Regierung, bezog Polen bisher bis zu 75 Prozent der Kohleimporte aus Russland. Staatliche Energieerzeuger melden dagegen Rekordeinnahmen aufgrund der hohen Gewinnspannen. Ein Problem stellen die in den letzten Jahren ausgebliebenen Investitionen im Energiesektor, vor allem die Vernachlässigung der erneuerbaren Energiequellen und der Austausch von ineffizienten Heizöfen. Die Stärkung des Kohleverbrauchs kann zwar die Angst vor kalten Wohnungen nehmen, trägt aber zur schlechten Luftqualität bei.

Noch vor nicht allzu langer Zeit waren die Strompreise in Polen niedrig. Im Herbst 2021 war der polnische Strommarkt sogar der drittgünstigste in Europa. Das Internetportal zu Energiethemen Wysokie Napięcie teilte mit, dass der Monatsdurchschnittspreis an der polnischen Strombörse etwas mehr als 100 Euro pro Megawattstunde (MWh) betrug. Billiger war es nur in Schweden und Finnland und teurer sogar in Norwegen, einem der Länder in Europa mit dem billigsten Strompreis. Interessant ist, dass der Warschauer Preis aber bereits doppelt so hoch war wie im Jahr 2020, als Polen einige Monate der teuerste Großhandelsmarkt in Europa war. Im Herbst 2021 drehte sich das Strompreiskarussell nach Belieben. Die Gründe waren vor allem:

  • die steigenden Preise für Gas, das in Westeuropa verstromt wird;
  • die steigenden Preise für CO2-Zertifikate (sie stiegen mehr als doppelt so hoch);
  • die immer größere Nachfrage nach Kohle, deren Preis gegenüber Gas konkurrenzfähig war.

Die Individualverbraucher in Polen haben damals allerdings nicht wahrgenommen, dass sich ein Szenario zu verwirklichen beginnt, vor dem unabhängige Energieexperten seit Jahren gewarnt haben. Sie wiesen darauf hin, dass die lange Jahre vernachlässigten Investitionen im Energiesektor und der fortwährend hohe Anteil von Stein- und Braunkohle im polnischen Energiemix (ca. 65 Prozent) früher oder später Probleme für Polen nach sich ziehen wird. Auch hat sich niemand um die Warnungen gekümmert, dass die niedrigen Preise für die CO2-Zertifikate schließlich einmal in die Höhe schießen müssen. Trotz der dramatischen Probleme, mit denen sich die Europäische Union konfrontiert sieht, blieb die ökologische Politik der EU unverändert und setzt weiter auf schnellstmögliche Dekarbonisierung. Doch anstatt Lösungen zu suchen, ziehen es die Politiker der seit 2015 Polen regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i SprawiedliwośćPiS) vor, die Verantwortung auf die EU zu schieben. Die Folgen fasst Maciej Bukowski, Vorsitzender des Thinktanks Wise Europe im Internetportal zu Energiefragen BiznesAlert einigermaßen bitter zusammen: »Die Mehrheit der polnischen Kraftwerke, die das polnische Stromnetz bedienen, sowie der Heizkraftwerke in den Städten ist schon so alt, dass sie an die Grenze zum technischen Verschleiß stoßen. Gleichzeitig geht der Investitionsprozess im Schneckentempo voran, denn er wird von der strategischen Ambivalenz und der operativen Ineffektivität des polnischen Staates erstickt. Anstatt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Energiepreise zu lenken und der Europäischen Union für diese die Schuld zu geben, sollten wir uns lieber eingestehen, dass die Preise infolge unserer eigenen Untätigkeit bei Investitionen einige Zeit höher liegen werden als früher und höher sein werden als in den Nachbarländern. Wir haben einen Großteil der Zeit für den Bau neuer, Nullemissions-Kraftwerke und die Wärmeisolierung von Gebäuden in großem Ausmaß verschlafen und die Einnahmen aus der Kohlesteuer (heute bereits über ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts) nicht für Investitionen in neue Heizkraftwerke oder den Ausbau erneuerbarer Energien genutzt, sondern für Transfers und Konsum.«

