Die Konsolidierung der Macht unter dem zweiten Präsidenten Turkmenistans

Von Tatia Chikhladze (Bremen)

Zusammenfassung
Dieser kurze Kommentar behandelt die Entwicklungen unmittelbar nach dem Tod Saparmurat Nijasows und umreißt kurz, von wem und unter welchen Umständen sein Nachfolger gewählt wurde und wie es Gurbanguly Berdymuchammedow nach seiner Amtseinführung als Präsident Turkmenistans gelang, seine Macht zu konsolidieren.

Dieser kurze Kommentar behandelt die Entwicklungen unmittelbar nach dem Tod Saparmurat Nijasows und umreißt kurz, von wem und unter welchen Umständen sein Nachfolger gewählt wurde und wie es Gurbanguly Berdymuchammedow nach seiner Amtseinführung als Präsident Turkmenistans gelang, seine Macht zu konsolidieren.

Die Nachfolgefrage

2006 verstarb der erste turkmenische Präsident, Saparmurat Nijasow, unerwartet und ohne einen potentiellen Nachfolger bestimmt zu haben. In einem Land wie Turkmenistan, in dem beim Präsidenten eine unbeschränkte politische Macht konzentriert ist, kann der Tod dieser Führungsfigur zu einem Machtvakuum und zu Spaltungen innerhalb der Führungsschicht führen und so das Regime destabilisieren. Die einflussreichsten Mitglieder der politischen Elite – hauptsächlich aus den Sicherheitsdiensten, die sogenannten Silowiki – erreichten jedoch schnell einen Konsens über die Nachfolge.

Akmurat Redschepow, der einflussreiche Vorsitzender der Präsidentengarde, Innenminister Akmammet Rachmanow und etliche weitere Entscheidungsträger einigten sich darauf, die Kandidatur des stellvertretenden Ministerpräsidenten Gurbanguly Berdymuchammedow zu unterstützen. Für seine Wahl durch die Silowiki waren verschiedene Faktoren ausschlaggebend: Er gehörte zu den Ahal-Tekke, dem größten turkmenischen Stamm, war jung und hatte das Potential, eine breite Öffentlichkeit für sich einzunehmen. Außerdem hatte er – und das war am wichtigsten – gute Beziehungen zu den einflussreichsten Mitgliedern der politischen Elite. Berdymuchammedow galt zudem als eine Figur, die die Eliten der Nijasow-Zeit vor keine ernsthaften Herausforderungen stellen würde.

Machtübernahme

Die weiteren Entwicklungen zeigten allerdings, dass Berdymuchammedow nicht bereit war, die Rolle einer Marionette der einflussreichen Köpfe des Sicherheitssektors zu übernehmen. Gleich nach seiner Amtseinführung begann er mit der schrittweisen Konsolidierung seiner Macht. Dieser Prozess verlief zweigleisig: Erstens entledigte Berdymuchammedow sich einflussreicher Mitglieder der bisherigen Elite, die seine Position hätten infrage stellen können. Zweitens ersetzte er den Personenkult um Nijasow durch einen Kult um seine eigene Person.

Personalpolitik

Kurz nachdem Berdymuchammedow das Präsidentenamt übernommen hatte, begann er, sämtliche potentiellen politischen Rivalen auszuschalten und eine Basis für die Unterstützung seiner Person aufzubauen. Entlassen wurden hauptsächlich hochrangige Amtsträger aus den Bereichen nationale Sicherheit und Energie, wobei Berdymuchammedow sie durch enge Verwandte und Vertraute zu ersetzen und sein eigenes Netzwerk zu etablieren begann. Er tat dies vorsichtig und schrittweise und ohne eine massive Entlassungskampagne zu Beginn seiner Amtszeit zu starten. Stattdessen schaltete er einen Herausforderer nach dem anderen aus – beginnend mit den wichtigsten.

