25. Jahrestag der "Südtour" Deng Xiao Pings – Über die Geschichte der chinesischen Reformen

Von Andrei Yakovlev (Moskau)

Zusammenfassung
Vor 25 Jahren, im Januar und Februar 1992, unternahm Deng Xiao Ping seine so genannte »Südtour« durch die südlichen Provinzen der Volksrepublik China, bei der er mehrfach auf Versammlungen der Parteiorganisationen auftrat. Diese Reise erfolgte ohne Sanktion durch das Politbüro des ZK der KP Chinas und war die letzte politische Handlung Deng Xiao Pings, der zu jener Zeit alle offiziellen Ämter verlassen hatte. Die öffentlichen Auftritte Dengs während dieser Reise verschoben die Gewichte in den Eliten Chinas zugunsten einer Fortsetzung der Politik wirtschaftlicher Modernisierung, die nach der Unterdrückung der Studentenproteste auf dem Platz des Tien An Men im Juni 1989 und der drastischen Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Volksrepublik und den entwickelten Ländern in Frage gestellt worden war. Eine Analyse der Ereignisse, die der »Südtour« vorausgingen, lässt interessante Analogien zum Russland nach 2011 erkennen.

Die Reformen in China bis 1989, die Ereignisse auf dem Tien An Men-Platz und die Reaktion der Parteielite

Unter Wirtschaftswissenschaftlern herrscht verbreitet die Ansicht, dass der Erfolg Chinas in erheblichem Maße darauf zurückzuführen ist, dass die Kommunistische Partei sich für Experimente in der Wirtschaft entschied und auf politische Reformen verzichtete. Dieser Ansatz bedeutete eine Vereinfachung der Realität. Einerseits basierte das chinesische Wirtschaftswachstum der ersten 15 Reformjahre in der Tat auf absolut ungewöhnlichen Institutionen, etwa den »Dorfunternehmen« (eng.: »Township and Village Enterprise« (TVE); chin.: Xiangzhen Qiye), die in keine der seinerzeit bestehenden Theorien passten. Erst sehr viel später, nach 10–15 Jahren, wurden von der Forschung Erklärungen vorgelegt, auf welche Weise diese »Industrie-Kolchosen« – ohne Privateigentum und bei einem Fehlen unabhängiger Gerichte – zur Grundlage für das stürmische Wirtschaftswachstum werden konnten. Das entscheidende Moment war in diesem Zusammenhang die historisch gewachsene Autonomie der Regionen und das diesen von der Zentralregierung garantierte Recht auf ein »Resteinkommen« aus der Tätigkeit der Unternehmen auf ihrem Territorium – nach Abzug einer zuvor mit der Zentralregierung abgesprochenen Steuersumme.

Im Grunde bestand in der Volksrepublik China seit 1979 ein System, das dem Instrument des prodnalog [feste Naturalsteuer] im sowjetischen Russland während der »Neuen Ökonomischen Politik« Anfang der 1920er Jahre ähnelte. Während aber bei uns ein solches Instrument nur bei den Beziehungen zwischen Regierung und den Bauernwirtschaften eingesetzt wurde, regulierte dieses Instrument in der Volksrepublik der 1980er Jahre die Beziehungen zwischen der Zentralregierung und den Regionen. Es war eben dieses »Resteinkommen«, das bei den Regionalverwaltungen für Anreize sorgte, um vor Ort neue »Dorfunternehmen« zu schaffen und das Produktionsvolumen zu erhöhen (mit einer Orientierung vor allem auf den Binnenmarkt, auf dem wie in der UdSSR ein Mangel an den einfachsten Gütern herrschte), und um Konflikte zwischen Lieferern und Konsumenten zu regulieren. Dabei arbeiteten die großen Industrieunternehmen, die der Zentralregierung unterstanden, im gewohnten Modus weiter. Dadurch blieben den alten Eliten die Quellen ihrer Renten erhalten, wodurch es wiederum weniger Anreize gab, sich den Reformen zu widersetzen.