Die verzweifelte Suche nach Einsparmöglichkeiten

Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine (Februar 2022) drehte sich die vom Staat nicht kontrollierte Preisspirale immer schneller. Zu den hohen Preisen für Gas und CO2-Zertifikate kam ein dramatischer Preisanstieg für Kohle. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und das im Juni beschlossene Öl-Embargo der EU gegenüber Russland haben das Ganze nur noch ergänzt. Bereits im April 2022 warnte die NGO Polski Alarm Smogowy, dass der Preis für Kohle um über 100 Prozent im Jahresvergleich gestiegen ist. Seitdem hat sich die Situation noch verschlechtert, was in der Praxis dann so aussieht: Der Besitzer eines neuen Hauses mit einer Fläche von 150 m2, das mit einer Kohleheizung beheizt wird, braucht ca. sieben Tonnen Kohle für eine Heizperiode. Im Herbst 2021 bedeutete das Gesamtausgaben von ca. 10.000 Zloty. Im Herbst und Winter 2022 wird er ca. 22.000 Zloty ausgeben müssen. Eine noch größere Dynamik nehmen die Preissteigerungen bei Strom und Gas an, so dass die Verbraucher, sowohl die Individualverbraucher als auch die Kommunen, horrende Preiserhöhungen erwarten, die die Budgets ruinieren werden. So kommt es in Polen zu ungewöhnlichen Reaktionen: Besitzer von Einfamilienhäusern haben im Sommer einen Kredit für den Kauf von Heizmaterial aufgenommen und immer mehr Städte informieren über geplante Sparmaßnahmen. In den Schulen soll die Temperatur gedrosselt werden und im Falle eines harten Winters werden die Kinder wahrscheinlich zu Hause lernen; einige Kommunen kündigten an, dass sie die Straßenbeleuchtung wie in der Zeit der Corona-Pandemie reduzieren werden. Allein Krakau (Kraków) schätzt, dass die kosten für den Energieverbrauch im Jahr 2023 um 400 Mio. Zloty steigen werden.

Zweifellos nutzte die PiS den Krieg in der Ukraine umgehend dafür aus, um ihre ohnehin deutlich antideutsche Rhetorik zu verstärken. Endlich kam der ersehnte Augenblick, dass der westliche Nachbar an den Pranger gestellt und für alle Sünden verhöhnt werden konnte. Was hat das mit den Strompreisen zu tun? Die deutsche Energiepolitik diente als Vorwand. Natürlich ist diese zu einem Teil aus Sicht der polnischen Staatsräson nicht zu rechtfertigen. Der Krieg bestätigte nur, was polnische Experten und Politiker unabhängig vom politischen Lager seit vielen Jahren sagten: Die Gaspipeline Nord Stream 2 ist ein Instrument, um die Position Polens zu schwächen und die Russische Föderation zu stärken, und die Verlagerung des Gaslieferweges nach Deutschland vom Landweg auf die Nord Stream Pipelines dient allein diesem Zweck. Das ändert aber nichts daran, dass die Schelte und moralische Überheblichkeit von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der an den deutschen Partnern kein gutes Haar ließ, peinlich war. »Nicht nur Gas wird durch die Rohre von Nord Stream 2 fließen und nicht nur Gas fließt durch Nord Stream 1. Man muss aussprechen, dass durch diese Pipelines auch das Blut unschuldiger Menschen fließt«, sagte Morawiecki Anfang März, als er zum Embargo russischer Energieträger und zur Blockade der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 aufrief. Anschließend, als die Sanktionen in Kraft getreten waren, fügte er im Gespräch mit der Polnischen Presseagentur (PAP) hinzu: »Die russische Wirtschaft erhielt einen mächtigen Schlag, ungeheure Verluste. Aber man darf sich nicht täuschen lassen. Täglich wird diese Wirtschaft auch mit harter Währung aus dem Verkauf von Kohle und Gas gestärkt.«

