Polen als Rechtsstaat. Der schwierige Nachlass der Regierung Kaczyński und sein Einfluss auf die Rechtsstaatlichkeit Polens

Von Fryderyk Zoll

Zusammenfassung
Der Autor weist auf den dringenden Reformbedarf bei der Zulassung zu juristischen Berufen (Anwälte, Richter) in Polen hin und skizziert die Vielschichtigkeit des Problems, die nach seiner Ansicht zu einer differenzierten Bewertung führen muss. Dabei räumt er ein, dass die PiS bzw. Kaczyński-Regierung auf existierende Missstände hinwies, aber ungeeignete Lösungsvorschläge machte, um die Fehlentwicklungen zu beheben. Die beabsichtigte Reform des Anwaltsberufs hat demnach die Gefahr herauf beschworen, anstatt einer Reform, die neben der notwendigen Öffnung des Berufs seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit gewährleisten würde, eine dem Staat untergeordnete und abhängige Gruppe von Anwälten zu schaffen. Man kann nach der Bestandsaufnahme des Autors auch nicht leugnen, dass das Ernennungsverfahren der Richter in Polen ein Legitimationsdefizit aufweist. Es muss nicht nur ihre Unabhängigkeit garantieren, sondern ihnen auch eine ausreichende Legitimation im Rahmen der demokratischen Gesellschaft verleihen. Das effektiv bestehende »Klon-System« ist in dieser Hinsicht nicht ausreichend bzw. schädlich. Es verstärkt die Tendenz, dass die Richter eine abgeschlossene, sich selbst schützende Struktur ausbilden. Die Reformvorstellungen von PiS bzw. des amtierenden Präsidenten Lech Kaczyński auch in diesem Bereich wie auch der Interventionismus des seinerzeitigen PiS-Justizministers Ziobro in seiner Funktion als Generalstaatsanwalt in laufenden Verfahren (»Schaujustiz«) wiesen bzw. weisen in die falsche Richtung bei der Bekämpfung der unzweifelhaften Defekte des polnischen Justizsystems.

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Analyse

Die Parteienfinanzierung in Polen – das System und seine Änderungen

Von Jarosław Zbieranek
Das seit dem Jahr 2001 in Polen bestehende System der Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln erfüllt – wenn auch weit davon entfernt Ideal zu sein – die Funktionen, die seine Autoren vorgesehen hatten: Vor allem beseitigt es korruptionsfördernde Situationen bei der Suche der Parteien nach Finanzquellen und unterbindet die in den 1990er Jahren häufig unklaren Kontakte mit der Geschäftswelt sowie die Organisation von Wahlkampagnen mit nicht kontrollierten finanziellen Mitteln. Darüber hinaus ordnete und stabilisierte es die politische Bühne Polens. Seit einigen Jahren forciert die größte Fraktion im Sejm, die Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO), das revolutionäre Projekt einer sofortigen vollständigen Abschaffung der Parteienfinanzierung aus dem Staatshaushalt. Der Autor stellt das seit dem Jahr 2001 funktionierende System sowie die Einstellung der Öffentlichkeit vor und analysiert schließlich die Änderungsvorschläge, die von der PO und von anderen Gruppierungen in die parlamentarische Debatte eingebracht wurden, darunter das Projekt der Linken, das im April 2009 verabschiedet worden ist. Der Autor spricht sich eindeutig für die Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln aus, sieht aber die Notwendigkeit einer Reformierung. (…)
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Analyse

Polens Linke und alternative Milieus: Ansätze für ein Revirement der polnischen Sozialdemokraten?

Von Stefan Garsztecki
Polens Linke hatte es in den vergangenen Jahren schwer. Nach der Ablösung der von der Demokratischen Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD), der Nachfolgepartei der polnischen Kommunisten, geführten Regierung von Marek Belka waren Polens Linke jahrelang fast in der Bedeutungslosigkeit versunken. Der an Korruptionsaffären und internen Streitigkeiten fast zerbrochenen Partei, von der sich ein Erneuerungsflügel um Marek Borowski im Jahr 2004 abspaltete und mit Mitgliedern der Arbeitsunion (Unia Pracy – UP) die Polnische Sozialdemokratie (Socjaldemokracja Polska – SdPl) gründete, ohne bei Wahlen nennenswerte Erfolge erzielen zu können, gelang es erst im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen im Juni 2010 mit ihrem Kandidaten und Parteivorsitzenden Grzegorz Napieralski, der überraschend 13,7 % der Stimmen erzielte, wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Allerdings schien dieser Wahlerfolg eher durch die Wahlentscheidung solcher Menschen verursacht worden zu sein, die sich vom verbreiteten Pathos und den religiösen Gefühlen in Teilen der Bevölkerung nach der Flugzeugkatastrophe von Smolensk nicht mehr repräsentiert sahen. Das klare Bekenntnis von Napieralski zum säkularen Staat schien hier genau zu passen. (…)
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