Andererseits vollzog sich im China der 1980er Jahre nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein politischer Wandel. Unter anderem erfolgte – wie auch in der UdSSR – eine Aufweichung des politischen Regimes, mit einer breiten Rehabilitierung derjenigen, die während der »Kulturrevolution« Opfer von Repressionen geworden waren, mit einer relativen Liberalisierung der Medien und einer Ermutigung zu öffentlicher Kritik an Staats- und Parteifunktionären, und zwar unter Einsatz von sogenannten »Da Zi Bao« (dt.: »Plakate in großen Schriftzeichen«), die an eigens dazu vorgesehenen Orten aufgehängt wurden. Vor diesem Hintergrund sah sich die Kommunistische Partei bereits 1986 Demonstrationen einer großen Zahl Studenten gegenüber, die einen demokratischen Wandel forderten. Diese Forderungen wurden von Angehörigen der Intelligenzija unterstützt. In diesem Zusammenhang ist Fang Li Zhi weithin bekannt geworden, ein Astrophysiker und Professor an der »Chinesischen Universität für Wissenschaft und Technologie« in Hefei (Provinz Anhui), der später der »chinesische Sacharow« genannt wurde.

Die Antwort auf die Demonstrationen bestand in einer offiziellen Kampagne zum Kampf gegen die »bourgeoise Liberalisierung« im Rahmen der Kommunistischen Partei. Im Verlauf der Kampagne verlor der Reformator Hu Yao Bang seinen Posten als Generalsekretär des ZK der KP. Zwei Jahre später, im April 1989, wurde sein Tod zum Anlass für Massenproteste von Studenten auf dem Platz des Tien An Men, die zum Wendepunkt in der Entwicklung der Reformen in China wurden.

Diese Proteste, die vor dem Hintergrund der Perestroika in der UdSSR stattfanden, erzeugten an der Spitze der chinesischen Elite Angst, die Kontrolle über die Lage im Land zu verlieren, und sie führten zu einer Spaltung in der obersten Parteiführung. Insbesondere der Generalsekretär des ZK der KP, Zhao Zi Yang, sprach sich für Verhandlungen mit den Studenten aus. Er war bereit, einige der von den Studenten vorgeschlagenen Reformen umzusetzen. Die konservative Mehrheit in der politischen Führung der KP trat jedoch für eine gewaltsame Lösung des Problems ein.

In der Folge wurde Zhao Zi Yang am 20. Mai 1989 seines Amtes enthoben und unter Hausarrest gestellt (der bis zu seinem Tod 2005 andauerte), und am 4. Juni 1989 wurden die Studentenproteste unter Einsatz der Armee und mit Panzern zerschlagen. Es folgten eine drastische Abkühlung der Beziehungen der Volksrepublik zu den USA sowie Sanktionen des Westens gegen die Volksrepublik. Gleichzeitig kam es innerhalb der chinesischen Elite zu einem Konflikt über die Frage, was nun weiter zu tun sei.

Angesichts der Proteste waren Angehörige der obersten politischen Elite geneigt, zu den »Ursprüngen« zurückzukehren und den Prinzipien zu folgen, die der »Große Vorsitzende« Mao verkündet hatte. Obwohl den konservativen Dogmatikern viele »Pragmatiker« aus den regionalen Führungsriegen gegenüberstanden (vor allem jene, die zu den Gewinnern der Reformen der 1980er Jahre gehörten), herrschte das Empfinden vor, dass eine neue Frostperiode bevorstand und alles wieder zurück in die Vergangenheit abgleitet.