Und hier liegt der Hund begraben. Die Daten des Statistischen Hauptamtes (Główny Urząd StatystycznyGUS), die das Ausmaß der Abhängigkeit des polnischen Energiemarktes von Russland zeigen, sind erbarmungslos: Allein im Jahr 2021 gab Polen für russisches Dieselöl 8,8 Mrd. Zloty aus, für russisches Rohöl 25 Mrd. Zloty, für russische Kohle 2,5 Mrd. Zloty und für russisches Erdgas, das über Pipelines transportiert wird, 2,2 Mrd. Zloty. Am wenigsten zahlten wir mit nur 0,6 Mrd. Zloty für LPG (Flüssiggas). Der Nachrichten-Website Business Insider zufolge kam ungefähr die Hälfte der Summen dem russischen Staatshaushalt zugute und ein Zehntel davon saugte die russische Armee auf. Derlei unbequeme Daten gibt es mehr. Zum Beispiel kommen 75 Prozent der nach Polen importierten Kohle eben aus Russland. Betrachtet man die Individualabnehmer, die Heizkraftwerke der Wohnsiedlungen und den kommunalen Sektor sehen die Statistiken noch eindeutiger aus: Bis zu 90 Prozent der importierten Kohle kommt aus Russland. Die russische Kohle, das ist unanfechtbar, hat eine gute Qualität und einen guten Heizwert und ist in der Förderung generell billiger als die polnische Kohle. Die Situation ist nun folgende, dass diesen Winter ca. fünf Millionen Tonnen Kohle in den polnischen Privathaushalten fehlen werden, die zuvor aus Russland eingeführt wurden.

Fassen wir zusammen: Allein im vergangenen Jahr gab der polnische Staatshaushalt für den Einkauf von Brennstoffen in Russland fast 40 Mrd. Zloty (8,5 Mrd. Euro) aus. Dem Thinktank Forum Energii zufolge gehörte Polen in den letzten Jahren zu dem Kreis von EU-Ländern, die vom Import von Brennstoffen am stärksten abhängig waren. Deren Löwenanteil kommt aus dem Osten. Aus der Perspektive der letzten zwanzig Jahre sehen die Daten noch erschreckender aus. »In den letzten Jahren erzielte Russland dank der Lieferverträge mit Polen 698 Mrd. Zloty für Öl und 36 Mrd. Zloty für Kohle – insgesamt mehr als 733 Mrd. Zloty, Gaslieferungen nicht inbegriffen«, schreiben die Experten von Forum Energii in ihrer aktuellen Analyse.

Demnach fließt also nicht nur nach Deutschland das »Blut unschuldiger Menschen«. Dank dieses Blutes war es auch in den polnischen Einfamilienhäusern warm und die Autos blieben nicht in der Garage. Von diesem Blut gäbe es in Polen deutlich weniger, wenn die PiS nicht die Entwicklung der Windenergie blockieren, die EU-Klimapolitik verzögern und kein generell tiefes Misstrauen gegenüber den erneuerbaren Energien hegen würde, die ebenfalls als feindliche Machenschaften Berlins gelten. Damit ich richtig verstanden werde: Mateusz Morawiecki hatte Recht, als er zum EU-Embargo auf die russischen Rohstoffe aufrief, auch wenn das für die polnische Gesellschaft eine sehr kostspielige Geste werden wird. Bei dieser Gelegenheit betrieb er allerdings eine peinliche und äußerst scheinheilige antideutsche Rhetorik. Das war ein fundamentaler Fehler: Anstatt zu rügen, sollte er lieber Ideen für die schnelle und schwierige Energietransformation suchen, damit die Rohstoffe aus Russland nicht die Basis der polnischen und europäischen Wirtschaft bleiben. Stattdessen trat die polnische Seite mit der seit einigen Jahren klassischen Botschaft hervor, dass an allem Deutschland schuld sei.

Kurz vor dem Winter

Die schwierige Lage der polnischen Verbraucher änderte das in keiner Weise. Die Energiesituation in Polen kurz vor dem Winter sieht folgendermaßen aus:

  • Die Strompreise an der polnischen Energiebörse (Towarowa Giełda Energii) erreichten im August 2022 350 Euro pro MWh, was eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr ist;
  • die Preise für die CO2-Zertifikate stiegen auf 100 Euro pro Tonne, was eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr ist;
  • die Preise für polnische Kohle verdoppelten sich ebenfalls im Vergleich zum Vorjahr.

