Offener Brief an die Behörden der Republik Polen und an die Parteichefs der politischen Gruppierungen, verfasst als Reaktion auf den Gesetzesentwurf zur Besteuerung von Werbeeinnahmen

Wir beziehen uns auf die angekündigte neue, zusätzliche Belastung der auf dem polnischen Markt tätigen Medien, die irreführend als »Abgabe« bezeichnet wird und unter dem Vorwand von Covid-19 eingeführt werden soll. Es handelt sich hierbei um nichts anderes als eine Zwangsabgabe, die den polnischen Zuschauer, Hörer, Leser und Internetnutzer sowie die polnischen Produktionen, Kultur, Unterhaltung, Sport und Medien trifft.

Ihre Einführung bedeutet:

eine Schwächung oder gar Liquidierung eines Teils der in Polen tätigen Medien, was die Möglichkeit der Gesellschaft hinsichtlich der Auswahl der für sie interessanten Inhalte erheblich einschränken wird,die Einschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten hochwertiger und in Polen generierter Inhalte. Deren Produktion sichert derzeit den Lebensunterhalt von Hunderttausenden von Mitarbeitern und deren Familien und ermöglicht der Mehrheit der Polen einen weitgehend kostenlosen Zugang zu Informationen, Unterhaltung und Sportveranstaltungen,eine Vertiefung der Ungleichbehandlung der auf dem polnischen Medienmarkt tätigen Akteure. In einer Situation, in der die staatlichen Medien jedes Jahr 2 Mrd. Zloty aus den Taschen aller Polen erhalten, werden die privaten Medien mit einer zusätzlichen Zwangsabgabe von 1 Mrd. Zloty belastet,die faktische Bevorzugung von Unternehmen, die nicht in das Entstehen von in Polen generierten Medieninhalten investieren, zu Lasten derjenigen Unternehmen, die am meisten in Polen investieren. Schätzungen zufolge werden die von der Regierung als »globale digitale Giganten« bezeichneten Unternehmen nur etwa 50–100 Mio. Zloty Zwangsabgaben zahlen, im Vergleich zu 800 Mio. Zloty, die von anderen vor Ort in Polen tätigen Medien gezahlt werden.

Skandalös ist auch die asymmetrische und selektive Belastung einzelner Unternehmen. Darüber hinaus ist der Versuch einer Änderung der Konzessionsbedingungen während ihrer Gültigkeitsdauer in einem Rechtsstaat unzulässig.

Als Medien, die seit vielen Jahren in Polen tätig sind, entziehen wir uns nicht unseren Pflichten und unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Jedes Jahr zahlen wir eine zunehmende Anzahl von Steuern, Abgaben und Gebühren an den Staatshaushalt (CIT, Mehrwertsteuer, Emissionsgebühren, Abgaben an die Urheberrechtsorganisationen, Konzessionen, Frequenzen, Buchungsentscheidungen, VoD-Gebühren usw.). Darüber hinaus unterstützen wir die schwächsten Gruppen in unserer Gesellschaft mit unserer eigenen karitativen Arbeit. Wir unterstützen die Polen wie auch die Regierung im Kampf gegen die Epidemie, sowohl durch die Vermittlung von Informationen als auch durch die Bereitstellung von Ressourcen im Wert von Hunderten Millionen Zloty.

Wir lehnen es daher entschieden ab, die Epidemie als Vorwand zu benutzen, um eine weitere, neue, außerordentlich schwere Belastung der Medien einzuführen – eine dauerhafte Belastung, welche die Covid-19-Epidemie überdauern wird.

Unterzeichner des Briefes

Agencja Wydawnicza AGARD Ryszard Pajura

Agora S.A.

AMS S.A.

Bonnier Business

Burda Media Polska

CANAL+

Dziennik Trybuna

Dziennik Wschodni

Edipresse Polska

Eleven Sports Network sp. z o.o.

Gazeta Radomszczańska

Green Content sp. z o.o.

Gremi Media S.A.

Grupa Eurozet

Grupa Interia.pl sp. z. o.o.

Grupa Radiowa Agory sp. z o.o.

Grupa RMF

Grupa ZPR

Helios S.A.

Infor Biznes

Kino Polska TV S.A.

Lemon Records sp. z o.o.

Marshal Academy

Music TV sp. z o.o.

Muzo.fm sp.z o.o.

NaTemat.pl

Polityka

Polska Press Grupa

Ringier Axel Springer Polska

STAVKA sp. z o.o.

Superstacja sp. z o.o.

Telewizja Polsat sp. z o.o.

Telewizja Puls sp. z o.o.

TIME S.A.

TV Spektrum sp. z o.o.

TVN S.A.

Tygodnik Powiatu Wołowskiego Kurier Gmin

Tygodnik Powszechny

Wydawnictwo Bauer

Wydawnictwo Dominika Księskiego Wulkan

Wydawnictwo Magraf

Wydawnictwo Nowiny

Zakopiańskie Towarzystwo Gospodarcze – Tygodnik Podhalański

Übersetzung aus dem Polnischen: Nathalie Waxin

Quelle: https://www.rp.pl/Spoleczenstwo/210209343-List-otwarty-do-wladz-Rzeczypospolitej-Polskiej-i-liderow-ugrupowan-politycznych.html (abgerufen am 15.02.2021).

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Analyse

Der polnische Fernseh- und Radiomarkt

Von Agnieszka Łada
Seit der Regierungsübernahme durch die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) wird das öffentliche Fernsehen in Polen als Sprachrohr der Regierung wahrgenommen. Gleichzeitig geht seine Zuschauerquote zurück und die privaten Fernsehsender erzielen in Umfragen höhere Beliebtheitswerte. Auch die Sender des öffentlichen Rundfunks verlieren Zuhörer. Relativ neu am Medienmarkt sind Internetradiosender, die von bekannten und geschätzten Radiojournalisten initiiert und geleitet werden. Die Regierung wiederum unternimmt einen weiteren Versuch, den Medienmarkt zu beeinflussen, und schlägt eine »Werbesteuer« vor. (…)
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Analyse

Der Pressemarkt in Polen 2020/21: Zahlen, Strukturen, Veränderungen

Von Agnieszka Łada
Die Meldung über eine mögliche Übernahme der Verlagsgruppe Polska Press durch den Mineralölkonzern und Tankstellenbetreiber Orlen erschütterte im Dezember 2020 die polnische Medienlandschaft – nicht zuletzt, weil Polska Press 20 von 24 polnischen Regionalzeitungen und 120 Zeitschriften herausgibt. Es war nicht die erste beunruhigende Nachricht in den vergangenen Jahren. Nach Personalveränderungen im öffentlichen Fernsehen und manchen Sendern des Polnischen Radio infolge der Regierungsübernahme durch die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) im Jahr 2015 wandelten sich die öffentlichen Medien eindeutig zum Sprachrohr der Regierung. In der Medienszene verfestigte sich die bereits seit Jahren bestehende Polarisierung, die sowohl Printmedien und Sendeanstalten als auch die Rezipienten ihren politischen Ansichten entsprechend trennt. Der Medienpluralismus existiert nach wie vor, aber er ist zunehmend gefährdet. (…)
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