Regimekonsolidierung in Tadschikistan: Repression, Kooptation und Indoktrinierung

Von Edward Lemon (New York)

Zusammenfassung
Seit dem Ende des Bürgerkriegs in Tadschikistan im Jahr 1997 hat Präsident Rachmon seine Macht auf drei Wegen gefestigt. Erstens hat seine Regierung versucht, die politische Opposition, Massenmedien und Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen; zweitens hat der Präsident in der Hoffnung auf ihre Loyalität Führungspositionen in Regierung und Wirtschaft an Mitglieder seiner weitverzweigten Familie vergeben, und drittens hat das Regime eine nationale Ideologie geschaffen, die die Bürger darin bestärkt, sich aus der Politik heraus zu halten. Obwohl die staatlichen Medien den Eindruck erwecken, dass das Regime sich der aktiven Unterstützung der Bevölkerung erfreut, haben sich viele Menschen nur mit dem Status quo abgefunden. Das Bevölkerungswachstum und eine stagnierende Wirtschaft werden jedoch die Stabilität und Krisenfestigkeit des Regimes auf die Probe stellen.

Tadschikistan ähnelt zunehmend einem Einparteienstaat. In der unteren Kammer des Parlaments (Madschlisi Namojandogon) sind zwar fünf Oppositionsparteien vertreten, doch keine von ihnen stellt eine echte Herausforderung für die regierende Demokratische Volkspartei und ihren Führer Emomali Rachmon dar. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit mehreren Entwicklungen der jüngsten Zeit, die dazu beigetragen haben, dass das Regime Rachmon scheinbar in seiner Herrschaft weiter gefestigt wirkt. Politische Gegner wurden verhaftet, ins Exil getrieben und ermordet, insbesondere jene, die mit der Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIWT) und der Gruppe 24 verbunden waren. Alle Führungspositionen wurden mit Familienmitgliedern besetzt und ein Konzept der tadschikischen Nationalkultur als einer »friedlichen« und »stabilen« – mit anderen Worten apolitischen – Kultur propagiert. Loyale Bürger sollten, so argumentiert die Regierung, den jüngst zum »Führer der Nation« ausgerufenen Präsidenten Rachmon unterstützen. Obwohl viele Experten Tadschikistan zu den »schwachen« Staaten zählen, in denen die Regierung darum kämpft, die Kontrolle zu behalten, hat sich das Regime doch als erstaunlich krisenfest erwiesen.

Die Machthaber in Tadschikistan scheinen also fest im Sattel zu sitzen, ihre Krisenfestigkeit wird aber in den nächsten Jahren auf die Probe gestellt werden. Denn die Regierung tut kaum etwas, um die Entwicklung des Landes zu fördern, und ihre Politik hat keine Antworten auf die sozioökonomischen Herausforderungen, vor denen Tadschikistan steht. Die Propagierung einer apolitischen, durch den Staat definierten »nationalen Kultur«, in der kein Raum für Meinungsfreiheit ist, treibt schon jetzt viele der begabtesten jungen Menschen aus dem Land.

Tadschikistan steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Die Regierung behauptet zwar, dass das Wirtschaftswachstum bei 6 % jährlich liegt, doch tatsächlich befindet sich das Land in einer Finanz- und Wirtschaftskrise. In Folge des Einbruchs der Wirtschaft in Russland ist nach Angaben der russischen Zentralbank die Summe der Rücküberweisungen von tadschikischen Arbeitsmigranten im Jahr 2015 um 67 % gesunken. Nach den letzten Prognosen wird die Bevölkerung Tadschikistans bis 2020 auf 9 Mio. Menschen anwachsen; beim letzten sowjetischen Zensus im Jahr 1989 waren es noch 5,2 Mio. gewesen. Über 60 % der Einwohner sind heute unter 30 Jahre alt. Angesichts des Verfalls des Bildungssystems und der andauernden Stagnation der Wirtschaft sieht sich die Regierung vor der zentralen Herausforderung, in den nächsten Jahren Jobs für die junge Generation zu schaffen.