Unter diesen Bedingungen hatte der 14. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas im Herbst 1992 eine Politik der Fortführung, oder eben einen Kurswechsel der Partei zu beschließen. Der misslungene Putschversuch des »Staatskomitees für den Ausnahmezustand« (GKTschP) im August 1991 und der Zerfall der UdSSR im Dezember des gleichen Jahres hatten aber in der Führung der KP Chinas erhebliche Befürchtungen ausgelöst und die Positionen von Vertretern des »linken Flügels« gestärkt. Diese vertraten die Ansicht, dass ein Programm der »friedlichen Evolution« und der »Entlehnung von Elementen des Kapitalismus« (das in der Logik des bekannten Ausspruchs von Deng Xiao Ping umzusetzen wäre, dem zufolge unwichtig ist, welche Farbe eine Katze hat, solange sie Mäuse fängt) in einen Positionsverlust der KP münden würde. Die Wirtschaftssonderzonen seien deshalb aufzulösen und Vertreter des Reformatoren-Lagers aus der Partei auszuschließen. Für Deng Xiao Ping hätte eine Anerkennung dieser Positionen als offizieller Kurs der KP nicht nur eine politische Niederlage bedeutet (von denen es in seinem Leben eine ganze Reihe gegeben hatte) – er wäre als Verlierer in die Geschichte eingegangen.

Das Vorgehen Dengs und die Folgen

Der Faktor, der letztendlich das Kräftegewicht in der Elite verschob, war dann die Reise von Deng Xiao Ping durch die südlichen Provinzen der Volksrepublik, die er im Januar und Februar 1992 mit Auftritten vor den Parteiorganisationen unternahm, seine so genannte »Südtour«. Bemerkenswert ist hier, dass Deng zu jener Zeit bereits 87 Jahre alt war und keinerlei offiziellen Posten mehr innehatte. Darüber hinaus hatte Deng Xiao Ping hinter der Entscheidung gestanden, Zhao Zi Yang abzulösen, die Proteste auf dem Platz des Tien An Men zu unterdrücken und auf weitere politische Reformen zu verzichten. Dessen ungeachtet erklärte er auf dieser Tour, dass angesichts des feindlichen Drucks von außen die Modernisierung voranzutreiben sei und weiter eine Reform der Volkswirtschaft betrieben werden müsse – seine Argumente zeitigten ihre Wirkung.

Mitte der 1990er Jahre verabschiedete die chinesische Führung ein neues Reformpaket, das in der Einführung marktwirtschaftlicher Institutionen mündete. Diese Reformen wurden nicht allein als notwendige Reaktion auf die politische Krise von 1989 und den Druck von außen angestoßen. In nicht geringem Maße waren diese Reformen auch dadurch begründet, dass die Möglichkeiten für eine weitere Entwicklung allein auf Basis der »Dorfunternehmen« erschöpft waren. Diese »Industrie-Kolchosen« konnten zwar die Produktion einfacher Waren und eine entsprechende Sättigung des Binnenmarktes bewerkstelligen, aber zur Herstellung komplexer Erzeugnisse und für eine Hinwendung auf die Exportmärkte waren besser angepasste Formen wirtschaftlicher Tätigkeit vonnöten, die sich auf private Initiative und Privateigentum stützen.

Das schleunige Wirtschaftswachstum der 1980er Jahre hatte darüber hinaus zu verstärkter Ungleichheit zwischen den Regionen wie auch zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen geführt. Die dadurch entstandenen sozialen Spannungen waren einer der Gründe für die Proteste: Auf den Platz des Tien An Men zogen 1989 nicht nur Studenten, sondern auch Arbeiter, die gegen Korruption bei Staatsfunktionären protestierten und eine Rückkehr zum Prinzip der sozialen Gerechtigkeit forderten. Als man sich dieser Umstände bewusst wurde, führte dies zu einem neuen Modell der Beziehungen zwischen Zentralregierung und den Regionen, wobei im Rahmen der Steuerreform von 1994 die Einnahmen zu Gunsten der Zentralregierung neu verteilt wurden (während in den 1980er Jahren die Steuereinnahmen noch zu 75 Prozent in den Regionen blieben, so ging dieser Anteil bis zu den 2000er Jahren auf 40 Prozent zurück). Mit eben diesen Mitteln wurden im Weiteren die steigenden Ausgaben für Wissenschaft und Bildung, zur Entwicklung der Infrastruktur und für Investitionen in schwächer entwickelte Regionen finanziert.

