Feminist_innen machen in Russland Politik auf eine andere Weise

Von Inna Perheentupa (Universität Turku)

Zusammenfassung
Diese Analyse beschreibt das Entstehen einer neuen feministische Generation in den 2010er Jahren in Russland, ihre Eigenschaften und wie sie in der Lage war, in einem zunehmend repressiven Kontext Aktivismus zu betreiben. Die Analyse basiert auf einer Studie, die feministischen Aktivismus in St. Petersburg und Moskau untersucht. In der vorliegenden Analyse werden die Forschungsergebnisse im Dialog entwickelt mit den Ereignissen des Jahres 2022, d. h. mit der gegenwärtigen großflächigen Invasion der Ukraine durch Russland, und den feministischen Reaktionen, insbesondere Widerstand.

Russlands Feminist_innen in Zeiten der Repression und des Krieges verstehen

Die russischen Feminist_innen waren eine der ersten Gruppierungen, die vor einem Jahr offen die groß angelegte Invasion der Ukraine durch Wladimir Putins Regierung verurteilten. Sie marschierten nicht nur auf die Straße, um ihren Widerstand zu zeigen, sondern veröffentlichten schon bald ihr Antikriegs-Manifest (https://spectrejournal.com/feminist-resistance-against-war/). Dieses Manifest, das in mehrere Sprachen übersetzt und auf sozialen Medien weit verbreitet wurde, markierte den Beginn eines Feministischen Antikriegs-Widerstands (Feminist Anti-War Resistance – FAR). Ein Netzwerk, das nun in 30 Ländern und vielen Städten Russlands operiert.

Der Krieg gegen die Ukraine und feministische Proteste gegen diesen begangen vor einem Jahr zur selben Zeit als ich dabei war, mein Buch über die feministische Bewegung in Russland zu beenden. Das Buch basiert auf Forschungsmaterial, das zwischen 2015 und 2018 in St. Petersburg und Moskau unter feministischen Aktist_innen erhoben wurde, bestehend aus Interviews mit 44 Aktivist_innen als auch ethnografischen Beobachtungen sowohl off- als auch online, da eine signifikante Anzahl feministischer Aktivist_innen in den 2010er Jahren digital aktiv waren. Das Buch hilft uns unter anderem besser zu verstehen, warum Feminist_innen so schnell nach Kriegsausbruch aktiv wurden, während viele andere Gruppierungen eher wie gelähmt schienen.

Die feministische »Sprache« macht geschlechterspezifische Gewalt und (Hetero-)Normativität sichtbar

In meinem Buch wird politisches Handeln und das Politische nach einem weiten Verständnis ausgelegt. Das macht besonders im gegenwärtigen Russland Sinn, wo feministische Aktivist_innen nicht die Möglichkeit gehabt haben, irgendeine Art von Dialog mit den Machthabenden zu führen, so wie es die Frauenbewegung in den frühen 1990er Jahren tat. Das Fehlen eines jeglichen politischen Dialogs hat die Feminist_innen in eine radikalere Lage gedrängt und dafür gesorgt, dass sie sich überwiegend in kleinen Organisationen vor Ort engagieren. Diese Entwicklung wird durch die Tatsache verstärkt, dass die neue feministische Bewegung, die in den 2010er Jahren aufkam, in einem zunehmend repressiven Kontext tätig wurde. Daher konzeptualisiere ich politisches Handeln als Widerstand, der beide Formen annimmt – eine sehr alltägliche und unsichtbare, aber auch eine äußerst sichtbare und sogar spektakuläre –, die darauf abzielt, einen weitreichenden sozialen Wandel anzustoßen.

Viele der Aktivist_innen, die ich für mein Buch interviewt haben, hatten ihr »feministisches Erwachen« um 2011 bis 2013 herum, als Zehntausende in Russland auf die Straße gingen, um faire Wahlen zu fordern. Anarchofeminist_in Schenja, erinnerte sich daran wie folgt: »… ich stellte plötzlich fest, dass Feminismus eine Sprache war, die ich sprechen musste, und ich musste andere dazu bringen, sie zu hören …«. Indem er/sie sich auf Feminismus als eine Sprache bezog, hob Schenja hervor, dass Feminismus eine politische Ideologie war, die Probleme sichtbar machen konnte, die von allen anderen politischen Strömungen in Russland ignoriert wurden.

Die feministische »Sprache«, so Schenja, war unter anderem deshalb besonders, weil sie das Probleme von Gewalt sichtbar machen konnte, das keine andere Ideologie politisierte. Daneben war es essentiell, soziale Normen zu hinterfragen, gerade die Norm der Heterosexualität. Besonders die Queer-Feminist_innen wurden aktiv im Feld des normenkritischen Feminismus, der die Idee eines binären Geschlechts und die entsprechende Heterosexualität hinterfragen und demontieren würde, und Geschlecht und Sexualität eher aus einer diversen Perspektive versteht. Diese Gruppe von Aktivist_innen war vermutlich eine der vulnerabelsten im neuen Umfeld der 2010er Jahre, in dem ihr normkritischer Zugang als Gesetzesbruch ausgelegt werden konnte, besonders nach der Einführung des sogenannten »Homopropaganda-Gesetzes« von 2013. Daher ist es kein Wunder, dass diese feministische Gruppe, deren Mitglieder sich zudem oft mit einem der LGBTQ-Buchstaben identifizierten, unter denjenigen waren, die als Erste bereits vor dem Jahr 2022 das Land verlassen mussten.

Das Hinterfragen konservativer Werte und Gesetze

Es ist klar, dass Schenja wie auch andere Feminist_innen auch wegen der zunehmenden konservativen staatlichen Politik der 2000er Jahre vom Feminismus angezogen wurden. Diese konservative ideologische Orientierung manifestierte sich zum Beispiel in unterschiedlichen Gesetzen, die Zugangsbeschränkungen zu Abtreibung nahelegten wie auch das oben erwähnte LGBTQ-Gesetz, das indirekt diejenigen kriminalisierte, die sich mit nicht-normativen Geschlecht und Sexualität in Russland identifizierten. So trafen solche Gesetze vor allem Frauen, Gender- und sexuelle Minderheiten. Dabei erschien auch die nicht-systemische Opposition jener Zeit, in der sich zum Beispiel Schenja als Anarchist_in vor seinem/ihrem feministischen Erwachen beteiligte, vielen Aktivist_innen als konservativ und sexistisch. Viele Feminist_innen hatten daher in jener Zeit festgestellt, dass es sowohl der machthabenden als auch der oppositionellen Politik an feministischer Analytik mangelte, die die politische Situation in Russland zunehmend nötig hatte. Mehr noch, als Pussy Riot ihr Punkgebet 2012 veröffentlichten und die Regierung die feministischen Themen, die die Gruppe zur Debatte gestellt hatte, gänzlich entpolitisierte, war Schenja ebenso wie viele andere Aktivist_innen davon überzeugt, dass Feminismus ins Zentrum ihrer aktivistischen Bemühungen gestellt werden musste.

Ich gehe davon aus, dass die feministische »Sprache«, die Schenja erwähnt hatte, auch als Rückgriff auf spezifische Formen gesehen werden kann, derer sich feministischer Aktivismus bedient; Formen, die sich etwas von den Taktiken der anderen Oppositionsgruppen in Russland unterscheiden. Feminist_innen wurden aktiv in den 2010er Jahren zur gleichen Zeit als Möglichkeiten für politisches Handeln zunehmend online entstanden, und Feminismus daher einen deutlich digitalen Charakter annahm. Vielleicht wurde daher darauf hingewiesen, dass Feminist_innen erfindungsreicher in ihrem Handeln waren als die restliche russische Opposition, die nicht immer so erfolgreich im Aktualisieren ihrer Taktiken war. Feminist_innen waren zeitweise erfolgreich im Erzeugen von Sichtbarkeit der Bewegung, indem sie künstlerische, kreative und digitale Maßnahmen in ihrem Handeln kombinierten. Zu einer Zeit des Internetfeminismus hatten darüber hinaus auch diejenigen, die sich nicht als zur Elite gehörig identifizierten, ihren Weg zum Feminismus gefunden. Während die Frauenbewegung der 1990er Jahre in Russland überwiegend eine Bewegung von Akademiker_innen war und Frauen abseits dieses Milieus sich kaum damit identifizierten, legen meine Interviews nahe, dass in den 2010er Jahren zunehmend Menschen, die nicht einer elitären Schicht angehören, vom Feminismus angezogen wurden. Das geschah, weil sie Feminismus als hilfreich bei den alltäglichen Herausforderungen erachteten, mit denen sie zu kämpfen hatten – eines dieser Individuen bezog sich dabei auf geschlechtsspezifische Gewalterfahrungen. Tatsächlich wurde Feminismus zunehmend zu einer Ideologie, die auch außerhalb akademischer Kreise umgesetzt wird. Die feministische Bewegung, die in Russland in den 2010er Jahren ins Leben gerufen wurde, ist allerdings divers und die verschiedenen Gruppen sind ideologisch oft ziemlich weit entfernt voneinander. Daher ist es nicht realistisch zu denken, dass sie eine einheitliche Front als solche formen würden.

Bewusstseinsbildung und Wissensvermittlung

Ungeachtet der ideologischen Unterschiede haben alle feministischen Gruppierungen eine Gemeinsamkeit, sie legen ihren Schwerpunkt auf die Bewusstseinsbildung für feministische Themen in der Gesellschaft. Bei feministischer Politik geht es in diesem Kontext daher hauptsächlich darum, eine Veränderung durch Wissensvermittlung zu bewirken. Tatsächlich ist das die Aufgabe des Feminismus von Beginn an gewesen, als sich die ersten Feministinnen der Oberschicht um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Russland politisierten. Dieser wissensbezogene Aktivismus nimmt zwei Schlüsseldimensionen im zeitgenössischen Feminismus ein. Erstens, erzählten die Aktivist_innen mir von einer tiefgreifenden persönlichen Veränderung, da Wissen über den Feminismus ihnen geholfen hatte, sich selbst zu helfen und politische Handlungsfähigkeit zu erlangen. Zweitens waren sie längerfristig in der Lage, Bewusstsein für feministische Themen in der Gesellschaft auch zu steigern.

Tatsächlich waren die Feminist_innen in Russland in den 2010er Jahren ziemlich erfolgreich darin, feministische Angelegenheiten sichtbarer zu machen. Das wurde nicht nur durch soziale Medien ermöglicht, sondern auch durch die alternativen Onlinemedien, die relativ sorgfältig über feministische Themen berichteten. Somit konnten wenigstens diejenigen, die in größeren Städten lebten, sich mit feministischen Themen vertraut machen, wenn sie alternative Medien abseits von regierungsnahen Medien konsumierten. Allerdings wurden die alternativen Medien kurz nach der Invasion im Jahr 2022 geschlossen und sie befinden sich nicht länger in Russland, auch wenn einige von ihnen weiterhin vom Ausland aus tätig sind. So ist ein wesentlicher Teil des feministischen digitalen Handlungsfeldes weggebrochen und Feminist_innen müssen sich somit zunehmend stärker auf ihre eigenen digitalen Kanäle verlassen.

Gleichzeitig wird feministische Expertise in der neuen Situation noch dringender benötigt. Zum Beispiel haben Feminist_innen seit Langem Erfahrung darin, Gewaltthematiken zu problematisieren. Sie haben seit Langem die »Kultur der Gewalt« politisiert, ein Konzept mit dem sie darauf verweisen, wie Gewalt die russische Gesellschaft durchdringt und indirekt im Land akzeptiert worden ist; eine Kultur, die vorsieht, die eigenen Männer als »Verteidiger des Vaterlandes« aufzuziehen. Eine solche feministische Kritik hat besonders geschlechtsspezifische Gewalt angesprochen und die enormen Probleme häuslicher Gewalt. Diese Problematik wurde 2017 noch stärker zum Thema als leichte Körperverletzung bei häuslicher Gewalt straffrei wurde. Die Gesetzesänderung wurde als Maßnahme präsentiert, die die »Familie schützen« sollte. Feminist_innen haben darüber hinaus kritisiert, in welcher Art im engen Sinne vollkommene Männlichkeit im konservativen Diskurs definiert wird; sie haben die Verbindung zur Anwendung von Gewalt gezeigt und den dadurch fehlenden Raum für Verletzbarkeit bemängelt.

Nationalismusdemontage

Obwohl es viele Zugänge und sogar gegensätzliche Ansichten unter den Feminist_innen gibt, konzentriert sich ein signifikanter Teil von ihnen auf das Infragestellen des russischen Nationalismus. Das ist nicht zuletzt der Fall, weil es eben das Putin-Regime war, das sich von den feministischen und LGBTQ-Communities abgrenzte, indem es sie zu »ausländischen Agenten« machte (durch ein 2012 eingeführtes Gesetz); d. h. als ausländisch in Bezug auf etwas, das das Regime als »authentisches Russischsein« konstruieren wollte. Und auf diese Weise zielte es darauf ab, jegliche unabhängigen zivilen Aktivitäten zu ersticken, die nicht mit seinen Ansichten im Einklang waren. So wurde Feminismus als ideologischer Import dargestellt, obwohl er tatsächlich eine eigene reiche Vorgeschichte in Russland hat. Andererseits war es typisch für die russischen Feminist_innen seit ihren Anfängen Landesgrenzen zu überschreiten.

Dieses Überschreiten von Landesgrenzen war erkennbar im feministischen Aktivismus in den 2010er Jahren. Zum einen wurde dies dadurch ermöglicht, dass Feminismus online sehr präsent war, da diese Tatsache von den Aktivist_innen nicht verlangte, an einem bestimmten Ort oder Land zu sein, um teilzunehmen. Auch wenn nicht alle Feminist_innen die Sprachkenntnisse hatten, um in den nicht Russisch sprechenden feministischen Communities zu navigieren, konnten sie dennoch im russischsprachigen Web wirken, so als ob es dort keine Grenzen gäbe. Das ist zum Beispiel sichtbar im Fall der ukrainischen Kampagne »Ich habe keine Angst zu sagen« (rus. #яНеБоюсьСказать), die sich zügig auch in Russland ausbreitete. Grund dafür war, dass sie in der Lage war, Individuen über Landesgrenzen hinweg anzusprechen und zu vereinen, indem sie ihre privaten Erfahrungen mit geschlechtsspezifischer Gewalt politisieren konnten. Es ist wichtig, dass die Kampagne in russischsprachigen sozialen Medien bereits stattfand, ein Jahr bevor die ähnliche westliche #Metoo-Kampagne begann. Auf die gleiche Art wie die belarussischen feministischen Proteste durchgeführt wurden, bei denen Aktivist_innen weiße Bänder als Symbol für eine friedliche und demokratische Lösung nach den gefälschten Wahlen und nachfolgenden Protesten von 2020 gehalten haben, wurden bald auch in Russland ähnliche Aktionen als Ausdruck von Solidarität durchgeführt. Diese Beispiele von länderübergreifendem Feminismus sprechen meiner Meinung nach von denselben Dingen wie die queerfeministische Soja, die ich 2015 interviewte. Soja sagte, dass ihrer Ansicht nach Feminismus keine Nationalität habe, da es eine Bewegung sei, um Menschen frei von allen Begrenzungen zu machen.

Diese Beispiele zeigen, dass es unter den Feminist_innen, zumindest vor den Grausamkeiten des Jahres 2022, keinen Sinn machte, Aktivist_innen nach Nationalitäten zu trennen, sondern eher nach ideologischen Abgrenzungen, die nach einer anderen Logik funktionierten. Es ist allerdings klar, dass unter den neuen Gegebenheiten des Krieges russische Feminist_innen zweifelsfrei eine wachsende Verantwortung und Druck fühlen, aufgrund ihrer Nationalität aktiv zu werden. FAR hat unter anderem nicht nur Ukrainer_innen sowohl sichtbar als auch hinter den Kulissen unterstützt – es hat nicht nur die Geschichten und Erfahrungen von Ukrainer_innen in Kriegszeiten auf den eigenen digitalen Kanälen veröffentlicht –, sondern hat auch ganz konkret Ukrainer_innen in Sicherheit gebracht.

Wenn Wissensvermittlung eine der Kernaufgaben der feministischen Bewegung der 2010er Jahre war, so kann diese Aufgabe in der gegenwärtigen Situation nur als noch bedeutsamer gesehen werden; in einer Situation, in der es noch schwieriger ist, alternatives Wissen zu verbreiten. Gleichzeitig ist das Verbreiten von alternativem Wissen zunehmend gefährlicher. Es ist auch verständlich, dass die Konzentration auf Bewusstseinsbildung manchmal manche Akitvist_innen frustriert, da sie nicht den Krieg beenden wird. Tatsächlich kann das weder die feministische Bewegung noch irgendeine andere Bewegung alleine schaffen. Nichtsdestotrotz kann feministische Politik eine wichtige Rolle dabei spielen. Und das trifft nicht nur im Kontext dieses Krieges zu, sondern im Kontext einer breiteren politischen Entwicklung, in der autoritäre und konservative Tendenzen weltweit im Vormarsch sind, mit traditionellen Werten und zu oft auch mit dem Verbreiten von Angst regiert wird. Feminist_innen haben den Schlüssel dazu, ein Gegengewicht zu schaffen, unter anderen indem sie ein Bewusstsein schaffen und auch Hoffnung geben.

Übersetzt aus dem Englischen von der Redaktion der Russland-Analysen

Die Namen der Aktivist_innen wurden im Text geändert, um ihre Anonymität zu schützen.

Dieser Beitrag basiert auf dem Buch von Inna Perheentupa, das von Bristol University Press 2022 mit dem Titel »Feminist Politics in Neoconservative Russia. An Ethnography of Resistance and Resources« publiziert wurde (https://bristoluniversitypress.co.uk/feminist-politics-in-neoconservative-russia).

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