Es ist schwierig, die Unterstützung für das Regime in konkreten Zahlen zu benennen. Während die staatlichen Medien den Eindruck erwecken, dass die meisten Bürger die Regierung tatsächlich aktiv unterstützen, sprechen die Indizien eher dafür, dass sich viele Tadschiken wohl mit dem Status quo abgefunden haben, diesen aber nicht wirklich befürworten.

Kriminalisierung der Opposition

Die Opposition gegen das Regime, die einst relativ stark war, ist von der Regierung in den letzten Jahren massiv unterdrückt worden. Nach dem Bürgerkrieg blieben weite Teile des Landes außerhalb der Kontrolle der Regierung. Das Rascht-Tal im Osten, die Hochburg der Opposition während des Krieges, wurde weiterhin von lokalen Kommandeuren kontrolliert. Schritt für Schritt erkämpfte die Zentralregierung die Oberhoheit über diese Regionen, ihre Kommandeure wurden bis 2011 verhaftet oder getötet. Den loyalen Eliten aus der südlichen Region um Kuljab, wo Präsident Rachmon zuerst seine Machtbasis etablierte, bot die Regierung in Duschanbe lokale Regierungsposten an. Nachdem sie diese lokalen Bedrohungen größtenteils neutralisiert hatte, nahm die Regierung zwei Oppositionsgruppen ins Visier. Sie begann, die Mitglieder der Gruppe 24 zu verfolgen, einer Oppositionsbewegung, die der Geschäftsmann Umarali Kuwwatow 2012 gegründet hatte. Und die Regierung setzte repressive Maßnahmen gegen die PIWT ein, die 1990 entstanden war und im Bürgerkrieg (1992–1997) gegen die Regierung gekämpft hatte.

Kuwwatow gründete die Gruppe 24 nach seiner Flucht aus Tadschikistan, nachdem ein Schwiegersohn des Präsidenten seine Ölhandelsfirma enteignet hatte. Er kritisierte das korrupte »Herrschaftssystem von Familie und Clan« in den sozialen Medien. Eigentlich handelte es sich nur um eine marginale Gruppierung, aber die Regierung ergriff Maßnahmen, um die Gruppe 24 zum Schweigen zu bringen, indem sie ihre Websites mit regierungskritischen Inhalten in den sozialen Netzwerken blockierte. Doch es genügte dem Regime nicht, die Gruppe mundtot zu machen, man bemühte sich auch um die Auslieferung ihrer Mitglieder nach Tadschikistan. Die Regierung erließ 2012 einen internationalen Haftbefehl für Kuwwatow, in dem er beschuldigt wurde, sich durch betrügerische Geschäfte in den Besitz von 1,2 Mio. US-Dollar gebracht zu haben. Im Dezember 2012 wurde er in Dubai festgenommen, aber nach zehn Monaten Haft im September 2013 entlassen. Als er im Oktober 2014 zu Protesten in Duschanbe aufrief, reagierte die Regierung mit der Blockade von Hunderten von Internetseiten und inszenierte einen Gegenprotest. Der Oberste Gerichtshof Tadschikistans stufte die Gruppe 24 als »extremistisch« ein.

Durch dieses Etikett wurde nicht nur die Mitgliedschaft in dieser Bewegung strafbar, es erlaubte den Machthabern auch, den Regierungen Russlands und der Türkei, wo sich die meisten Gruppenangehörigen aufhielten, Haftbefehle zuzustellen. Seit 2014 hat die tadschikische Regierung außerdem versucht, 22 Mitglieder und Unterstützer der Gruppe 24 mit Gewalt ins Land zurück zu holen. Nachdem das im Falle Kuwwatows Anfang 2015 misslungen war, wurde er in Istanbul auf offener Straße von seinem Freund Suleiman Kajumow erschossen. Viele Angehörige der Gruppe 24 haben inzwischen Russland und die Türkei verlassen und um Asyl in Staaten der Europäischen Union nachgesucht.