Dass den stärker entwickelten Regionen Renten genommen wurden, hätte nun zu heftigen Spannungen – und zwar auch in den Eliten – führen können. Das warf die Frage nach Kompensationen auf, die dann auch in der Tat angeboten wurden: Es wurde mit einer Privatisierung der »Dorfunternehmen« begonnen, die in die Zuständigkeit der Regionen fiel. Die privatisierten Unternehmen, die häufig in Verbindung mit den regionalen Eliten standen und sich auf administrative Ressourcen stützten, hielten nun allmählich in neue Branchen und auf ausländischen Märkten Einzug, was für die Eliten neue Rentenquellen schuf.

In den 1990er Jahren begann auch der Prozess einer Öffnung des Binnenmarktes für ausländische Investoren (zuvor waren diese nur in die Sonderwirtschaftszonen gelassen worden). Angesichts der Dimensionen des Landes führte das zu einem massiven Investitionsfluss und einer Nachfrage nach Anlagevermögen, auch nach Grund und Boden. Die Privatisierung von Grundstücken in den Städten wurde zu einer weiteren Rentenquelle für die regionalen Eliten. Ein ähnlicher Effekt ergab sich aus dem Umstand, dass auf Provinzebene die Gründung regionaler Banken zugelassen wurde (in den 1980er Jahren hatten alle Banken der Zentralregierung unterstanden).

Zweifellos ist zu beachten, dass die chinesischen Institutionen der 1990er und 2000er Jahre bei aller äußeren Ähnlichkeit mit den üblichen Ansätzen für Wirtschaftsreformen (Privatisierung, Liberalisierung des Außenhandels, Anreize für Investoren, Entwicklung eines Finanzsektors) erhebliche Besonderheiten aufwiesen. Die grundlegenden Infrastrukturbranchen (Verkehr, Energie) verblieben im Besitz des Staates und die von der Regierung für diese Leistungen festgesetzten Tarife sind in vielerlei Hinsicht bis heute Voraussetzung für den Erfolg von Unternehmen anderer Branchen. Die Finanzierung der Unternehmen erfolgt über Banken, die weiterhin staatlich blieben und die Rolle des Wertpapiermarktes ist insgesamt marginal. Der Wertpapiermarkt ist – wie das ganze Finanzsystem – im Grunde für ausländische Investoren gesperrt und bleibt ungeachtet des Umsatzvolumens weiterhin vor allem ein Ort für spekulative Jonglage (ähnlich wie Mitte der 1990er Jahre das Schneeballsystem von »MMM« in Russland). In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass der Kursverfall von 30 Prozent auf dem Wertpapiermarkt der Volksrepublik, der im Sommer 2015 erfolgte und von Verhaftungen von Brokern begleitet wurde, praktisch keinerlei Einfluss auf den Zustand der Realwirtschaft hatte.

Mögliche Lehren für Russland heute

Was hat das alles mit dem Russland von heute zu tun? 1989 hat sich in der Volksrepublik China eine Situation ergeben, in der den Eliten, die sich erheblichen, vor allem politischen Herausforderungen gegenübersahen, bewusst wurde, dass sie die Macht verlieren könnten. Ihre erste Reaktion war die brutale Unterdrückung der Proteste und der Opposition. Die zweite Herausforderung war sehr viel schwierigerer Natur: Sie mussten sich darüber klar werden, wie angesichts der Sanktionen und des Drucks von außen die Entwicklung der Volkswirtschaft gewährleistet werden könnte. Sie waren in der Lage – von den eigenen, kollektiven und langfristigen Interessen ausgehend – eine Antwort auf diese Herausforderung zu gestalten, indem sie eine Reihe außergewöhnlicher Entscheidungen trafen.

Die Krise von 2008/09 zeigte, dass das Potential dieser Entscheidungen, die Mitte der 1990er Jahre umgesetzt wurden, sich bereits erschöpft hatte und die chinesische Elite über ein neues Wachstumsmodell nachdenken muss. Für Russland aber ist entscheidender, dass die chinesischen Eliten Anfang der 1990er Jahre zu Verhandlungen in der Lage waren und sich für Reformen entschieden. Sie haben es geschafft, ihre gegenseitigen Ansprüche zu beschränken und sich auf neue Spielregeln zu einigen, unter anderem auf einen »erweiterten Zugang« für neue Akteure. Äußerst wichtig waren in diesem Zusammenhang die Korrekturen, die Anfang der 2000er Jahre in der Verfassung der Volksrepublik und der Satzung der KP Chinas vorgenommen wurden: Privateigentum wurde anerkannt und Unternehmer wurden als Parteimitglieder zugelassen.