Allein diese drei Faktoren (von der hohen Inflation ganz zu schweigen) ergeben für die polnische Ökonomie eine katastrophale Situation. Zu sagen, dass die Energierechnungen kometenartig steigen, gibt die Situation nicht einmal annähernd wieder. Einige Beispiele: Für die Jagiellonen-Universität in Krakau steigen die Stromrechnungen von 27 Mio. Zloty auf 181 Mio. Zloty, was die Liquidität einer der wichtigsten polnischen Hochschulen gefährdet. Die Kommunen schalten in großem Stil die Straßenbeleuchtung ab oder reduzieren sie zumindest drastisch. In der südpolnischen Gemeinde Nowy Targ beschlossen die lokalen Behörden, nachdem die Stromrechnungen um das Siebenfache gestiegen waren, nicht mehr im gesamten Gebiet die Nachtbeleuchtung anzuschalten. In der südostpolnischen Kleinstadt Krosno wird es nach Mitternacht auf den Straßen vollkommen dunkel. Mehrfach höhere Rechnungen erhalten Krankenhäuser, Unternehmen, kommunale Betriebe und Bildungseinrichtungen. Angebote für Stromlieferungen sind drastisch: Beispielsweise hat in Posen (Poznań) nur ein Lieferant ein Angebot gemacht und dies lag um 370 Prozent höher als aktuell. In Allenstein (Olsztyn) setzt ein Anbieter 2.800 Zloty für eine Megawattstunde an – zurzeit zahlt die Stadt 437 Zloty/MWh, was bedeutet, dass sie im kommenden Jahr ihre Stromausgaben auf 41 Mio. Zloty erhöhen muss. »Die Gesamtgebühr für Energie soll im kommenden Jahr knapp 950 Mio. Zloty betragen. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2022 und dreimal so viel (!!!) wie 2021«, gab der Stadtpräsident von Warschau, Rafał Trzaskowski, in den sozialen Medien bekannt.

Der Anstieg der Stromrechnungen trifft auch die Landwirte, insbesondere diejenigen in Wirtschaftsbereichen mit hohem Stromverbrauch. Ein Bauer berichtete in der Landwirtschaftszeitung Tygodnik Rolniczy von den neuen Rechnungen. Bisher zahlte er 23 Groszy für eine Kilowattstunde, die Jahressumme betrug durchschnittlich 7.500 Zloty. »Ich hatte mit dem Stromlieferanten einen Dreijahresvertrag über einen Festpreis unterzeichnet. Dieses Jahr läuft der Vertrag aus. Soweit ich weiß, soll sich der Strom ab dem 1. Januar sogar auf 2,3 Zloty pro Kilowattstunde verteuern. Das heißt, ich müsste dann im Jahr 75.000 Zloty für Strom bezahlen. Das sind Wucherpreise. Zum Glück konnte ich vor anderthalb Jahren eine Photovoltaikanlage installieren. Allerdings deckt sie meinen Strombedarf leider nicht ganz, ich muss also trotzdem viel für Energie zahlen«, erzählte er den Journalisten. All das zeichnet ein düsteres, um nicht zu sagen verzweifeltes Bild.

Zuzahlungen gegen Gewinnspannen

Welches Rezept gibt es bei Preiserhöhungen? Die polnische Regierung macht sich – wie andere Regierungen in Europa auch – ernsthafte Sorgen, dass gesellschaftliche Proteste ausbrechen können. Die eindringliche Warnung von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass deutlich höhere Rechnungen »sozialer Sprengstoff« für Deutschland sind, wurde auch in Warschau gehört. Das Rezept werden also schnelle und an den Symptomen orientierte Maßnahmen in Form eines komplizierten Systems von Hilfeleistungen für die Verbraucher sein. Polen stellt hier keine Ausnahme dar, ähnliche Aktivitäten unternehmen auch andere Länder. Zum Beispiel reduzierte Italien die Steuer auf Benzin, Diesel sowie Gas und auch die Stromkosten für Privathaushalte und kleinere Unternehmen werden niedriger gehalten. Ähnliche Lösungen führten auch Frankreich und Deutschland ein. In Polen warnte das Amt für die Regulierung des Energiemarktes (Urząd Regulacji Energetyki URE), dass die Strompreise für die Verbraucher im Jahr 2022 um 180 Prozent steigen können. Die Tageszeitung Gazeta Wyborcza rechnete aus, dass bereits im August 2022 der Preis an der Börse um 290 Prozent höher lag als derjenige, den die Verbraucher zahlen. Die Gaspreise für die Individualverbraucher stiegen im Jahresvergleich um fast 100 Prozent und sind dabei sogar deutlich abgesenkt gegenüber den Marktpreisen. Die Differenz deckt die Regierung, die an die Anbieter Ausgleichszahlungen abführt. Die Strompreise stiegen in diesem Jahr um 37 Prozent und werden zurzeit auf einen Zloty pro Kilowattstunde gedrückt. Unternehmen, Bäckereien, Geschäfte und Dienstleistungen zahlen dagegen den Marktpreis, also 1,4 Zloty pro kWh. Vor einem Jahr lag er bei knapp einem Zloty.

