Eskalation des Konfliktes in der Ostukraine

Im Laufe des Sommers haben sich die Kampfhandlungen im Osten der Ukraine intensiviert. Die Waffenstillstandsverstöße und die Zahl der Verletzten und Toten nahmen Ausmaße an wie zuletzt im Sommer 2015. Der im Rahmen der Minsker Abkommen im September 2014 ausgehandelte und im Februar 2015 erneuerte Waffenstillstand bleibt also brüchig.

Die Arbeit der OSZE-Sonderbeobachtermission, die den Waffenstillstand überwachen soll, wird immer wieder behindert. Ihr wird der Zugang zu bestimmten Gebieten verwehrt, Treffen werden abgelehnt und Beobachter angegriffen.

Die permanenten Waffenstillstandsverstöße blockieren den gesamten Friedensprozess. So knüpft der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zum Beispiel die Umsetzung der in Minsk vereinbarten Dezentralisierung der Ukraine an die Einhaltung des Waffenstillstands. In der zweiten Augusthälfte spiegelte sich die Zuspitzung der Lage auch in Äußerungen Poroschenkos wider: Gegenüber einer Armeeeinheit in Lwiw verkündete er, dass eine russische Invasion nicht auszuschließen sei und die Ukraine imstande sei militärisch zu reagieren.

Nach wie vor beteiligt sich die internationale Diplomatie an der Suche nach einer Lösung des Konflikts. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte seinem deutschen Amtskollegen Steinmeier am 15. August 2016. zu, er wolle die Separatisten der »Volksrepubliken« von Donezk und Luhansk zur Kooperation im Sinne des Minsker Abkommens bewegen. Wenig später sagte er jedoch seine Teilnahme am Treffen der OSZE-Außenminister in Potsdam ab, wodurch es nicht zum geplanten informellen Treffen der Außenminister der am Minsker Prozess beteiligten Staaten kam.

Ende August einigten sich die Konfliktparteien auf eine Erneuerung des Waffenstillstands ab dem 1. September, zum Beginn des neuen Schuljahres. Es kam zwar zu einem Rückgang der Kampfhandlungen, nicht jedoch zu einer tatsächlichen Feuerpause. Im Rahmen einer Ukrainereise Steinmeiers und des französischen Außenministers Jean-Marc Ayrault wurde Mitte September erneut, zunächst für eine Woche, ein Waffenstillstand ausgehandelt. Zum ersten Mal seit Monaten einigten sich die Konfliktparteien auch auf einen Gefangenenaustausch.

Die folgende Dokumentation gibt einen Überblick über die Eskalation des Konfliktes im Laufe des Sommers 2016.

Tabea Pottiez

Ausmaß der Kampfhandlungen
Auszüge aus dem Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte zur Lage der Menschenrechte in der Ukraine (Berichtszeitraum 16. Mai bis 15. August 2016)

“The military conduct of both Government forces and armed groups in recent months precipitated an escalation in hostilities in June and July, endangering civilians.”

“OHCHR has observed a notable increase in damage to critical civilian infrastructure, often with cross-line implications.”

“In some cases, Government forces and armed groups have used educational and health facilities for military purposes.”

“In total, from mid-April 2014 to 15 August 2016, OHCHR recorded 31,814 casualties in the conflict area in Donetsk and Luhansk regions in eastern Ukraine, among Ukrainian armed forces, civilians and members of the armed groups. This includes 9,578 people killed and 22,236 injured.”

“The number of civilians who died as a result of the secondary effects of violence, such as lack of access to food, water or medicine, is unknown.”

“The escalation in hostilities and drastic increase in civilian casualties between 16 May and 15 August demonstrates the urgent need for Government forces and armed groups to recognize and act to prevent harm to civilians.”

Quelle: <http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Ukraine15thReport.pdf>

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Analyse

Die Referenden in Donezk und Luhansk

Von Heiko Pleines
Am 11. Mai 2014 haben die selbst-erklärten Volksrepubliken in Donezk und Luhansk Referenden über ihre Unabhängigkeit abgehalten. Der vorliegende Text erläutert die verschiedenen Kritikpunkte an den Referenden, die sich auf Völkerrecht und demokratische Standards beziehen, und gibt eine kurze Einschätzung der Lage.
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Analyse

Föderalisierung versus Bosnisierung – Russlands Ukraine-Strategie

Von Stefan Meister
Russlands Provokationen in der Ostukraine und die Präsenz russischer Truppen an der östlichen Grenze der Ukraine zielen darauf, die ukrainische Übergangsregierung zu destabilisieren, die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai zu verhindern und die eigene Verhandlungsposition über den zukünftigen Status der Ukraine gegenüber der EU und den Vereinigten Staaten zu verbessern. Dabei ist das vorrangige Ziel Russlands nicht die Annexion des Ostens der Ukraine, sondern die EU und die USA dazu zu bringen, die begrenzte Souveränität der Ukraine als Teil der russischen Einflusssphäre anzuerkennen. Die Ostukraine zu annektieren, wäre für Russland mit hohen wirtschaftlichen und politischen Kosten verbunden, jeder Versuch, weiteres ukrainisches Territorium zu kontrollieren, würde zu Widerstand in der ukrainischen Gesellschaft führen und die Bereitschaft der EU-Mitgliedsstaaten erhöhen, härtere ökonomische Sanktionen gegen Russland zu erlassen. Für die russische Führung gibt es letztlich nur zwei Optionen für die Zukunft der Ukraine: Föderalisierung oder Bosnisierung. (…)
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