Als erstes entfernte er einflussreiche Personen, die seine Kandidatur als Nachfolger Nijasows unterstützt hatten, von ihren Positionen – Rachmanow, den Innenminister, und Redschepow, den Vorsitzenden der Präsidentengarde bereits im Frühjahr 2007. Viele werteten die Entlassung Redschepows als mutigen Schritt des neuen Präsidenten. Redschepow war einer der einflussreichsten Verbündeten Nijasows gewesen und hatte eine entscheidende Rolle bei Aufbau und Aufrechterhaltung des repressiven Regimes unter dem ersten Präsidenten gespielt. Durch seine Ausschaltung wollte Berdymuchammedow in erster Linie sicherstellen, dass dieser kein alternatives Machtzentrum aufbauen würde.

Nach Rachmanow und Redschepow wurden bis 2009 noch zahlreiche weitere einflussreiche Personen sowie solche, die Berdymuchammedows Macht hätten herausfordern können, entlassen: der Minister für die nationale Sicherheit, Geldimuchammed Asyrmuchammedow und andere hochrangige Beamte im Oktober 2008, Generalstaatsanwalt Muchammetguly Ogsukow im März 2008, Bayram Alolow, Oberbefehlshaber der Grenztruppen, und Agageldi Mammetgeldijew, Verteidigungsminister und Sekretär des Staatlichen Sicherheitsrats, im Januar 2009.

Personenkult

Parallel zu diesen Entlassungen begann Berdymuchammedow, den Personenkult um seinen Vorgänger durch einen gleichgearteten Kult um seine eigene Person zu ersetzen. Nijasow hatte während seiner Präsidentschaft im Zentrum der staatlichen Propaganda gestanden und den öffentlichen Raum dominiert. Er hatte sich selbst den Titel Turkmenbaschi (Führer der Turkmenen) gegeben und in verschiedenen Landesteilen waren goldene Statuen von ihm errichtet worden. Seine Porträts und Fotos waren an öffentlichen Orten und in Büros allgegenwärtig. Auch auf Mitglieder seiner Familie hatte Nijasow den Personenkult ausgeweitet. Der erste Präsident veröffentlichte außerdem zahlreiche Bücher – das wichtigste mit dem Titel Ruhnama wurde zur Pflichtlektüre an Schulen und Universitäten im ganzen Land.

Beim Umbau von Nijasows Personenkult verfolgte Berdymuchammedow die gleiche Strategie wie sein Vorgänger und ersetzte dessen Porträts, Büsten und Statuen nach und nach durch seine eigenen. Die Medien gingen dazu über, Berdymuchammedow als Milli Leader (Nationalen Anführer), großen Patron und Rückgrat der Nation zu bezeichnen. Das Buch Ruhnama wurde in den Lehrplänen des Landes allmählich durch angeblich von Berdymuchammedow verfasste Werke ersetzt. 2009 wurde der Geburtstag des verstorbenen Präsidenten, der zu dessen Lebzeiten mit großen Feierlichkeiten begangen worden war, ignoriert. In seinen Reden bezog Berdymuchammedow sich immer seltener auf seinen Vorgänger, stattdessen begann er, den Kult auf seine eigenen Eltern auszuweiten.

Fazit

Zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme stand Berdymuchammedow diversen Herausforderungen gegenüber. Zum einen bedeutete die Auswahl und Einsetzung durch Eliten aus dem Sicherheitsbereich eine konkrete Erwartung an Loyalität. Zum anderen war der erste turkmenische Präsident in der staatlichen Propaganda derart überrepräsentiert, dass er schwer ersetzbar erschien.

Berdymuchammedow gelang es dennoch, seine Macht in der hochriskanten Phase des Machtwechsels zu konsolidieren und die Stabilität seines Regimes zu sichern – indem er nach und nach sämtliche wichtigen potentiellen politischen Gegner ausschaltete und den Personenkult um den ersten Präsidenten allmählich durch den Kult um seine eigene Person ersetzte. Durch das vorsichtige und schrittweise Vorgehen konnte Berdymuchammedow diese Ziele auf friedlichem Weg und ohne größere Gegenaktionen von Seiten der Entlassenen und Ausgeschalteten erreichen.

Aus dem Englischen von Sophie Hellgardt

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