Was also ist das Heilmittel? Die Liste der Zuzahlungen, Ausgleichszahlungen, Ausnahmen und Erleichterungen ist sehr kompliziert. Sie lässt sich folgendermaßen systematisieren:

  1. Die Kohlezulage ist eine einmalige Zahlung in Höhe von 3.000 Zloty, die den Preisanstieg bei Kohle kompensieren und die ärmsten Bürger vor Energiearmut schützen soll.
  2. Im Rahmen des sog. Solidaritätsschutzschildes friert die Regierung die Strompreise ein und führt drei Grenzwerte für den Verbrauch ein:
  • Verbrauch bis zu 2.000 kWh jährlich (niedrige Stufe),
  • Verbrauch bis zu 2.600 kWh jährlich im Falle von Haushalten, in denen Menschen mit Behinderung leben (höhere Stufe),
  • Verbrauch bis zu 3.000 kWh jährlich (höchste Stufe) für Landwirte und kinderreiche Haushalte (Inhaber des »Ausweises großer Familien«, inbegriffen sind Senioren, die den Ausweis besitzen und mindestens drei Kinder aufgezogen haben).

Personen, die die genannten Stufen nicht überschreiten, können davon ausgehen, dass der Strompreis auf dem Niveau des Jahres 2022 beibehalten wird. Wird mehr Strom verbraucht, richtet sich der Preis nach den neuen Sätzen des Jahres 2023. Welche Sätze sind dies? Im Jahr 2023 kann der Vorstand des URE Tariferhöhungen von bis zu 180 Prozent akzeptieren, wobei manche Prognosen sogar 300 Prozent für die Privathaushalte in Aussicht stellen. Der höhere Preis für eine Kilowattstunde soll für den Verbrauch über dem gesetzten Limit gelten. Das heißt, wenn jemand keinen »Ausweis großer Familien« (dieser berechtigt ein Paar mit mindestens drei Kindern, Ermäßigungen zu erhalten) und kein Familienmitglied mit Behinderung hat und beispielsweise 3.000 kWh Strom im Jahr verbraucht (also mit 1.000 kWh über der niedrigen Stufe von 2.000 kWh liegt), dann gilt der höhere Preis ausschließlich für die 1.000 kWh über dem Grenzwert und die Kosten für den Verbrauch der 2.000 kWh in dieser Rechnung werden vom festgelegten Preis bestimmt. Doch auch diejenigen, deren Stromverbrauch innerhalb des Rahmens von 2.000 kWh liegt, werden Kostenerhöhungen nicht entgehen, zum Beispiel höheren Netzgebühren und dem Wiederhochfahren der Mehrwertsteuer im kommenden Jahr auf die ursprünglichen 23 Prozent.

Experten zufolge kann bei Überschreitung des Grenzwertes, Erhöhung der Kosten für den tatsächlichen Stromverbrauch, Kostensteigerungen für die Bereitstellung, Wiedereinführung der ursprünglichen Mehrwertsteuer u.ä. ein Privathaushalt mit Mehrkosten in Höhe von 28 Prozent bei einem Jahresstromverbrauch von 2.600 kWh und in Höhe von 19 Prozent bei einem Jahresverbrauch von 5.000 kWh rechnen.

Für Privathaushalte, deren Hauptwärmequelle eine Wärmepumpe oder Elektroheizung ist, plante die Regierung eine zusätzliche Hilfe. Die Zuzahlung für Strom im Jahr 2022 ist eine Einmalzahlung, die bar ausgezahlt oder überwiesen wird. Das Gesetz sieht zwei Stufen vor:

  • 1.000 Zloty erhalten Privathaushalte, deren Stromverbrauch im Jahr 2021 bis zu fünf Megawattstunden beträgt und ich im normalen Rahmen bewegt;
  • 1.500 Zloty, wenn der Stromverbrauch fünf Megawattstunden übersteigt.

3. Vorgesehen sind außerdem Zuzahlungen für andere Wärmequellen: Holzpellets und andere Arten Biomasse – 3.000 Zloty, Heizöl – 2.000 Zloty, Brennholz – 1.000 Zloty, LPG (Flüssiggas) – 500 Zloty.