Es ist unschwer zu erkennen, dass zwischen der Situation in China 1990–1992 und der in Russland heute gewisse Ähnlichkeiten bestehen. In beiden Fällen haben die herrschenden Eliten angesichts des Risikos einer politischen Destabilisierung strikte Maßnahmen zur Unterdrückung von Opposition unternommen, so dass innerhalb kurzer Zeit keine politischen Konkurrenten des Regimes mehr vorhanden waren. Beide Länder fanden sich danach in einer beträchtlichen internationalen Isolation wieder. In beiden Fällen ist darüber hinaus deutlich geworden, dass das bisherige Entwicklungsmodell keine Möglichkeiten mehr bietet.

Für die chinesische Elite erwies sich die frische Erinnerung an das Chaos und die Exzesse der »Kulturrevolution« als Voraussetzung für die Suche nach Kompromissen. Bei allen Treuebekundungen für »Maos Ideale« wollte Anfang der 1990er Jahre niemand tatsächlich zu den 1970er Jahren zurückkehren – wie auch in Russland heute kein Politiker mit gesundem Menschenverstand an eine Rückkehr zur UdSSR denkt.

Allerdings liegen auch Unterschiede auf der Hand. Die westlichen Sanktionen gegen Russland erfolgten nicht wegen der Unterdrückung von Protesten, sondern wegen der Ereignisse 2014 auf der Krim und in der Ostukraine. Daher sind sie sehr viel härterer Natur und die Isolation Russlands dürfte eindeutig sehr viel länger andauern. Während für die Volksrepublik China die Strategie eines weiteren Wandels – mit der Konzentration auf eine Integration in die globalen Märkte und das Setzen auf billige Arbeitskräfte als klarer Wettbewerbsvorteil – klar war, so ist für Russland eine mögliche Strategie nicht abzusehen. Darüber hinaus waren die Entscheidungen, die in China umgesetzt wurden, ungewöhnlich, da sie nicht nur Märkte aufbauten, sondern auch den Eliten neue Rentenquellen eröffneten. Russland steht heute vor einer ähnlichen Aufgabe, nämlich nach außergewöhnlichen Institutionen zu suchen, die einerseits Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Entwicklung und andererseits auch Anreize für die Eliten bieten.

Schließlich ist die Elite in Russland weitaus weniger konsolidiert und vielfältiger als in China. Dort wurden die Konflikte innerhalb der Elite Anfang der 1990er Jahre im Rahmen der Kommunistischen Partei und über die hierzu entstandenen Mechanismen entschieden. In Russland fehlen im Grunde derzeit solche Mechanismen: Bei aller Fülle formaler Institutionen, die lediglich als »politische Dekoration« dienen, fehlen Kommunikationsplattformen für die unterschiedlichen Gruppierungen innerhalb der Elite.

Dennoch, trotz all dieser Unterschiede, sind die Erfahrungen Chinas Anfang der 1990er Jahre als Beispiel für eine strategische Entscheidung, die die Elite des Landes angesichts äußerer Bedrohung und des Fehlens eines klaren politischen Druckes in China selbst getroffen hat, sehr lehrreich. Die Frage ist nur, ob die Elite Russlands handlungsfähig genug ist, um eine solche strategische Entscheidung zu treffen und ungewöhnliche institutionelle Lösungen zu finden, die den Realien in Russland angemessen wären.

Übersetzung aus dem Russischen: Hartmut Schröder

Lesetipps / Bibliographie

  • Zhao S.: Deng Xiaoping’s southern tour: Elite politics in post-Tiananmen China. in: Asian Survey, 33. 1993, Nr. 8, S. 739–756.

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