Auszug aus dem Programm der PiS 2019

[…]

In der Praxis musste diese Ordnung nach etwas anderen Regeln verwirklicht werden, in Anbetracht der Notwendigkeit, die dauerhafte Unterstützung der Gesellschaft und, damit einhergehend, die Stabilität der unentwegt attackierten Regierung zu erlangen, und in Anbetracht der engen Verbindung zwischen den einzelnen Schritten in den verschiedenen Bereichen, dazu gehört auch die evidente Verbindung zwischen der Politik der Entwicklung und der Erneuerung des Staates auf der einen Seite und dem Anstieg der Kaufkraft bei den bisher von den Regierungen nicht wahrgenommenen gesellschaftlichen Gruppen auf der anderen Seite. Die Notwendigkeit, ein möglichst schnelles Wirtschaftswachstum als Absicherung für die zunehmenden Sozialleistungen zu garantieren, und die Notwendigkeit, die öffentlichen Finanzen zu verbessern, um die unentbehrlichen Einkünfte für den Haushalt zu erhalten, waren ebenfalls offensichtlich. Im Ergebnis fanden sich im Zentrum der Politik von Recht und Gerechtigkeit [Prawo i Sprawiedliwość – PiS] und der Vereinigten Rechten [Zjednoczona Prawica] soziale Vorhaben und in den Hintergrund rückten der gesellschaftlichen Wahrnehmung nach andere sehr wichtige und schwierige Tätigkeiten, die unabdingbar sind, um die Politik der Umverteilung zu beginnen und fortzuführen und die positiven Veränderungen zu vertiefen.

Unter den Bedingungen der Demokratie und insbesondere in der Situation, in der die Opposition das deutliche Übergewicht in der Mehrheit der Medien hat, ist der Mechanismus der Konzentration der öffentlichen Meinung ebenfalls in ihrer Hand. In den Jahren 2015 bis 2019 wurde der Schwerpunkt auf die Probleme der Erneuerung des Staates gelegt, insbesondere der Justiz. In der Konstruktion des Systems, die in der Verfassung von 1997 und auch in anderen Akten angenommen wurde, wurde die Kognition der Gerichte sehr weit ausgebaut und umfasst heute Angelegenheiten, die keinen Bezug zu den Rechten der Bürger haben, sowie auch solche, die mit dem sehr weiten Feld der Tätigkeiten des Staates, auch im wirtschaftlichen Bereich, verknüpft sind. Die Praxis der polnischen Justiz nach 1989, hierbei in sehr großem Maße von der Rechtswissenschaft unterstützt, führte dazu, dass Entscheidungen sehr häufig auf Grundlage subjektiver Bewertungen getroffen werden konnten. Es besteht auch kein Zweifel, dass die Justiz, in der nach 1989 nur oberflächliche Änderungen durchgeführt wurden, ein sehr bedeutendes, vielleicht geradezu das grundlegende – insbesondere nach dem Jahr 2000 – Fundament des postkommunistischen Systems und des Systems des späten Postkommunismus geworden ist. Das bedeutete den wiederholten Schutz von Missständen und Mechanismen, die gegen Entwicklung gerichtet waren, und manches Mal sogar schlicht den Schutz der Welt des Verbrechens. Ein besonders wichtiges Symptom, das sich auf das Interesse großer gesellschaftlicher Gruppen bezieht, war und ist die Trägheit der Gerichte, die sich u. a. auf ausgebaute Verlangsamungsmechanismen und manchmal auch auf die vollständige Blockade der Justiz stützt. Charakteristisch sind auch die Verwicklungen einzelner Richter und manchmal auch größerer Gruppen im Zusammenhang mit verschiedenen lokal und auch breiter tätigen Interessengruppen sowie auch mit der vollziehenden Gewalt auf den verschiedenen Ebenen.

[…]

Fettdruck im Original.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Quelle: 2019 Program Prawa i Sprawiedliwości. Polski model państwa dobrobytu [2019 Programm von Recht und Gerechtigkeit. Das polnische Modell des Wohlfahrtsstaates]. S. 35 f. http://pis.org.pl/document/archive/download/1495 (abgerufen am 13.12.2019).

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Analyse

Die Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Justiz in Polen

Von Marta Bucholc, Maciej Komornik
Seit die national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) im Jahr 2015 in Polen die Regierungsverantwortung übernommen hat, ist die Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen von verstärktem Interesses für die internationale öffentliche Meinung. Die Krise, die infolge des Konfliktes zwischen der Regierung und dem Verfassungstribunal hervorgerufen wurde und die gleich nach den Parlamentswahlen im Herbst 2015 einsetzte, erwies sich dabei nur als erster Akt in diesem Drama. In ihrer ersten Regierungsperiode hat die PiS, die in beiden Parlamentskammern (Sejm und Senat) die Mehrheit sowie die Unterstützung des von ihr nominierten Präsidenten hatte, ab 2017 mit einer sogenannten Justizreform begonnen, deren beabsichtigte Folge eine weit reichende Unterordnung der Judikative unter die Exekutive war. Diese Aktivitäten mit dem Ziel, die richterliche Unabhängigkeit einzuschränken, werden auch nach den Parlamentswahlen 2019 fortgesetzt, bei denen die PiS erneut die absolute Mehrheit im Sejm erhielt, allerdings die Mehrheit im Senat verlor. Trotz Protesten im Land und Maßnahmen von Seiten der Europäischen Union gibt es weitere Signale, dass sich die Lage der Rechtsstaatlichkeit in Polen systematisch verschlechtert. (…)
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