An den Versuchen der Regierung, die Energiepreise in Schach zu halten und die Folgen von Kostenerhöhungen abzumildern, ist nichts Schlechtes und sie stellen auch nichts Außergewöhnliches dar. Vor dem Hintergrund des andauernden Krieges in der Ukraine und der Dynamik des Energiemarktes geht von den Maßnahmen auch eine besänftigende Wirkung aus, um sozialen Unruhen entgegenzuwirken, was auch Bundeskanzler Scholz im Blick hatte. In Polen lässt sich aber eine interessante Besonderheit feststellen: Die Bürger zahlen immer mehr, aber gleichzeitig verdienen auch die staatlichen Energiekonzerne immer mehr. Im ersten Quartal 2022 vergrößerte der größte polnische Energiekonzern, Polska Grupa Energetyczna (PGE), seine Einnahmen um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, ein anderer staatlicher Gigant, Enea, um 43 Prozent und Tauron sogar um mehr als 50 Prozent.

Wie ist das möglich? Es lohnt sich hier, die Lage am Braunkohlemarkt zu betrachten, wo die Kosten für den Kohleabbau relativ niedrig sind. Im Mai 2022, als die Strompreise für 2023 mit ca. 300 Euro pro MWh durch die Decke gingen (die Energielieferverträge werden mit großem Vorlauf geschlossen), betrug die Gewinnspanne der Energiekonzerne (nach Abzug der Kosten für den Kauf von Emissionszertifikaten ca. 60 Prozent des Preises. Ähnlich ist die Situation am Steinkohlemarkt. Aus diesem Grund informierte im Oktober 2022 Energy Solutions, ein Consultingunternehmen am Gas- und Strommarkt, das Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz (Urząd Ochrony Konkurencji i KonsumentówUOKiK) über den Verdacht wettbewerbsverzerrender Praktiken zweier staatlicher Konzerne – PGE und Enea. Energy Solutions appellierte noch im August erfolglos an die Regierung und die Aufsichtsbehörden, die ihrer Meinung nach überdurchschnittlich hohen Gewinnspannen der Energiekonzerne aufzuklären und Maßnahmen einzuführen, die solche Praktiken unterbinden. Einer der Konzerne erklärte, dass die immer höheren Strompreise nicht den Durchschnittspreis für Kohle und die Kosten für die CO2-Zertifikate widerspiegeln. Mit anderen Worten, handelte es sich hier um die Frage nach einer realen Höhe des Strompreises. Da die Regierung keine Reaktion zeigte, unternahm Energy Solutions formale Schritte und wandte sich an das Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz. Eine Antwort steht bis heute aus. Nur soviel ist bekannt, dass die Energiekonzerne die Fragen von Energy Solutions als Teil des hybriden Krieges, den Russland gegen Polen führt, betrachten.

Falls der Verdacht von Energy Solutions jedoch zumindest teilweise berechtigt ist, erhält man folgendes Bild des polnischen Energiemarktes und des politischen Denkens in Bezug auf die Energiekrise: Die staatlichen Konzerne treiben die Preise hoch, was für den Staatshaushalt mehr Geld bedeutet. Gleichzeitig fließt aus den Staatskassen ein breiter Geldstrom in Form von Zuzahlungen, Beihilfen und Schutzschilden. Allein die Kohlezuzahlung bedeutet für den Staat Ausgaben in Höhe von mindestens zwölf Milliarden Zloty (2,7 Mrd. Euro). Hinzu kommt, dass die Regierung beim Kampf gegen die Energiekrise schlechte Praktiken im Bereich des Heizens aufrecht erhält und das mit großen Anstrengungen aufgebaute Programm zur Bekämpfung von Smog zerstört. Vorläufigen Daten zufolge, erhalten die Kohlezuzahlung mindestens drei Millionen Haushalte mit Kohleheizung. Zum größten Teil handelt es sich um minderwertige Öfen, die für die sehr schlechte Luftqualität in Polen verantwortlich sind und schnellstmöglich außer Betreib gesetzt werden sollten. Ein Zeichen zum Rückzug gaben Kommunalpolitiker der PiS, die das Inkraftreten des Antismog-Gesetzes der Woiwodschaft Kleinpolen (województwo małopolskie) verzögerten – das erste Gesetz dieser Art in diesem Teil Europas. Die im Januar 2017 verabschiedeten Vorschriften legten fest, dass es ab Anfang 2023 verboten ist, minderwertige Kohleöfen zu nutzen. In den Folgejahren sollten zunehmend strengere Qualitätsanforderungen für Öfen gelten. Die Bürger sollten so animiert werden, ihre minderwertigen Öfen, von denen in Kleinpolen immer noch 119.000 rauchen, gegen moderne Öfen auszutauschen, in die man nicht beliebige Brennstoffe oder Abfälle werfen kann. Kleinpolen ist die erste Woiwodschaft, die solche Vorschriften verabschiedet hat, was von allen anderen Regionen nachgeahmt wurde. Allerdings hat Kleinpolen nun den Krieg und die Unsicherheit in der Weise genutzt, dass es die Möglichkeit, minderwertige Öfen zu betreiben, bis Mitte 2024 ausweitet, so dass die Einwohner der Region weiter mit vergifteter Luft konfrontiert sind.

