Der ukrainische Wohnungssektor – schockabsorbierend und mobilitätseinschränkend

Von Sebastian Klüsener

Zusammenfassung
Der Wohnungsmarkt war in der Sowjetzeit stark reguliert. Art. 11 der sowjetischen Verfassung von 1977 schrieb vor, dass der Hauptanteil des Wohnraums in Städten in staatlichem Besitz sein musste, Grund und Boden waren komplett verstaatlicht. Im ländlichen Raum war allerdings auch unter der Sowjetherrschaft der überwiegende Teil der Häuser und Wohnungen in Privatbesitz. Bei der Errichtung von Wohnraum spielten staatliche Strukturen eine dominierende Rolle. Haushalte, die an einer Zuteilung interessiert waren, konnten sich auf Wartelisten eintragen. Die Mietpreise für staatliche Wohnungen waren aufgrund hoher Subventionen sehr niedrig und orientierten sich weder an der Nachfrage noch an den Kosten für Errichtung und Instandhaltung. Die sowjetische Gesetzgebung garantierte den Mietern lebenslanges Wohnrecht, eine Übertragung an die Nachkommen war einfach möglich.

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Analyse

Wirtschaftskrise ohne Arbeiterproteste. Zur Rolle von Gewerkschaften bei Arbeiterprotesten

Von Mihai Varga
Tausende Studenten protestierten im Oktober 2010 gegen die Sparmaßnahmen der ukrainischen Regierung und im Winter des vorigen Jahres besetzten Kleinunternehmer Kiews Hauptplatz, um sich der Steuerpolitik Serhij Tihipkos zu widersetzen. Arbeiterproteste blieben aber aus, zumindest auf nationaler Ebene: Die größte Gruppe von Bürgern, die von den Sparmaßnahmen der Regierung betroffen war, protestierte nicht, und das trotz eines – im europäischen Vergleich – hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades. In diesem Artikel analysiere ich die Rolle des größten Gewerkschaftsbundes in der Ukraine, der Föderation der Ukrainischen Gewerkschaften (FPU). Ich argumentiere, dass die geringe Einmischung der Arbeiter in die Politik vor allem dieser Gewerkschaft geschuldet ist. Die Gewerkschaft schafft es, die Arbeiter durch selektive Sozialleistungen zu demobilisieren, und sie erschwert die Verbreitung alternativer Gewerkschaften. (…)
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Analyse

Gesellschaftliche Verantwortung in der ukrainischen Landwirtschaft

Von Taras Gagalyuk, Anna Hajdu, Franziska Schaft
Die Entwicklung der ländlichen Räume in der Ukraine ist in den letzten zwei Jahrzehnten durch zwei zentrale Trends geprägt: Zum einen haben sich sehr große Agrarunternehmen mit teilweise konzernartigen Strukturen entwickelt, die mehrere tausend Hektar landwirtschaftliche Fläche bewirtschaften und zugleich ein wichtiger Arbeitgeber im ländlichen Raum sind. Zum anderen hat sich die wirtschaftliche Situation der ländlichen Bevölkerung oft weiter verschlechtert, insbesondere in solchen Regionen, wo der Ausbau und die Modernisierung von technischer und sozialer Infrastruktur – etwa im Straßenbau oder im Gesundheits- und Ausbildungswesen – den Bedarfen weiter hinterherhinkt. Diese Entwicklungen sind vor dem Hintergrund des laufenden Strukturwandels im ukrainischen Agrarsektor und einer Politikausrichtung zu verstehen, die sich in den vergangenen Jahren vor allem auf die Steigerung der Produktions- und Exportraten in der Getreideindustrie konzentrierte, während Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensqualität in den ländlichen Räumen weitgehend vernachlässigt wurden. Dieser Beitrag liefert einen Überblick über diese Entwicklungen und diskutiert in diesem Zusammenhang die Rolle der Landwirtschaft. Ausgehend von dem Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR), also der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen, beschreibt dieser Beitrag auf Basis von Tiefeninterviews mit leitenden Agroholdingvertretern, inwiefern diese ihre gesellschaftliche Verantwortung konkret wahrnehmen, um den beschriebenen Defiziten in den ländlichen Räumen zu begegnen.
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