Die PIWT war die führende Oppositionspartei des Landes. In dem Abkommen, das 1997 den Bürgerkrieg beendete, wurden der Vereinigten Tadschikischen Opposition, der die PIWT angehörte, ein Drittel der Regierungsposten zugesprochen. Zu ihren besten Zeiten hatte die Partei bis zu 50.000 Mitglieder und war mit zwei Abgeordneten im Parlament vertreten. Unter der Führung von Muhiddin Kabiri, dem Nachfolger ihres 2006 verstorbenen Gründers und ersten Vorsitzenden Said Abdullo Nurir, konzentrierte sich die PIWT auf Themen wie soziale Gerechtigkeit und die allmähliche Islamisierung des Landes. Die Partei kritisierte zwar die Politik der Regierung, doch mit Vorsicht. Im Gegensatz zur abgeschotteten Existenz vieler Regierungsmitglieder suchte Kabiri Kontakt zu interessierten Bürgern und lud sie in sein Büro ein.

Trotz der moderaten Haltung der Partei wurde sie von der Regierung Schritt für Schritt marginalisiert. Im Oktober 2010 führten die Sicherheitsdienste Razzien in Parteibüros durch. Einige Tage später zerstörte ein Feuer das Kulturzentrum der Partei, den einzigen Ort im ganzen Land, wo Frauen neben Männern beten konnten. Die Polizei verhaftete lokale Abgeordnete und beschuldigte Parteimitglieder des sexuellen Fehlverhaltens und der Verbindung zum islamischen Extremismus. Ein Regierungsvertreter behauptete, dass die Hälfte der ca. 1.000 tadschikischen Staatsbürger, die sich dem IS angeschlossen haben sollen, Mitglieder der PIWT seien. Diese Maßnahmen waren Teil des Versuchs, die Partei zu diskreditieren, indem sie mit Gewaltbereitschaft assoziiert und in einen Gegensatz zur »friedlichen« Nationalkultur gestellt wurde.

Im Jahre 2015 verschlechterte sich die Situation für die PIWT dann rasant. Bei den Parlamentswahlen im März verlor die Partei ihre zwei Sitze im Unterhaus. Im Juni beschuldigte die Regierungszeitung Dschumhurijat (Republik) Kabiri, illegale Grundstücksgeschäfte getätigt zu haben. Kabiri, der sich in diesem Moment im Ausland befand, wurde so faktisch zum Exilanten. Gleichzeitig begannen massenhaft Parteifunktionäre, öffentlich ihren Austritt aus der Partei bekannt zu geben. Der Parteichef des Gebietes Sogd, Ilchomdschon Jakubow, hat allerdings erklärt, dass er die PIWT nur verlassen habe, weil er zuvor von Sicherheitskräften gefoltert worden sei. Am 28. August nahm das Justizministerium einen angeblichen Mangel an öffentlicher Unterstützung zum Vorwand, die Partei zu verbieten. Schließlich beschuldigte die Regierung die PIWT, Drahtzieher eines Putschversuchs am 4. September 2015 unter Führung des damaligen stellvertretenden Verteidigungsministers Abulchalim Nasarsoda gewesen zu sein. Nasarsoda hatte im Bürgerkrieg auf Seiten der Opposition gekämpft und war nach dem Friedensabkommen von 1997 in den Regierungsapparat eingegliedert worden. Nun bezichtigte man ihn, Anführer bewaffneter Überfälle in Duschanbe und Wachdat zu sein. Rasch verhafteten die Sicherheitsdienste bis zu 200 Parteimitglieder, einschließlich des Sprechers und stellvertretenden Vorsitzenden. Am 29. September erklärte der Oberste Gerichtshof Tadschikistans die PIWT zu einer »terroristischen« Organisation. Damit hatte die Regierung eine Handhabe, weitere Parteimitglieder und Rechtsanwälte, die mutig genug waren, sie zu verteidigen, zu verhaften.

Verfolgung von Oppositionspolitikern im Ausland

Obwohl führende Mitglieder sowohl der Gruppe 24 als auch der PIWT jetzt für mehr als 20 Jahre im Gefängnis sitzen, fürchtet sich die Regierung offenbar immer noch vor politischen Aktionen der im Exil lebenden Oppositionellen. Zwar konnten viele Aktivisten aus dem Land fliehen, doch die Regierung ist weiterhin in der Lage, Druck auf sie auszuüben, indem sie gegen ihre Familienangehörigen in Tadschikistan vorgeht.

Nachdem Mitglieder beider Gruppen auf dem OSZE-Treffen zum Thema »Implementierung der menschlichen Dimension« in Warschau im September 2016 eine Schweigekundgebung veranstaltet hatten, verließ die tadschikische Delegation unter Protest die Veranstaltung. Die Jugendbewegung »Avantgarde«, die tadschikische Studenten 2015 zur Bekämpfung des »Extremismus« gegründet hatten, demonstrierte vor dem OSZE-Büro in Duschanbe mit Transparenten und dem Slogan »Den Feinden des tadschikischen Volkes ein Nein« und verbrannte eine Flagge, auf der Muchiddin Kabiri abgebildet war. Mitglieder dieser Gruppierung veranstalteten Versammlungen in Universitäten, auf denen die »Verräter« und ihre »ausländischen Sympathisanten« scharf verurteilt wurden. Beunruhigender waren die Vergeltungsmaßnahmen gegen Familienangehörige der Tadschiken, die in Warschau demonstriert hatten. Die Polizei verhaftete mehr als 50 Verwandte von Teilnehmern aus der PIWT und der Gruppe 24. Bruder, Schwester und Mutter des früheren PIWT-Vorsitzenden des Gebiets Sogd, Ilchomdschon Jakubow, wurden am 20. September in Untersuchungshaft genommen und mit weiteren Schikanen bedroht, falls Jakubow weiter politisch aktiv sein sollte. In den folgenden Tagen wurden ihre Häuser von Demonstranten, von denen einige Steine warfen, mit Plakaten beklebt. Sogar die neunjährige Tochter und die ein Jahr ältere Nichte einer Teilnehmerin der Kundgebung in Warschau, Schabnam Chudodojewa, wurden von den Demonstranten angegriffen und beschimpft. Die Polizei weigerte sich, den betroffenen Familien zu helfen.

Die Tatsache, dass an der Spitze dieser Proteste Studierende standen, deutet darauf hin, dass sich im Land die Imitation einer Zivilgesellschaft – eine regierungsfreundliche Zivilgesellschaft – entwickelt. Diese Gruppen ignorieren Korruption, Armut und Unterdrückung, welche Hauptmerkmale der Regierungsführung in Tadschikistan sind, sie unterstützen die Regierung und greifen deren »Feinde« an. Sie verteidigen das von der Regierung geprägte Konzept der »nationalen Kultur« als harmonisch, friedlich und im Kern apolitisch. Doch ist diese Bewegung relativ marginal und die Zugehörigkeit beschränkt sich offenbar auf junge Menschen, die einen Posten im Staatsapparat anstreben. Viele andere junge Leute haben Tadschikistan verlassen, um in Russland zu arbeiten. Zwar unterstützen einige Jüngere das Regime weiterhin aktiv, doch viele sind desillusioniert, weil es im Land keinen Raum für kritisches Denken gibt. In der Tat lässt die von der Regierung propagierte »nationale Kultur« wenig Platz für unabhängige Meinungen.

Nationsbildung

Präsident Rachmon hat seine Macht aber nicht nur durch Unterdrückungsmaßnahmen konsolidiert. Zum einen hat er Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Regierung mit Mitgliedern seiner Großfamilie besetzt, in der Hoffnung, dass sie ihm gegenüber loyal bleiben werden, solange sie sich auf Kosten des Staats bereichern können. Zum anderen betrieb und betreibt die Regierung einen Personenkult um den Präsidenten. Rachmon wurde während des Bürgerkriegs im November 1992 durch eine Gruppe von Kommandeuren als Machthaber installiert. Dem früheren Manager einer Kolchose gelang es, diejenigen, die ihn an die Macht gebracht hatten, auszumanövrieren und allmählich seine Position zu festigen. 1999 ließ er seine Amtszeit von fünf auf sieben Jahre verlängern und 2003 veranlasste er eine Verfassungsänderung, um die Befristung auf nur eine Amtszeit für den Präsidenten aufzuheben. Nach einem weiteren Referendum wurde ihm im Mai 2016 der Titel eines »Führers der Nation« und »Friedensstifters« verliehen. Damit steht er nun über dem Gesetz und kann zeitlich unbegrenzt regieren. In der visuellen Kultur Tadschikistans dominieren überall die Darstellungen des »Führers der Nation«. Große Plakate mit seinem Bild schmücken öffentliche Gebäude, das staatliche Fernsehen preist seine Erfolge, und die Bürger zeigen bei Aufmärschen ihre Unterstützung.

Seit den 1990er Jahren warnt Rachmon in seinen Ansprachen die Bürger unter Verweis auf die Bürgerkriegserfahrungen und das Chaos im Mittleren Osten immer wieder vor den Gefahren des »radikalen Islam« und politischer Proteste. Wahre Tadschiken, so behauptet die Regierung, unterstützen Frieden, nationale Versöhnung und Stabilität. Mit anderen Worten, die Regierung ist bestrebt, aus den Bürgern folgsame Untertanen zu machen, die den Status quo akzeptieren. Auf lokaler Ebene gibt es zwar weiterhin Möglichkeiten, Widerstand gegen die Staatsmacht zu leisten, doch viele Tadschiken haben sich in ihre Lage ergeben und die autoritäre Herrschaft zumindest stillschweigend akzeptiert. Die aktive Unterstützung für das Regime bleibt jedoch weiterhin niedrig. Beim Referendum vom März 2016 gab es nach Regierungsangaben angeblich eine Wahlbeteiligung von 92 %, doch Journalisten berichteten, dass die Wahllokale zum Großteil leer waren und die Wähler nicht recht wussten, über was sie eigentlich abstimmen sollten.

Der Staat als Familienunternehmen

Die Regierung propagiert die Botschaft, dass Rachmon der bestmögliche Führer für das Land sei, doch der Präsident regiert das Land, als ob es ein Familienbetrieb wäre. Sein Schwager leitet die größte Privatbank und die wichtigste Fluglinie. Sein Sohn Rustam steht an der Spitze der Behörde für Finanzkontrolle und Korruptionsbekämpfung. Seine Tochter Osoda ist Stabschefin des Präsidenten. Amtsträger haben durch Einheirat in die »erste Familie« höhere Positionen erlangt. Rachmons älteste Tochter Firusa hat ein Mitglied der Familie Sochibow geheiratet, die Beteiligungen im Zement- und Energiesektor hat. Osodas Ehemann Dschamoliddin Nuralijew wurde 2008 zum ersten Stellvertreter des Finanzministers ernannt, 2015 wurde er stellvertretender Vorsitzender der Nationalbank. Eine andere Tochter, Parwina, ist mit dem Sohn des früheren Energieministers Scherali Gul verheiratet, und die sechste Tochter, die Fernsehmoderatorin Sarina, mit dem Sohn des Leiters des Kommunikationsdienstes, Beg Suchurow. Andere Verwandte haben Führungspositionen in der Steuerbehörde, im diplomatischen Dienst und in lokalen Regierungsstrukturen inne.

Mitglieder der Präsidentenfamilie haben ihre Kontrolle über die Zement-, Baumwoll-, Energie- und Aluminiumindustrie genutzt, um sich selbst zu bereichern, oft mit Hilfe von Offshore-Gesellschaften. Der Internationale Währungsfonds schätzte 2013, dass 3,5 Mrd. US-Dollar – mehr als ein Drittel des Bruttosozialprodukts des Landes – auf Offshore-Konten lagern, die von den Verwandten Rachmons kontrolliert werden. TALCO (Tajik Aluminium Company), die angeblich staatlich kontrollierte Aluminiumschmelze in der Nähe der Hauptstadt Duschanbe, gehört der Talco Management Limited (TML), die ihren Sitz auf den britischen Virgin Islands hat. Dieses Unternehmen funktioniert als Vermittler, der Rohmaterialien für die Fabrik an- und das Endprodukt verkauft. TML ist in einer »Steueroase« registriert und hat keine offizielle Verbindung zur tadschikischen Regierung, wird aber von der Orionbank kontrolliert, die der Präsidentenfamilie gehört. Diese Offshore-Modelle ermöglichen es der Präsidentenfamilie, Gelder abzuzweigen, die eigentlich in den Staatshaushalt fließen sollten.

Fazit

Es mag sein, dass die Unterdrückung der Opposition und die Herausbildung einer apolitischen Kultur Präsident Rachmons Position auf kurze Sicht festigen konnten. Die staatlichen Medien vermitteln den Eindruck, dass Tadschikistan sich entwickelt und dass das Regime die Unterstützung der Bevölkerung genießt. Aber es besteht ein Unterschied zwischen diesem Narrativ und den realen Entwicklungen und Ereignissen vor Ort. Da der Staat von Mitgliedern der Präsidentenfamilie kontrolliert wird, mussten kleine Unternehmer mit ansehen, wie sich Angehörige der korrupten Elite ihr Vermögen aneigneten. Mit dem Verbot der Oppositionsbewegungen und der Einschränkung der Meinungsfreiheit ist der Raum für öffentliche Debatten jeglicher Art fast verschwunden. Und im Gefolge der Wirtschaftskrise in Russland sind die Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten, die einst den wichtigsten Beitrag zur Volkswirtschaft geleistet haben, dramatisch eingebrochen. Korruption, autoritäre Herrschaft und Wirtschaftsprobleme betreffen alle. Bis jetzt hat sich die Regierung gegen diese Entwicklungen immun gezeigt. Oberflächlich gesehen ist die Stellung des »Führers der Nation« stärker geworden. Die Stagnation des Landes wird möglicherweise nicht direkt in eine soziale Mobilisierung gegen das Regime umschlagen, aber sie verschlimmert die Situation der leidgeprüften Bevölkerung. Es wird in Tadschikistan in naher Zukunft vielleicht nicht zum Ausbruch von Gewalttätigkeiten kommen, doch das Land wird in Stagnation verharren.

Aus dem Englischen von Brigitte Heuer

Lesetipps / Bibliographie

Zum Weiterlesen

Analyse

Wie stabil ist Tadschikistan? Das politische Erbe des Bürgerkrieges und die Machtkämpfe der Eliten

Von Tim Epkenhans
Der Bürgerkrieg in Tadschikistan hat auch zwölf Jahre nach seinem Ende noch Auswirkungen auf die politischen Vorgänge im Land. Der autoritär regierende Präsident Rachmon präsentiert sich – immer weniger erfolgreich – als Stabilitätsgarant und (inzwischen auch alleiniger) Friedensstifter von damals. Politische Gegner und ehemalige Partner werden ausgeschaltet. Der vorliegende Beitrag zieht die machtpolitischen Entwicklungen der letzten Jahre nach und stellt die Frage nach den Perspektiven des Staates wie der derzeitigen Politik der Eliten.
Zum Artikel
Analyse

Islam Karimow – Der ewige Präsident? Perspektiven eines Führungswechsels in Usbekistan

Von Alisher Ilkhamov
Der usbekische Präsident Islam Karimow hat in einer vielbeachteten Rede im November 2010 mehrere Verfassungsänderungen vorgeschlagen, die u. a. auch Regelungen seiner Nachfolge im Falle der Amtsunfähigkeit betreffen. Unser Autor nimmt dies zum Anlass für kritische Überlegungen zu (über)langen Regierungszeiten und den widersprüchlichen Interessen des usbekischen, wie auch anderer zentralasiatischer Präsidenten, sich einerseits möglichst lange selber die Herrschaft zu sichern, andererseits im eigenen Interesse einen geordneten Personalwechsel für den Fall der Amtsunfähigkeit vorzubereiten. In Usbekistan sieht er im derzeitigen Vorsitzenden des Senats, Ilgisar Sobirow, den durch die vorgeschlagenen Veränderungen für die Nachfolge bevorzugten Kandidaten.
Zum Artikel

Logo FSO
Logo DGO
Logo ZOIS
Logo DPI
Logo IAMO
Logo IOS