Das Gespenst der kalten Wohnungen

Die Polen erwartet ein sehr schwieriger Winter. Natürlich müssen die Relationen gewahrt bleiben – es darf die Ukraine nicht aus dem Blick verloren werden, die sich infolge der brutalen Angriffe der Russischen Föderation in eine Eislandschaft verwandeln kann. Wenn allerdings die politische Klasse in Polen ihre Energie nicht bei der Suche nach einem Feind und der Aufrechterhaltung des Kohle-Status quo vergeuden und ihre Zeit stärker für die notwendige Energietransformation einsetzen würde, wäre das Gespenst der eiskalten Heizungen und höllischen Energiepreise nicht ganz so erschreckend.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Zum Weiterlesen

Analyse

Klimawandel oder Zwischenhoch? Die neue Sachlichkeit in den polnisch-russischen Beziehungen

Von Kai-Olaf Lang
Polens Beziehungen zu Russland haben sich in jüngster Vergangenheit spürbar verbessert. Das traditionell belastete Verhältnis zwischen beiden Ländern scheint sich im Geist einer neuen Kooperationsbereitschaft zu entwickeln. Die Tragödie von Smolensk hat den polnisch-russischen Beziehungen nochmals einen positiven Schub verliehen: Die Empathie der russischen Öffentlichkeit und wichtige Gesten seitens der russischen Führung haben Polen zumindest kurzfristig ein neues, menschlich-emotionales Gesicht Russlands gezeigt. Trotz eines neuen Pragmatismus im Umgang miteinander und einer ungewohnten Offenheit gerade bei historisch fundierten Streitfragen ist es aber noch zu früh, von einem Wendepunkt in den polnisch-russischen Beziehungen zu sprechen: Querelen über sicherheitspolitische Themen oder energiepolitische Konflikte können über kurz oder lang zurückkehren.
Zum Artikel
Analyse

Polens Linke und alternative Milieus: Ansätze für ein Revirement der polnischen Sozialdemokraten?

Von Stefan Garsztecki
Polens Linke hatte es in den vergangenen Jahren schwer. Nach der Ablösung der von der Demokratischen Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD), der Nachfolgepartei der polnischen Kommunisten, geführten Regierung von Marek Belka waren Polens Linke jahrelang fast in der Bedeutungslosigkeit versunken. Der an Korruptionsaffären und internen Streitigkeiten fast zerbrochenen Partei, von der sich ein Erneuerungsflügel um Marek Borowski im Jahr 2004 abspaltete und mit Mitgliedern der Arbeitsunion (Unia Pracy – UP) die Polnische Sozialdemokratie (Socjaldemokracja Polska – SdPl) gründete, ohne bei Wahlen nennenswerte Erfolge erzielen zu können, gelang es erst im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen im Juni 2010 mit ihrem Kandidaten und Parteivorsitzenden Grzegorz Napieralski, der überraschend 13,7 % der Stimmen erzielte, wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Allerdings schien dieser Wahlerfolg eher durch die Wahlentscheidung solcher Menschen verursacht worden zu sein, die sich vom verbreiteten Pathos und den religiösen Gefühlen in Teilen der Bevölkerung nach der Flugzeugkatastrophe von Smolensk nicht mehr repräsentiert sahen. Das klare Bekenntnis von Napieralski zum säkularen Staat schien hier genau zu passen. (…)
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS